Christiane Benedikte Naubert

Elisabeth, Erbin von Toggenburg. Oder Geschichte der Frauen von Sargans in der Schweiz


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besuchten die Aebtißinn von Zürich jetzt fleißiger als sonst, und suchten allemal Gelegenheit, die schöne Fremde zu sehen. Mechtild, welche sich immer durch eine besonders schlechte Meynung von den geistlichen Herrn ausgezeichnet hatte, ahndete hier bald Gefahr für ihr Mündel, und dachte auf die Entfernung, zu welcher es ihr nicht an Mitteln gebrach.

      Schon seit langer Zeit ward dieses treue Mädchen von einem angesehenen Mann zu Steinen30 geliebt, welcher in aller Absicht ihrer Gegenliebe werth war, und dieselbe auch vollkommen besaß, ob sie gleich immer großmüthig genug gewesen war, das Vergnügen, mir zu dienen, einer Verbindung mit ihm vorzuziehen. In den Jahren, da ich und Hedwig verloren, und die junge Elisabeth ganz allein ihrer Vorsorge überlassen war, hatte sie noch weniger an eine Aenderung ihres Standes denken mögen; ein Kloster schien ihr in dieser Zeit der schicklichste Aufenthalt für sich und ihre Pflegetochter, und sie stahl der Zeit, die sie ihr ganz widmete, nur einzelne Stunden ab, ihren treuen Geliebten zuweilen zu sehen, und sich und ihn auf glücklichere Zeiten zu trösten. Er war der Vertraute aller ihrer Sorgen, und jetzt, als die heiligen Mauern kein sicherer Aufenthalt mehr für die junge Elisabeth zu seyn schienen, drang Werner Staufachers endliches Bitten durch. Mechtild willigte ein, seine Gattinn zu werden, und die Sicherheit anzunehmen, die er ihr und ihrem Mündel in seinem Hause anbot; sie entflohen heimlich mit ihm, und lebten seit einem Jahre in seinem Hause zu Steinen ein Leben, wo ihnen nichts zu verlangen übrig war, als das, was sie jetzt genossen, die Wiedervereinigung mit ihren Verlornen.

      Auf die erste Nachricht von unserer Befreyung und unserer Ankunft in diesen Gegenden, war Mechtild herbey geeilt, ihre Elisabeth in unsere Arme zu liefern, und uns Rechenschaft von der Bewahrung unseres Schatzes abzulegen. Auch ihr Mann, der edle Werner Staufacher, war herübergekommen, und führte dem Grafen Venosta eine gute Anzahl seiner Landsleute wider den jetzt allgemein gehaßten Grafen von Vatz zu.

      Ihr erwehnet nicht, sagte Elisabeth, indem sie hier Mechtildens Erzählung unterbrach, ihr erwehnet nicht, daß uns noch eine weit ansehnlichere Hülfe bevorsteht, Graf Ludwig von Homburg. – O verzeihet, Fräulein, erwiederte die lächelnde Mechtild, daß ich diesen theuern Namen so lang zu nennen verschoben habe. Ihr sollt wissen, edle Frauen, fuhr sie fort, indem sie sich zu uns wandte, die Hülfe, welche der Graf von Homburg euch zuführt, wiederfährt euch eigentlich nur darum, weil Elisabeth eure Tochter ist, er ist ein alter Freund meines Mannes, er sahe das Fräulein zuweilen in unserm Hause, und –

      O schweiget, schweiget! rief die erröthende Elisabeth, und beschämt mich nicht wegen meiner unvorsichtigen Aeußerung! Mechtild schwieg, aber wir forderten nähere Erklärung und erfuhren das, was man weitläuftig in Elisabeths Geschichte finden kann, was aber hier mit einzurücken, wider den Endzweck meiner Geschichte war, deren Faden ich ohne Verzug wiederum ergreife.

      Der Graf von Homburg und Werner Staufacher mit ihren Leuten kamen dem Grafen Venosta sehr erwünscht. Schon verschiedene Erfahrungen hatten ihn belehrt, daß er sich an Graf Waltern mit seinen eigenen Gütern einen fürchterlichen Feind erkauft hatte, den allein zu überwinden er jetzt zu schwach war. Verschiedene Jahre verflossen unter zweifelhaften Erfolg von beiden Seiten, bis die göttliche Rache dazwischen trat, und der Sieg der gerechten Sache zuneigte. Es kam zur Unterhandlung zwischen beiden Gegnern. Graf Walter fragte, welche Genuthuung Zirio wegen der mir angethanen Beleidigungen forderte, und glaubte mit Anerkennung meiner Unschuld und Wiederaufnahme der Verstoßnen durchzukommen, aber die Absichten des Grafen Venosta gingen jetzt weiter, er verlangte die Rückgabe all der Landschaften, welche Graf Walter nur in so fern besitzen konnte, als er mein Gemahl war. Man gab ein und anderer Seits etwas nach, es wurden von beyden Theilen große Summen geboten, die Sache schleunig zu berichtigen, aber wahrscheinlich würde der Vergleich, der von beyden Seiten so viel Schwierigkeiten hatte, dennoch nicht zu Stande gekommen seyn, wenn mir das Schicksal nicht noch einige bittere Hefen in dem Kelch des Leidens aufgehoben hätte, die ich nur in der Wiedervereinigung mit meinem treulosen Gemahl ausleeren konnte. O Vorsicht31! wenn ich je wider deine Schickungen murrte, wenn jetzt noch vielleicht eine Thräne des Unmuths über meine Wangen rollt, so vergieb der schwachen Sterblichen! Zeit, Vergessenheit, Tod oder die hellere Ewigkeit, werden ja endlich das Gefühl meiner Leiden völlig tilgen.

      Nie hatte ich gehört, daß es außer Graf Waltern noch einen Grafen von Vatz gebe, jetzt erscholl das Gerücht: Graf Donat von Vatz sey aus Italien herüber gekommen, habe, nachdem er hier und da im Lande von den Angelegenheiten Graf Walters, den er seinen Vater nenne, Erkundigung eingezogen, seinen Sitz auf dem zerstörten Schlosse Uspunnen genommen, und rüste sich daselbst zu einer Fehde, von welcher man noch nicht wisse, wider wen sie abgesehen sey! Wir Frauen zitterten auf unserm einsamen Schlosse vor demjenigen, welchen wir des Namens wegen schon als unsern Feind ansahen, ungeachtet ich nicht begreifen konnte, wie er Walters Sohn seyn könne, der, so viel wir wissend war, nie vor mir eine Gemahlinn gehabt hatte. Hedwig seufzte zu der Ueberzeugung, die ich hievon hatte, und Graf Venosta, der eben von einem der kleinen Scharmützel, die zwischen ihm und seinem Feinde kein Ende nahmen, zurück kam, erklärte mir den Seufzer meiner Freundinn.

      Ach, sagte er, ihr fürchtet nicht ohne Grund diesen neuangekommenen Grafen von Vatz. Nur gar zu wahrscheinlich ist es, daß er Walters Sohn seyn und seine Partey verstärken wird. O Noria, schon vor deiner Vermählung ging ein Gerücht, wie Graf Walter mit einer andern vermählt sey, die er auf einem seiner Schlösser gefangen halte, um sich sorglos um dich bewerben zu können. Dieses war der Grund meines Abscheues vor diesem Verräther, und des Widerwillens, mit welchem ich deine wachsende Neigung zu ihm bemerkte. Ich hatte damals einige ernstliche Unterredungen mit ihm über diesen Punkt. Er leugnete hartnäckig, daß noch irgend eine Lebende ein Recht auf ihn habe, ob er gleich eingestand, daß er mit einer edeln Italiänerinn vermählt gewesen sey, die ihn zum Vater eines Sohns gemacht habe, welcher aber in Italien erzogen werde, und den Ansprüchen seiner künftigen Erben auf keine Art Eintrag32 thun solle. Um aber, setzte Walter damals hinzu, euch jeden Verdacht zu benehmen, als habe ich falsche unzurechtfertigende Absichten auf eure Tochter, so schwöre ich hier vor dem Angesicht des Himmels, mich nie um sie zu bewerben, sie nie zu meiner Gemahlinn zu verlangen, es sey denn, daß ihr sie mir freywillig anbieten, und mich dadurch von dem, wessen ihr mich jetzt beschuldigt, freysprechen werdet. Ich lachte damals, so fuhr mein Oheim fort, über die seltsame Erklärung des Grafen von Vatz, ohne zu denken, daß es je einen Fall geben könne, in welchem ich meine Erbinn auch dem größten und edelsten Manne anbieten sollte, aber Walter wußte sich von diesem Augenblick an so tief in mein Herz einzustehlen, die Dienste, die er mir erzeigte, mehrten sich so sehr und wurden so wichtig, sein Gesicht sprach dabey so nachdrücklich von hoffnungsloser Liebe zu dir, daß mich die Dankbarkeit wünschen machte, ihn mit deiner Hand belohnen zu können. Ich begunnte mich näher nach seinen Angelegenheiten zu erkundigen. Beweise über Beweise fielen mir täglich fast blindlings in die Hand, daß er an jenem schrecklichen Verdacht unschuldig, daß er zwar der Vater eines Sohns, aber daß seine Gemahlinn längst gestorben sey. Der letzte wichtigste aller Beweise seiner Großmuth und Anhänglichkeit an unser Haus, den ich damals von ihm zu erhalten meynte, die Befreyung aus den Händen des Abts von Sankt Gallen bestimmte33 mich völlig. Ich trug dich ihm selbst zur Gattin an, aber was half es, daß er an jener harten Beschuldigung, der Mörder, der Kerkermeister einer Person zu seyn, welche nähere Rechte auf seine Hand hatte, schuldlos war, da er sich der Verbindung mit dir in der Folge auf so vielfache andere Art schuldig machte.

      Und wißt ihr gewiß, unterbrach ihn die Gräfinn von Rappersweil, daß alle Sagen von der Grausamkeit Walters gegen eine frühere Gemahlinn falsch waren? daß er sich wirklich frey nennen konnte, als er euer Schwiegersohn ward? — O Zirio! o Mann ohne Trug und Falschheit! o daß ihr jeden nach eurem edeln Herzen beurtheilen mußtet! o daß ihr selbst da, wo ihr zu gerechten Argwohn aufgeregt wurdet, nur gar zu schnell von dem, was ihr ungern glaubtet, zurückgebracht wurdet, und die gute Meynung von andern, welche auch natürlich war, von neuem annahmet! Unglückliche Lucretia! deine Gebeine zeugen noch an dem Orte, wo sie liegen, wider deinen Mörder! Der Fluch, den du sterbend über ihn sprachst, komme auf seinen Kopf, aber fern sey seine Erfüllung von derjenigen, die ihn unschuldig theilen mußte: Noria ist rein an jener Missethat! Nur Wahnsinn und Verzweiflung konnten dich gegen meine Betheurungen und die Beweise ihrer Schuldlosigkeit taub machen.

      Der Graf Venosta und ich starrten die Rednerinn mit weitgeöffneten Augen an, sie stand da mit gen Himmel gebreiteten