einer Frau, die in der Ehe mit dem sehr viel älteren Zollbeamten, den sie „Onkel Alois“ nannte, wenig Freude und Erfüllung erfuhr. Das Verhältnis zu dem humorlosen, strengen Beamten war von ihrer Seite von Unterwürfigkeit geprägt und stiller Verweigerung, indem sie ihren Erstgeborenen über die Maßen verwöhnte. Dies umso mehr, als sie auch noch Edmund, ihren jüngsten Sohn, mit nur sechs Jahren in seinen Kindersarg legen musste.6
Dass der kleine Adolf dadurch in einen fortwährenden Konflikt zwischen den Eltern geriet, sozusagen zwischen die Fronten, waren sich weder er noch seine Mutter bewusst. Sie glaubte, ihn nach Kräften unterstützen zu müssen, womit sie ihn für die damalige, auf Gewalt und Einschüchterung basierende Erziehung, ungeeignet machte. Diese war prägend für die Zeit und wird heute als „schwarze Pädagogik“7 gefasst. Deren Brutalität hätte er vielleicht ertragen lernen können, indem er ihr irgendwann mit einer gewissen Stumpfheit begegnete, wäre er nicht andauernd von der süßen Gegenwelt verführt worden. Schon sehr früh wurde so über ihn das Schicksal verhängt, dem Vater nichts recht machen zu können. Dieser argwöhnte gar Tücke und Dreistigkeit und strafte ihn dafür mit umso mehr unnachgiebiger Härte.
Kapitel 2
Schwarze Pädagogik
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Alois Hitler, der „Zollamts-Oberoffizial“, auf diese Anrede legte der pedantische Beamte in dem titelhörigen Österreich zeit seines Lebens größten Wert, war ein autoritärer und jähzorniger Mann, der sich an denen schadlos hielt, die seiner Meinung nach im Rang unter ihm standen.
Alois Hitler (vormals Schicklgruber, 1837-1903), Zollbeamter. Vater Adolf Hitlers.
Und das waren in erster Linie seine Frau und seine Kinder. Seine Bestrafungsexzesse trafen auch den Familienhund, der selbst dann noch weiter gezüchtigt wurde, wenn er aus Angst auf den Boden urinierte und seine Beine in Demutshaltung nach oben streckte. Bei seinen ältesten Söhnen8 soll er beim Bestrafungsprozess eine mit Nilpferdleder bezogene Peitsche verwendet haben. Diese Peitsche sollte im Werdegang des Gezüchtigten noch eine große Rolle spielen.
Es war die Härte gegen sich selbst, die der so Gequälte als Lektion aus diesen Bestrafungen zog und die er später bei der ganzen deutschen Jugend unnachgiebig einfordern sollte:
»Wenn aber dieser Kampf unter den Eltern selber ausgefochten wird, und zwar fast jeden Tag, in Formen, die an innerer Rohheit oft wirklich nichts zu wünschen übrig lassen, dann müssen sich, wenn auch noch so langsam, endlich die Resultate eines solchen Anschauungsunterrichtes bei den Kleinen zeigen. Welcher Art sie sein müssen, wenn dieser gegenseitige Zwist die Form roher Ausschreitungen des Vaters gegen die Mutter annimmt, zu Misshandlungen in betrunkenem Zustande führt, kann sich der ein solches Milieu eben nicht Kennende nur schwer vorstellen. Mit sechs Jahren ahnt der kleine, zu bedauernde Junge Dinge, vor denen auch ein Erwachsener nur Grauen empfinden kann.«9
Härte und Brutalität gehörten zu Hitlers Menschenbild. Er war überzeugt, dass der Mensch, „von Natur kein Herdentier“ sei und „nur durch brutalste Gesetze“ dazu gebracht werde „sich zu fügen… Der Menschenstaat ist nur durch eiserne Brutalität aufrechtzuerhalten.“10
Kapitel 3
Irrungen, Wirrungen und Faulheit
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Hitler, der schon als Kind eine gewisse Selbstgewissheit ausstrahlte, wurde durch seine guten schulischen Leistungen in der Volksschule zunächst bestätigt: „Das lächerlich leichte Lernen in der Schule gab mir so viel freie Zeit, dass ich mehr die Sonne als das Zimmer sah.“11 Es gibt ein unscharfes Foto, das den zehnjährigen Volksschüler zeigt, wie er mit keck verschränkten Armen in der Mitte der obersten Schülerreihe steht, das Kinn leicht erhoben und die Augen ein wenig zusammengepresst, mit einer für einen Jungen dieses Alters erstaunlichen Pose.
Klassenfoto der 4. Klasse in Leonding. In der obersten Reihe, Mitte, der zehnjährige Adolf Hitler.
Man kennt diese aus den hinlänglich bekannten Fotografien, die ihn als Staatsmann und als ambitionierten Führer eines kommenden tausendjährigen Reiches zeigen. Aber er war auch ein feinnerviges Kind, das Menschen an ihrem Schritt erkennen konnte. Darüber hinaus prägte sich alles, was er einmal gesehen hatte, in sein fotografisches Gedächtnis ein, was ihm eine gewisse Überlegenheit gegenüber seiner Umgebung verschaffte. Jahrzehnte später sollte der hohe Heerführer mit seinem angeblichen Wissen über verschiedene Waffenarten verblüffen. In der Grundschule erntete er leicht lauter „Einsern“, was sich dann beim Übertritt in die Realschule allerdings drastisch änderte. Denn nun begann die Zeit der Missernten. Schlechte Zensuren verhagelten dem Schüler die Stimmung, vor allem in Naturwissenschaften, Mathematik und Französisch. Und es kam noch schlimmer, bereits die erste Klasse der weiterführenden Schule musste der unkonzentrierte und streckenweise faule Schüler wiederholen: Für das bisher erfolgsverwöhnte Kind ein herber Schlag. Er hatte – hin- und hergerissen zwischen den Extremen eines überaus strengen Vaters und einer ihn dauernd verhätschelnden Mutter – nie gelernt systematisch zu arbeiten. Sein damaliger Deutschlehrer berichtete, dass dem Schüler Hitler zwar eine, wenn auch einseitige Begabung nicht abzusprechen sei, sich aber seine Arbeitslust auch rasch verflüchtigte. Hitler würde auch in diesem Fall Jahrzehnte später an einer passenden Legende wirken, indem er schlüssige Erklärungen für seinen schulischen Misserfolg fand: „Was mich freute, lernte ich, vor allem auch alles, was ich meiner Meinung nach später als Maler brauchen würde. Was mir in dieser Hinsicht bedeutungslos erschien oder mich sonst auch nicht anzog, sabotierte ich vollkommen.“12
Man kann auch von einer selektiven Wahrnehmung des Knaben sprechen. Er lernte nämlich nur das, was ihn interessierte und was seinen vorgefassten Überzeugungen diente und diese untermauerte. Schon früh offenbarten sich in diesem Lernverhalten und der Art die Welt zu betrachten die starren Züge eines Denkens, das nur in Bezug zum eigenen Ich in Gang gesetzt wurde. So war der Schüler Adolf schon früh anfällig für Klischees und Vorurteile. Er würde später behaupten, dass vor allem der Geschichtsunterricht an der Linzer Realschule sein Weltbild und Denken geprägt habe. Von dem dort unterrichtenden Lehrer, einem Herrn Dr. Leopold Pötsch, würde Hitler später in seinem Opus „Mein Kampf“ ein gefühlvolles Porträt zeichnen. Dessen Methode, den Stoff zu vermitteln, kann man durchaus als modern bezeichnen. Er griff nämlich jeweils ein Tagesproblem auf, um dieses im Licht der Geschichte zu betrachten und auf diese Weise den Einfluss auf die Gegenwart zu veranschaulichen. Der so lobend Dargestellte weigerte sich später allerdings vehement, die Verantwortung für die von seinem Schüler vorgenommenen Übertragungen und Rückschlüsse in ihrer vereinfachenden Art und Weise zu übernehmen. Er hätte es wahrscheinlich als eine mehr als zweifelhafte Ehre angesehen, dass ausgerechnet er mit seiner Unterrichtsmethode dazu beigetragen haben sollte, aus Hitler einen jungen Revolutionär zu formen.
Vor seinem vierzehnten Geburtstag starb der gefürchtete Vater in seinem 65. Lebensjahr. Zeit, die verhassten Fesseln und die Kontrolle abzustreifen. In seiner Mutter fand er für seine Pläne, Künstler zu werden, zunächst eine Verbündete. Ihre späteren Appelle, doch etwas Vernünftiges zu lernen, verhallten ungehört. Ein weiteres Klassenfoto zeigt ihn vier Jahre später in derselben Pose. Allein der selbstbewusste Blick fehlt nun und ist einem gewissen Missmut und einer misstrauischen Verkniffenheit gewichen. Die Mutter, die ihr Leben lang ihrem Gatten eine beflissene Unterwürfigkeit entgegen gebracht hatte, war gegenüber dem aufsässigen Heranwachsenden, der ähnliche Jähzorns Anfälle wie sein Vater zeigen konnte, machtlos. Seine Leistungen in der Schule waren nach wie vor schlecht, seine Versetzung erneut gefährdet und nur dank einer Nachprüfung schaffte er den Schritt in die höhere Klassenstufe. Doch man legte ihm nahe, für die vierte Klasse die Schule zu