Christiane Benedikte Naubert

Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz


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welcher geschworen hatte, mich Lukretiens Schatten zum Opfer zu schlachten? Doch faßte ich mich, schlug meinen Schleyer zurück und ging muthig voran, wohin man uns führte. Ich warf mich zu Donats Füssen, und suchte alles, was ich von ihm flehen wollte, und wozu mir die Worte fehlten, in einem einigen Blicke zusammen zu fassen. Donats durchdringendes Auge ruhte auf meinem Gesicht, und er wandte sich nach einem der churwaldischen Mönche, der hinter ihm stand, indem er fragte, ob ich die Schöne sey, von welcher man ihm gesagt habe. Man nannte ihm meinen Namen, Noria Venosta, und seine Miene, welche vorher den ganzen Ausdruck des Wohlgefallens getragen hatte, verwandelte sich in verbissene Wuth; er riß sich von mir los, und ging der entschleyerten Elisabeth entgegen, welche sich langsam näherte, und dann mit der Anmuth, die die kleinste ihrer Handlungen begleitete, vor ihm niedersank. Gnade! Gnade! rief sie, indem sie ihre Hände bittend vor ihm faltete, Gnade für die hülflose Unschuld! Sollte der siegreiche Donat wider schwache Weiber, wider einen kranken Vater, wider ein Volk, das sich gern vor seinen Waffen beugt, wüthen können? o das sey ferne!

      Donat trat einige Schritte zurück, und sah die kniende Elisabeth mit jenem unerklärbaren Blicke an, den einige Männer in ihrer Gewalt haben. Niemand vermochte zu errathen, ob er die schöne Bittende aus einer für uns günstigen Bestürzung oder aus Verachtung in ihrer Stellung ließ, wie er bey mir gethan hatte.

      Stehet auf! rief er nach einer Weile mit einem angenommenen rauhen Tone, wer seyd ihr?

      Elisabeth von Rappersweil!

      Und diese? indem er auf mich deutete.

      Noria Venosta! Meine Mutter und die Eurige! Sie ist eures Vaters Gemahlinn, eures Vaters, der vor eurer Zukunft bebt. O Donat! bedenkt, was das heißt, ein Gegenstand der Furcht für einen reuenden Vater zu seyn! O Gnade! Gnade! für uns alle.

      Donat hub die Kniende auf, ohne ihr zu antworten, machte auch mir ein Zeichen, mich zu erheben, und befahl seinen Leuten uns in ein andres Zelt zu bringen.

      Gegen den Abend erschien er selbst, uns dasjenige zuzusagen, worauf wir am Morgen vergebens eine Antwort erwartet hatten; er schien ein ganz anderer Mann zu seyn, nachdem er die blutige Rüstung und den drohenden Helm abgelegt hatte. Er war gegen Elisabeth ehrerbietig, gegen mich höflich, er sprach mit Gelassenheit von seinem Vater, nannte Lukretiens Namen nicht, den er sonst, wie man uns sagte, immer im Munde zu führen pflegte, und ließ sich sogar herab, mich einmal Mutter zu nennen. O Elisabeth, rief ich, indem ich das Fräulein von Rappersweil in die Arme schloß, wir werden glücklich sehn! Graf Donat nennt mich Mutter! siehst du in ihm den Schrecklichen, den man uns geschildert hat? O daß Graf Walter hier wär seinen gefürchteten Sohn kennen und lieben zu lernen! er würde ihm alles, alles verzeihen!

      Verzeihen? rief Donat, der ein wenig über den ungezwungenen Ausbruch meiner Gefühle lächelte. Derjenige, welcher hier zu verzeihen hat, bin ich, und in Wahrheit Noriens Schönheit kann jede Ungerechtigkeit, selbst die, welche der armen Lukretie wiederfuhr, verzeihlich machen.

      Wir sahen, daß sich Donats Stirn bey Lukretiens Namen ein wenig umwölkte, und eilten, die letzte Bitte an ihn zu thun, die wir auf dem Herzen hatten, damit sich nicht seine günstigen Gesinnungen ehr ändern möchten, als wir den gewünschten Vortheil davon genossen hätten.

      Wir baten um Erlaubniß zu seinem beängstigten Vater zurückgehen, und ihm die kindlichen Gesinnungen seines Sohnes anmelden zu dürfen. Er weigerte sich, und fragte nach der Ursach unserer Eil. Wir nannten außer der Begierde Graf Waltern schnell zu erfreuen, noch die Unschicklichkeit, hier im Lager unter lauter Männern zu bleiben.

      O! rief er, ists nur dieses, was euch eilen macht, so darf ich auf Erlaubniß hoffen, in eurer Gesellschaft meinen Einzug auf Graf Walters Schloß zu halten. Ihr seyd nicht die einigen Damen hier im Lager, ich habe eine Gemahlinn und eine Schwester, welche sich freuen werden, euch zu umarmen, und die, daß ich euch die Wahrheit sage, eure Vorbitterinnen waren, ehe ich noch ganz entschlossen war, was ich auf euer Gesuch antworten sollte.

      Es ist unmöglich zu beschreiben, auf wie vielfache Art uns Graf Donats Rede erfreute. Es ist kein Kleines für blöde zaghafte Frauen, an einem Orte, wo sie sich unter lauter wilden Kriegern glaubten, Personen ihres Geschlechts vorzufinden, und hier trafen wir gute weibliche Seelen, welche unsere Vorbitterinnen gewesen waren, ohne uns zu kennen, trafen Donats Gemahlinn! Dieses letzte besonders war Musik in meinen Ohren. Die Blicke unsers Ueberwinders hatten diesen Abend oft auf eine sehr unzweydeutige Art an der schönen Elisabeth gehangen, ich war geneigt Donats unerwartete Milde ganz auf die Rechnung von ihren Reizen zu schreiben. Elisabeth war verlobt, Donat ein Tyrann, was für Auftritte liessen sich von dieser traurigen Verkettung von Umständen voraussehen, welche durch die Nachricht, Graf Donat sey vermählt, durch die Ueberzeugung, er entblöde40 sich nicht, das junge Fräulein, das er mit Wohlgefallen anzusehen schien, seiner Gemahlin vorzustellen, auf einmal in die Reihe der Hirngespinste versetzt wurde.

      Wir wurden Graf Donats Frauenzimmer vorgestellt, und mit Wohlwollen aufgenommen, doch schien das Auge der jungen Gräfinn von Vatz mehr mit jener Herablassung41 auf uns niederzusinken, welche man sonst nicht gegen Personen seinesgleichen annimmt, als mit ungeheuchelter Freundlichkeit, mit welcher uns die liebenswürdige Adelheit von der Wart, die man uns Graf Donats Schwester nannte, entgegen kam.

      Ueberhaupt machte der Anblick der Gräfinn Imagina, so nannte sich Graf Donats Gemahlinn, nicht den vortheilhaftesten Eindruck auf uns. Das Wenige, was sich von ihr sagen ließ, war, sie war nicht schön, und die hohe Miene, welche sie anzunehmen wußte, diente keinesweges dazu, sie reizender zu machen.

      Aber wie soll ich die einnehmende Frau von der Wart beschreiben? Dies sagte ich zu Elisabeth, als ich mit ihr allein war, dies soll Lukretiens Tochter und Graf Donats Zwillingsschwester seyn? findest du in diesem sanften Gesicht nur einen Zug, den sie mit ihren nächsten Verwandten gemein hätte? Elisabeth fand Aehnlichkeit mit beyden, und wir kamen endlich darinn überein, daß frühes Unglück Lukretiens Augen, die man bey mehrerer Aufmerksamkeit an ihrer Tochter nicht verkennen konnte, ihr wildes Feuer benommen haben müsse, und daß zarte Weiblichkeit ihrem hohen Wuchs und dem stolzen Gliederbau, in welchem sie ganz das Ebenbild ihres Bruders war, das Auffallende entzog.

      Wir verbrachten die Nacht nach einem Tage, an welchem wir so viel überstanden und erfahren hatten, sehr unruhig. Als wir auf Graf Donats und seiner Damen Einladung einwilligten, diese Nacht im Lager zu bleiben, und erst des andern Morgens mit dem ganzen Heer aufzubrechen, so bestanden wir darauf, daß dem beängstigten Walter wenigstens Boten geschickt werden müßten, ihn von den Nichtigkeiten seiner Besorgnisse zu benachrichtigen, und Adelheit hatte Anstalt gemacht, daß Gerungus und Udalrich, unsere Begleiter, nach dem Schloss zurück gingen, ihren Abt von dem beschwerlichen Amt, der Hüter eines Mannes zu seyn, der seiner Sinne nicht ganz mächtig war, ablösten, und ihn ungesäumt mit Nachricht von dem Ergehen des unglücklichen Grafen von Vatz nach dem Lager zurück schickten. Die Frau von der Wart hatte sie selbst begleiten und sich ihrem unglücklichen zuvor nie gesehenen Vater zu Füssen werfen wollen, ohne von ihrem Bruder die Erlaubniß erhalten zu können, und sie theilte jetzt unsere angstvolle Unruhe, als eine Stunde der Nacht nach der anderen verschlich, ohne daß sich ein Bote vom Schlosse sehen ließ.

      Adelheit befand sich in einer außerordentlichen Wallung, die ich unmöglich der Besorgniß um einen Vater, den sie nie gesehen hatte und dessen Schicksal in ihres Bruders Händen stand, zuschreiben konnte; sie hatte sich des Abends nach der Tafel fast ohne Abschied von uns getrennt, und kam jetzt nach Mitternacht allein mit einer dunkeln Leuchte zu uns, unter dem Vorwand, uns die vergessene gute Nacht nachzubringen, und sich mit uns von dem Gegenstand unserer gemeinschaftlichen Unruhe zu unterreden; aber daß dieses nicht das einige Geschäft war, welches sie zu uns brachte, fiel in die Augen. Ihr lag etwas auf dem Herzen, welches sie so lang zögerte, uns zu eröffnen, bis wir gestört wurden. – Imagina trat, ehe wir es uns versahen, herein, und bat mit einer Miene um Vergunst unsere nächtliche Unterhaltung theilen zu dürfen, die uns ihre Gegenwart als eine Gnade anrechnete, welche sie uns ungern wiederfahren ließ.

      Adelheit fragte mit ihrer gewöhnlichen Holdseligkeit, was ihre geliebte Schwester veranlasse, sich die nöthige Nachtruhe abzubrechen? Wenigstens, fuhr sie fort, könnt ihr nicht die nehmliche Ursach der Schlaflosigkeit haben, wie wir, die um das ungewisse Schicksal eines Abwesenden besorgt sind, und den ausbleibenden