hat mich durchgetragen.“ Er biss in seinen Burger, und Josephine schwieg.
Warum hatte sie das nur wieder gesagt? Sie wollte nicht über den Glauben reden. Das war eine der verwirrenden Facetten ihres Lebens. Die emotionale Bekehrung, als sie noch ein Kind war, die Abwesenheit Gottes, als sie ihn am meisten gebraucht hätte, ihr widersprüchliches Bedürfnis nach Vergebung und Buße. Sie konnte dem Ganzen keinen Sinn abgewinnen. Also hatte sie aufgehört, es zu versuchen.
Als sie frisch in die Stadt gezogen war, hatten ihre leisen Beichten bei Pastor Jack ihr kurzzeitig Trost geschenkt. Doch als ihr klar wurde, dass der lutherische Pfarrer ein guter Freund von Noah war, hatte sie aufgehört, sich mit ihm zu treffen. Soweit sie wusste, hatte er sowohl ihre Treffen als auch ihre Geheimnisse für sich behalten.
Sie aßen schweigend. Die Mahlzeit zog sich, bis Josephine kurz vorm Verrücktwerden war.
Zu guter Letzt stand Noah auf und trug seinen Teller zur Spüle. „Ich werde mal nach dem Wetter schauen.“ Er verschwand im Zimmer nebenan.
Josephine aß zu Ende und ließ sich dann beim Abwaschen Zeit. Als sie das Wohnzimmer betrat, entdeckte sie Noah, der auf seinen Laptop starrte. Das Leuchten des Monitors hob seine Gesichtszüge rau hervor.
Sie hielt an der Schwelle an, zögerte, das zu kleine Zimmer mit seinem knisternden Feuer und der vertrauten Couch zu betreten. Der Raum wirkte gemütlich im sanften Licht, mit dem steingefassten offenen Kamin und den Deckenbalken. Ein großer Flickenteppich lag auf dem Holzfußboden und lud die Gäste dazu ein, ihre Schuhe abzustreifen.
Noah, der stirnrunzelnd den Monitor betrachtete, schien ihre Ankunft nicht zu bemerken.
Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Was sagt denn die Wettervorhersage?“
Sein Blick huschte zu ihr, dann wieder zurück auf den Bildschirm. „Das gleiche Wetter wie jetzt, und das für die nächsten paar Stunden. Eigentlich hätte die Temperatur über dem Gefrierpunkt bleiben sollen, aber es ist zu erwarten, dass sie jetzt doch eine ganze Weile grenzwertig bleiben wird.“
„Mehr Graupel und Schneeregen.“
„Anscheinend.“
Sie verlagerte das Gewicht auf ihren Füßen. Es sah aus, als würde sie die Nacht über hierbleiben müssen. Seinem finsteren Blick nach war Noah noch unglücklicher darüber als sie.
Der kleine Gefallen, den sie sich da ausgedacht hatte – was für ein Schuss in den Ofen. „Ich schätze, da hast du mich bis morgen am Hals.“
Noahs Nasenlöcher weiteten sich, und seine Augen wurden schmaler, obwohl er sie weder ansah noch antwortete.
„Hast du ein Gästezimmer?“
„Nein.“
Sie war am Hauptschlafzimmer vorbeigekommen, wo ein Doppelbett fast den ganzen Raum ausfüllte. Aber ihr war auch die schmale Treppe am Ende des Flurs aufgefallen. „Was ist oben?“
„Das ist noch nicht fertig.“
Oh. Na ja, sie würde auf gar keinen Fall sein Bett benutzen. „Dann nehme ich die Couch.“
Im Kamin verrutschte ein Holzscheit. Funken stoben auf.
Eine Ader pulsierte in Noahs Stirn. „Du kannst das Bett haben.“
„Es macht mir nichts aus, auf dem Sofa zu schlafen.“
Er durchbohrte sie mit einem harten Blick.
Die Intensität ließ sie zurückweichen, aber sie fand noch ein bisschen Mumm in der Stimme. „Na gut.“
„Na gut.“
Ihr Blick flog zur Uhr auf dem Kaminsims. Es war zu früh, um ins Bett zu gehen. Viel zu früh, aber das war eben Pech. Hier, wo sie keinen Moment länger erwünscht war, würde sie auch keinen Moment länger bleiben.
Dann schaute sie wieder zu Noah und entdeckte den Packen Papiere auf dem Tisch neben ihm, aufgeschlagen auf der letzten Seite, die Linie über seinem Namen immer noch leer.
„Immerhin wirst du jetzt Zeit haben, dir das durchzulesen“, versuchte sie es.
Seine Augen blickten in ihre. Seine Lippen kniffen sich zu einer schmalen Linie zusammen.
„Ich … ich glaube, ich geh dann mal schlafen.“ Als er nicht darauf antwortete, wandte sie sich zum Flur. „Gute Nacht“, sagte sie, aber auch darauf reagierte er nicht.
Beim Betreten des Schlafzimmers sah sie sich um. Das Bett war nicht gemacht, hier und da lagen ein paar Kleidungsstücke, aber im Großen und Ganzen war es aufgeräumt. Die blaue Steppdecke und die grauen Laken erkannte sie nicht wieder, aber das Betthaupt und der Nachttisch aus Eichenholz hatten schon ihr Zuhause in der Katydid Lane geziert.
Sie schlüpfte aus der Jeans, ließ die kleine Lampe auf dem Nachttisch an und schlüpfte unter die Decke. Was sollte sie die nächsten paar Stunden machen? Ein prüfender Blick offenbarte ein Taschenbuch, das aufgeschlagen auf dem Nachttisch lag – eine Biografie des American-Football-Stars Tony Dungy. Nicht gerade das, was sie sonst las, aber einem geschenkten Gaul und so weiter. Sie nahm sie zur Hand, machte ein Eselsohr in die aufgeschlagene Seite und begann bei Kapitel Eins.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als ihre Augen schwer wurden. Gerade als sie das Buch auf das Nachtschränkchen legte, klopfte es an die Tür.
Sie zog die Decke hoch. Ihr blöder Puls raste. „Komm rein.“
Die Tür öffnete sich, und Noah erschien. Er sah noch ausgezehrter aus als vor ein paar Stunden. „Deine Kleider …“ Er trat ein und legte den kleinen Stapel auf den Nachttisch, darauf bedacht, ordentlich Abstand zwischen ihnen beiden zu halten.
Unter der Decke zog sie ihre Knie an. „Danke.“
„Ich brauche noch ein paar Sachen für morgen früh. Und ich habe dir nichts gegeben, worin du schlafen kannst.“ Er ging quer durchs Zimmer zu der großen Eichenkommode in der Ecke. Die Schublade knarzte, als er sie öffnete. Er zog ein blaues T-Shirt und eine Jogginghose heraus, die er ihr hinwarf.
„Danke.“
Er nahm noch einige weitere Dinge aus der Schublade und eilte nach draußen. „Gute Nacht.“
„Nacht.“
Die Tür war beinahe zu, als er das Licht ausmachte.
Sie schoss aufrecht in die Höhe. „Mach das nicht.“
Noahs Schatten hielt auf der Schwelle inne.
Ihr Herz kratzte innen über ihre Brust, als wäre es zerbrochenes Glas, und sie konnte sich gerade noch bremsen, aus dem Bett zu krabbeln. „Ich … ich meine … bitte lass es an. Bitte.“ Sie hasste die Panik in ihrer Stimme.
Die Lampe ging wieder an. Das goldene Licht offenbarte sie roh und ungeschützt. Vor Noah. Hitze stieg ihr in die Wangen, als sie die Augen von ihm abwandte. Sie bemühte sich, gleichmäßig zu atmen und die Decke ganz ruhig in Ordnung zu bringen, als wäre sie gerade nicht völlig durchgedreht.
„Danke.“ Ihr ganzer Körper stand unter Strom. Sie ließ sich in die Kissen sinken, versuchte, beiläufig zu tun, und schloss die Augen. Das Klopfen ihres Herzens erschütterte die Matratze. „Gute Nacht.“
Es kam ihr vor, als stünde er noch volle zehn Minuten in der Tür. Das Gewicht seines Blicks lastete auf ihr. Endlich schloss sich die Tür, und ein tiefer Seufzer entwich ihrem Körper.
KAPITEL 7
Cartersville, Georgia Vor sechzehn Jahren
Ihre Mutter starb in dem Sommer, in dem Josephine zwölf Jahre alt wurde. Es geschah am 6. Juli. Das Datum konnte sie sich leicht merken, weil Josephine am Tag vorher ihre erste Blutung hatte und das Mama gerne erzählen wollte. Die sprach aber nicht mit ihr, weil sich Josephine zu Shelby Greens Party anlässlich des 4.