mit einem simplen Trick in die Flucht schlugen und große Gesteinsbrocken über die Klippe rollten. Wir haben heute aber wesentlich friedlichere Absichten, packen gleich am Eingang auf dem Picknickplatz unsere Kaffeetassen aus und stellen dabei fest, dass sich am anderen Ufer des Flusses, der kurz vorher den Chilko River aufnimmt, eine Grizzly-Mutter mit ihrem noch etwas tollpatschigem Nachwuchs unbekümmert die Zeit vertreibt und unsere Pause erfreulich aufwertet.
Auf der Weiterfahrt biegen mehrere, in der Regel sehr raue, Schotterpisten ab, die zu Seen, Campingplätzen oder Lodges im Hinterland führen, wo in der Regel fischen, wandern, Boots- und Reittouren im Mittelpunkt der Aktivitäten stehen. Wer angeln will, braucht unbedingt eine Erlaubnis. Sie ist generelle Pflicht, nicht teuer und in den Stores oder Lodges zu haben. Etwas außerhalb von Redstone, direkt am Straßenrand, fällt der Blick auf einen Indianerfriedhof, denn hier zieht die „20“ durch das „Redstone Indianer Reservat“, während sich Richtung Westen bereits die Küstengebirge mit ihren meist weißen Gipfeln erheben und zwei Abstecher einladen. Zunächst zum populären Puntzi Lake, der auch für seine Kokanee Lachse und Forellen bekannt ist, danach wirbt, beim gleichnamigen Ort, die Chilanko Forks Straße für die 1987 gegründeten „Chilanko Marsh Wildlife Management Area“. Diese 900 Hektar Feuchtgebiet liegen direkt an der Pazifik Flugroute und bieten mehr als fünfzig Vogelarten, sesshaften und Gästen, als auch Elchen, Hirschen, Kojoten, Nerzen und Biber ein Zuhause. Die Wanderwege, die der Interessierte einschlagen darf, sind am Parkplatz beschrieben.
Zurück auf dem Highway bringen uns die nächsten 40 Kilometer nach Tatla Lake. Kurz vor dieser Ortschaft knickt die Straße nach rechts, und genau hier heißt es anhalten, denn an der nach links abbiegenden Schotterstraße, das Tor in eine wunderschöne Landschaft, gibt ein großes Schild darüber Auskunft, zu welchen Flüssen oder Seen diese „Backcountry Roads“ führen; Sapeye, Horn, Chilko und Tatlayoko sind Beispiele. Dass die Fischbestände in diesen Seen hervorragend sind, ist so selbstverständlich wie die großartige Natur, die sich hier ausbreitet. Zum „Chilko Lake“ ist es von hier aus mit etwa 70 Kilometer ähnlich weit, wie über die vor Redstone abbiegende Straße, doch wird jener Schotter in der Regel besser gepflegt, obwohl auch er unser Gefährt 2010 ganz gewaltig durchgeschüttelt hat. Dass man sich vor Ort über den Pistenzustand erkundigt leuchtet ebenso ein wie die Tatsache, dass das, was die Einheimischen als gut bezeichnen, nicht unbedingt mit europäischen Vorstellungen identisch sein muss. Die Seen Sapeye und Horn sind von der Kreuzung 15 Kilometer, der Tatlayoko 40 Kilometer entfernt. Schön sind diese vielen Seen alle, aber das „Ass“ in diesem Gebiet ist der Chilko Lake, der größtenteils von dem 1994 eröffneten, 235.000 Hektar großen Ts’yl-os Provinzpark eingerahmt wird, der nur zu Fuß, Pferd oder Boot betreten werden darf. Den Namen des Parks spendete der Mt.Tatlow (3.066 Meter), den die First Nation Leute Ts’yl-os nennen, und an dessen Management die Nemaiah Native People beteiligt sind. Die Wasser des 65 Kilometer langen und 180 Quadratkilometer großen Chilko Lakes, des größten Sees der Küstengebirge, kommen von Gletschern und speisen den Chilko River, dessen „Weiße Meile“ im Lava Canyon bei Wildwasserfahrern weltbekannt ist. Auf dieser fällt der Fluss neunzehn Meter pro Kilometer, und insgesamt 500 Meter auf 240 Kilometer.
In Tatla Lake ist das westliche Ende des Chilcotin Plateaus erreicht, und wer nicht mit dem Auto zur Chilco Lake- oder Ts’yl-os Park Lodge fahren möchte, der kann hier seine Ziele mit dem Helikopter ansteuern, oder von Anahim Lake und Vancouver aus auch Abholflüge der Lodges mit Buschpiloten nutzen. Lodges und Führer bieten Touren zu Fuß, Boot und Pferd in eine großartige Landschaft an, die den Mt.Waddington (4.016 Meter) als höchsten Küstengebirgsgipfel, den Franklin Gletscher und das Homathko Eisfeld einschließt. Und „nebenan“ bietet sich auch noch das unberührte Gebirgstal des Tatlayoko Lakes an. Rafting, Bergsteigen, Bärenbeobachtungen und viele andere Erholungsmöglichkeiten auf hohem Niveau gehören ebenfalls dazu. Die „Tsylos“ Lodge, am kristallklaren Chilko Lake gelegen, empfängt ihre Gäste von Juni bis September und offeriert im Juli und August auch mehrtägige Packritte. Wer hier für einen längeren Trailritt keine Zeit hat, der sollte wenigstens eine Tagestour dazu nutzen, um aus 2.600 Meter Höhe den grandiosen Blick auf den See, den im Spätsommer Millionen von Lachsen erreichen, zu erleben. Wenn dann noch die Sonne scheint und sich im türkisblauen Wasser die schneebedeckten Dreitausender spiegeln, dann fühlt und begreift man, was Westkanada ausmacht. Hat sich dann auch noch der Spätsommer eingestellt, wenn die Farben der Natur in einem regelrechten Feuerwerk explodieren, dann glaubt man nicht, dass sich die Natur noch weiter übertreffen könnte. Aber sie kann! Denn nun kommen die Sockeye Lachse zu Tausenden im Hochzeitskleid vom Pacific den Chilco River herauf, färben ihn mit ihren Leibern knallrot und laichen im gleichnamigen See. Danach haben sie ihre Mission beendet, wie alle ihre Verwandten, die im Pazifik unterwegs waren. Mit den Fischen finden sich auch die etwa 60 Grizzlys dieser Gegend ein, um sich vor dem Winterschlaf noch mehr Speck anzufressen. Die Ts’yl-os Lodge ist aber nicht die einzige, die schöne Urlaubstage in dieser wunderschönen Natur verspricht. Andere wären die Tsuniah Lake Lodge, die Elkin Creek Guest Ranch im Nemaiah Valley oder die Chilco Lake Lodge & Guest Ranch als preiswerter Familienbetrieb, der auch einen Campingplatz unterhält.
Bis etwa hierher wird die „20“, für deren neues Teerkleid 23 Millionen Kanadische Dollar bewilligt waren, und von dem wir 2010 das Mittelstück davon schon unter den Rädern hatten, vom Plateau und seiner Landschaft begleitet. Das Weideland zeigt sich dabei größtenteils als hartes Gras, dessen Stängel lange Rispen tragen. Hier und dort fällt der Blick auf Birkenbestände und am Horizont auf Fichtenwälder und bewaldete sanfte Höhenzüge. Kleinste, oft ärmliche Anwesen und spärliche, winzige Ortschaften vervollkommnen den Gesamteindruck. Die meisten Bewohner bevölkern das Hinterland, und größere Ranches an der Straße sind selten. Auffällig ist die Half Way Ranch, aber ein Glanzstück ist auch sie nicht. Was überall die Aufmerksamkeit auf sich zieht sind allerdings die Gatter, die zum verladen der Tiere benötigt werden, denn Ställe kennen sie hier nicht. Und selbst dort, wo verfallenen Schuppen und Scheunen signalisieren, dass die Aktivitäten längst der Vergangenheit angehören könnten, sind jene noch immer aktiv und Rinder oder Pferde nicht weit entfernt.
Unterwegs, und kurz vor Tatla Lake, hatte uns die „Half-Way Ranch“ angedeutet, dass etwa die Hälfte der Wegstrecke auf der „20“ passiert ist. Man mag es kaum glauben, denn die Fahrt ist gemütlich, der Verkehr aber äußerst minimal. Tatla Lake ist einer jener kleinen Orte, in denen der Tourist auch frisches Brot und ähnliche Kleinigkeiten einkaufen kann, und ein Tor nach Süden in die einsame Seen- und Bergwelt. Kleena Kleene, als nächste Ansiedlung, lässt auch nicht lange auf sich warten, und auch hier bieten Guides und Outfitters Touren an. So auch zum fischreichen Klinaklini River, der sich seinen südlichen Weg zwischen den Gletscherflanken Franklin und Kunaklini sucht und in das, von Vancouver Island gut zu erreichende Knight Inlet mündet, dessen Ufer und Umgebung als Grizzly-Paradies gelten, das eine Lodge dem Tourismus erschließt. Wer hier gern abseits kampiert, wählt etwas weiter die rechterhand abzweigende Holm Road zum One Eye Lake, der mit seinem kleinen, sehr einfachen Campingplatz eine preiswerte Übernachtung anbietet. Wesentlich angenehmer ist allerdings die „Clearwater Lake Lodge und Resort“, die an der „20“ linkerhand vor ihrer kurzen Zufahrt angekündigt wird. Mit dieser sehr schönen Holzbohlenlodge mit rotem Dach am Clearwater Lake haben sich Gisela und Bernward Kalbhenn aus Bonn vor einigen Jahren einen Traum erfüllt und Deutschland den Rücken gekehrt. Der Anfang war nicht leicht, denn es musste abgerissen, renoviert und verbessert werden, doch das, was nach eigenen Plänen entstand, ist ein Kleinod mit besonderem Ambiente, das Gemütlichkeit, Erholung und Abenteuer mitten im Bärenland garantiert. Und an diesem See, der ein wirkliches Juwel ist, hat der Gast die Wahl zwischen Lodge, Blockhäusern (Cabins), Luxus im Chalet und einigen Standplätzen für Camper. Geführte Touren in die Bergwildnis werden ebenso angeboten wie reiten mit echten Cowboys und Flüge mit dem Buschpiloten, Wasserflugzeug oder Helikopter. Zweimal haben wir dort unser Wohnmobil hinter den Blockhütten im Wald geparkt und dieses schöne Fleckchen Erde mit seinem wunderschönen See für einige Stunden auf der Durchreise genießen können.
Am nächsten Morgen bin ich vor der Weiterfahrt schon kurz vor fünf Uhr am See. Es ist frisch, aber wunderschön, und außer ein paar Lauten der Natur ist nichts zu hören. Ich gehe am Ufer entlang, höre in die unendliche Weite hinein und schaue der Sonne zu, wie sie langsam den Horizont erklimmt und dafür sorgt, dass gegenüber leichte Nebelschwaden über dem