Christiane Benedikte Naubert

Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz


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erwiederte die unmuthige Gräfinn, indem sie die Augen rieb und herzlich gähnte, der Schein des Lichts lockte mich hieher, und ich war sehr verwundert, sehr erfreut, wollte ich sagen, auch euch hier zu finden.

      Wie ist es doch irgend einem verständigen Wesen möglich, sich in einen Zirkel einzudrängen, wo es kein Geschäft hat, als den Endzweck der geschlossenen Gesellschaft zu stören. Imaginens Lage mußte so unleidlich seyn als die unsrige; sie kämpfte mit dem Schlafe und wir mit der peinlichsten Ungeduld, sie entschlummert oder entfernt, und uns in Freyheit zu sehen, Dinge zu hören, welche, wie uns immer deutlicher ward, für uns auf Adelheits Lippen schwebten.

      So quälten wir uns gegenseitig eine halbe Nacht hindurch, bis jener Zufall uns aus einander scheuchte, welcher mir ewig gleich unvergeßlich und unerklärbar seyn wird. – Es war weit gegen den Morgen. Wir schwiegen alle, weil wir einander nichts zu sagen hatten. Adelheit hatte schon einigemal Miene gemacht, uns gute Nacht zu sagen, ohne daß sie sich überwinden konnte, die Hoffnung auf irgend einen unbewachten Augenblick aufzugeben. Die Lichter brannten dunkel. Imagina schloß jetzt die Augen, und ließ den Kopf mit der unverkennbaren Miene eines Entschlafenden auf die Schulter sinken.

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       Elisabeth, Gräfinn von Toggenburg, an ihren Bruder, Ludwig, Grafen von Mätsch.

      Hier, mein Bruder, hast du den Anfang meines Versprechens in der Geschichte der Unglücklichen Noria Venosta, welche meine Aufmerksamkeit auf tausendfache Art reizt. Ich hatte sie irrig für vollständig gehalten, und finde nun, daß sie nichts ist, als ein Fragment. Vielleicht habe ich unvorsichtig die Aebtißinn zu viel von dem geplünderten Archiv zurücknehmen lassen, vielleicht auch, und dies ist mir wahrscheinlich, vernichtete die Zeit den Rest von dem, was zu erfahren ich nicht ohne Begierde bin. Einige abgerissene Stücken und das Ende der Geschichte fand ich noch, und sie dienten nur dazu, eine Neugier zu vermehren, welche unbefriedigt geblieben seyn würde, wenn ich mich, von der Mühe in bestaubten Papieren zu wühlen, hätte abschrecken lassen, und nicht aufmerksam genug gewesen wär, in der Geschichte manchen Wink zu finden, wo ich zu suchen habe. Die Geschichten der Elisabeth von Homburg und der Lukretia Malatriti, deren Noria Erwähnung thut, sind für uns verloren, aber von den beyden Fräulein von Sargans, an welche Noriens Erzählung gerichtet, ist, fand ich viel; viel von der edeln, ach der beklagenswürdigen Frau von der Wart, auch einige Briefe von ihrer Hand geschrieben, die ich dir, so bald sie gelesen sind, mittheile, besonders den einen, welcher, wie mich dünkt, genau an die Lücke von Noriens Erzählung paßt, welche du und ich beklagen.

      Fragst du nach der Würkung, welche diese Lectür auf mein Herz that? – O Bruder! es ist nur gar zu wahr, daß der Unglückliche überall sein Bild zu finden meynt. Noria und ich, dem Anschein nach, welch ein ungleiches Paar! Und doch wie leicht war es vielleicht möglich, daß beyde Schwestern im Unglück wurden? War Henrich von Montfort, um dessen Verlust so viel tausend Thränen geflossen sind, vielleicht bey seiner schönen Außenseite, eben das Ungeheuer, welches Walter von Vatz bey der Seinigen war? und erflehte ich vielleicht mit meinen Zähren um ihn vom Himmel mein Unglück? – O Vorsicht42! laß mich nie murren, wenn du mir ein Gut entrücktest, dessen wahren Gehalt du besser kanntest als ich! Ich flehte um mein Glück, und du gewährtest es mir in Entreissung dessen, was mich vielleicht unaussprechlich elend gemacht hätte.

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      O ihr, die ich mit Freuden Mutter nennen würde, da ihr die Gemahlinn meines unglücklichen Vaters seyd, wenn nicht diejenige, welche mich die Natur mit diesem theuren Namen nennen lehrte, mir ihn auf ewig verbittert hätte! Freundinn! künftige Vertraute! war es eine Erscheinung, oder erblickte ich würklich diejenige, deren Bild mein Herz sich so oft mahlte, ohne je das Original dazu zu finden?

      Ach wir sind getrennt, getrennt, wie ich es befürchte, und der Schade dieses Verlusts ist nicht mein allein, es ist leider auch der eurige!

      O daß ich in jener unglücklichen Nacht, da ich zu euch schlich, euch und eure schöne Mitgefangene zu warnen, so zögernd mit dem Bekenntnisse zu Werke ging; es sey dem Grafen von Vatz nicht zu trauen! – Verzeihet! Donat war mein Bruder! es ist schwer von einem Bruder das Schimpflichste zu gestehen!

      Um Gottes und der heiligen Jungfrau willen, laßt euch nicht durch seine Freundlichkeit täuschen; ergreift auf eurer Reise nach dem Schlosse den ersten Augenblick zur Flucht, denn seyd ihr erst auf demselben angelangt, so wartet eurer der Tod oder ein schimpfliches Gefängniß, und das Fräulein von Rappersweil hat ein noch traurigeres Schicksal zu besorgen.

      Jener Klostermann, Abt oder was er ist, der uns mit seinem heuchlerischen Gefolge entgegen zog, Gnade vor euerm Ueberwinder zu erflehen, wußte meinen Bruder auf seiner schwächsten Seite zu fassen, er versprach ihm seine Schonung mit dem Besitz einer jungen Schönheit zu vergelten, von welcher er vorgab, sie sey in seiner Gewalt. Donat, welcher nie der Geistlichkeit zu trauen pflegte, wollte die Erfüllung des Versprochenen auf der Stelle sehen, und die unglückliche Elisabeth ward dem Räuber ihrer Ehre entgegen geführt. Ihr begleitetet sie und vermehrtet durch euren Anblick das Feuer, mit welchem ich mich entschloß, die Unschuldige zu retten, so wie ich schon mehrere gerettet habe, die mit ihr im gleichen Fall waren.

      Ich erblickte euch, Noria, und welchen Eindruck machtet ihr auf mein nach weiblicher Freundschaft schmachtendes Herz! O ihr kennt nicht meine ganze Lage, sonst würdet ihr errathen können, wie nöthig dieses Glück mir ist, nach welchem ich so lang vergeblich schmachtete. Zwar meine Schwester! – doch ihr kennt Imagina und werdet sie noch besser kennen lernen.

      Imagina ist die Vertraute der Ausschweifungen ihres Gemahls. Blos das Versprechen der niederträchtichsten Nachsicht in diesem Stück und ihr Reichthum konnte sie zu Donats Gattinn machen. Sie ist weder schön noch gut, und haßt jedes weibliche Geschöpf, welches die Eigenschaften hat, welche ihr fehlen. Auch mich haßt sie und ich bin genöthigt ihr zu schmeicheln, um, da ich von dem, welcher mich schützen sollte, meinem unglücklichen Gemahl, getrennt leben muß, nicht ganz elend zu seyn.

      Ihr sollt einst meine ganze Geschichte wissen, jetzt nur die Wiederholung meiner Warnung. Scheints doch, als ob selbst unsichtbare Mächte euch warnen wollten! Was war jenes seltsame Schrecken, das uns in voriger Nacht, da Imaginens Gegenwart mir die Zunge band, euch das zu entdecken, was ihr jetzo erfahrt, was war es, das uns so plötzlich auseinander scheuchte? Wars ein Gesicht, das wir sahen? ein Schall, den wir hörten? streifte die kalte Hand des Todes über unsern Nacken? – Voll Entsetzen sprangen wir alle auf, und sahen uns mit bleichen Gesichtern und der Frage an: Was war das? Selbst die halb entschlummerte Imagina bebte aus ihrer Betäubung empor, und zog mich mit kalter zitternder Rechte aus eurer Wohnung: O gewiß war dieses die Mahnung eures Schutzgeistes, der das vollenden wollte, was mich Imaginens Gegenwart zu thun hinderte. – Wenn ich der ganzen geheimnisvollen Eignung nicht noch eine andere Deutung geben soll. – Ich weiß nicht warum mich seit jenem Augenblicke des Schreckens, da ich euch zuletzt sah, der Gedanke an meinen Vater so fürchterlich verfolgt. Ich hoffe, es ist ihm kein Unglück begegnet, er ist ja in den Händen seines Sohns? Donat ist nicht Unmensch genug, die ersten Rechte der Natur zu verletzen!

      O guter, guter Vater! seit ich Noria Venosta sahe, wallt mein Herz auch gegen dich von kindlichen Gesinnungen! Wie verächtlich, wie verabscheuenswürdig schilderte man mir diejenige, um derenwillen meine Mutter verstossen ward, und wie fand ich sie! Nöthigte ihr einnehmender Anblick nicht selbst meinem wilden Bruder Ehrerbietung ab? – O gewiß! man hat mich in Ansehung Graf Walters auf ähnliche Art getäuscht, ich werde noch das Glück geniessen, mich in die Arme eines guten Vaters zu werfen!

      Noch einmal, theure Noria, Vorsicht für euch und Elisabeth, und für mich, schleunige Nachricht, wie es auf dem Schlosse stehet, wenn ihr dem Unglück dahin gebracht zu werden nicht entgehen könnet, und Gelegenheit findet mir bey diesem treuen Boten zu antworten. – Von mir nur so viel: Man ahndete meinen Entschluß euch zu warnen. Imagina ward in jener Nacht, da man muthmaßte, ich habe mich in dieser Absicht zu euch geschlichen, ausgesandt meiner zu hüten. Unter dem Vorwand von Krankheit mußte ich diesen Morgen bey eurem Zuge nach meines Vaters Schlosse zurückbleiben, um eure Rettung unmöglich zu machen. Ich