Denise Hunter

Hüter meines Herzens


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weggedämmert, als jemand die Tür öffnete und der Lichtschein aus dem Flur ihre Augen dazu brachte, aufzugehen. Dann breitete sich erneut Dunkelheit in ihrem Zimmer aus, und ihre Tür fiel ins Schloss.

      Ihre Ohren spitzten sich. Sie spürte eine Gegenwart im Zimmer. Still lag sie auf ihrer Matratze, die Augen in der erstickenden Dunkelheit weit aufgerissen. Der Klang von Schritten auf dem Teppich ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Flink, so flink, rollte sie zur Seite. Ihr Herz donnerte gegen ihre Rippen. Ein schwarzer Schatten türmte sich über ihr auf. Kalte Angst durchfuhr sie. In ihrer Kehle zog sich ein Schrei zusammen, doch eine harte Hand legte sich auf ihren Mund und brachte sie zum Schweigen.

      KAPITEL 8

       Sweetbriar Ranch Gegenwart

      Noah setzte sich auf der Couch auf und reckte sich. Seine schmerzenden Muskeln dehnten sich qualvoll. Sein Sofa war nicht dafür gemacht, dass man darauf schlief, so viel hatte er in der letzten Nacht gelernt.

      Nicht, dass er viel geschlafen hätte. Stundenlang hatte er im Dunkeln gelegen und sich den Kopf zerbrochen, während er darauf wartete, dass endlich die Sonne aufging. Irgendwann so gegen fünf hatte das Prasseln des Eisregens an der Fensterscheibe aufgehört. Mit ein bisschen Glück würde nicht nur die Sonne am Himmel, sondern auch die Temperatur am Thermometer steigen und das Eis schmelzen.

      Jetzt, wo ein bisschen Tageslicht still und leise durch die Vorhänge drang, konnte er nachsehen, was draußen vor sich ging, und sich dann um die Pferde kümmern.

      Er sprang vom Sofa auf und schob die Gardinen beiseite. Eine dünne Schneedecke bedeckte die Hügel, die Bäume, seinen Wagen. Nein.

      Nein, nein, nein.

      Immer noch fiel in einem steilen Winkel Schnee, der hin und wieder von einer Windbö gehässig durchgewirbelt wurde.

      Du machst wohl Witze. Er ließ die Vorhänge wieder fallen und schlug mit dem Handballen gegen den Fensterrahmen.

      Er schnappte sich seinen Laptop, nahm ihn mit aufs Sofa und öffnete die Seite mit dem Wetterbericht. Die Kaltfront hatte sich weiter nach Süden ausgebreitet als vorhergesagt. Ungläubig schaute er auf die Prognose für den heutigen Tag.

      Zwölf Zentimeter Neuschnee bis Sonnenuntergang.

      Ihm blieb die Luft weg. Josephine würde noch mindestens eine Nacht mehr in seinem Haus festsitzen. Er erlaubte es sich nicht, daran zu denken, wie lange die Schneepflüge brauchten, um die Bergstraßen zu räumen.

      Er rieb sich mit der Hand übers Kinn, dann massierte er seinen Nacken, wo sich jede Menge Anspannung gesammelt hatte.

       Echt jetzt, Gott? Hast du das hier wirklich im Griff?

      Shadow, der seine Anspannung spürte, kam rüber und stupste seine freie Hand an. Noah kraulte ihm die Ohren.

      Sein Blick blieb an den Scheidungspapieren hängen, die auf dem Beistelltisch lagen. Über die wollte er jetzt nicht einmal nachdenken.

      Er klappte seinen Laptop zu und stand auf. Die Pferde mussten versorgt werden, und er brauchte etwas, das ihn von Josephine ablenkte. Von der Tatsache, dass sie ihm Zimmer nebenan schlief, in seinem Bett.

      Wenige Minuten später duckte er sich aus seinem Auto in die Scheune. Gut, dass er die Pferde am Vorabend hereingeholt hatte. Wie es aussah, würden sie heute auch drinbleiben müssen.

      Im Stall heulte der Wind. Kismet wieherte laut, hoch und zitternd. Seit seiner Ankunft war er draußen auf der Weide gewesen. Noah wusste, dass die letzte Nacht für ihn schwer gewesen sein musste. Er hätte sich mehr Zeit für das Pferd nehmen sollen, aber er war von Josephine abgelenkt gewesen.

      „Hey, Kumpel.“ Langsam ging er auf die Box zu. „Alles gut. Alles wird gut.“ Er streckte ihm die Hand hin, doch das Pferd wich zurück.

      Noah griff in seine Manteltasche, wo er Zuckerwürfel aufbewahrte. Es brauchte einige Minuten guten Zuredens, aber nach einer Weile kam Kismet Schritt für Schritt auf ihn zu und nahm sie aus seiner Hand.

      „Gut gemacht, mein Feiner.“

      In einer der nächsten Boxen wieherte Rango, der sehnsüchtig auf sein Futter wartete. Ein paar der anderen Pferde folgten seinem Beispiel. „Ja, ist ja gut, ist ja gut. Ich weiß, dass ihr alle Hunger habt. Ihr kommt doch alle dran.“

      Nachdem er Kismet beruhigt hatte, begann Noah, die Pferde zu füttern. Kismets Ration fügte er etwas Baldrian hinzu, weil er den ganzen Tag im Stall stehen musste. Er nahm sich für jedes Pferd ein wenig Zeit, schenkte ihnen Aufmerksamkeit und striegelte ein paar auf dem Putzplatz.

      Draußen heulte der Wind, pfiff unter den Dachvorsprüngen. Er dachte an Josephine, die in seinem Bett zusammengerollt lag, wo ihr Haar möglicherweise das Kopfkissen beduftete. Sie würde über die Wetterlage auch nicht glücklicher sein als er. Vielleicht schlief sie ja bis mittags.

      Mit langen, langsamen Bürstenstrichen arbeitete er sich zu Diggers Kruppe vor. Das Pferd entspannte sich mit einem Seufzen.

      Noahs Gedanken wanderten zu Josephine zurück. Er erinnerte sich an ihre Panik vom Vorabend. Im selben Moment, in dem er den Lichtschalter betätigte, war ihm sein Fehler bewusst geworden. Sie hatte sich schon immer vor der Dunkelheit gefürchtet. Irgend so eine Kindheitsgeschichte, nahm er an. Solange er bei ihr war, war es ihr immer gutgegangen. Aber in dem Moment, wo sie allein im Dunkeln war, bekam sie Panik. Er wehrte die Beschützergefühle ab, die in ihm hochkamen, wie er sie auch am Vorabend abgewehrt hatte. Nicht seine Verantwortung.

      Er beendete seine Arbeit mit den Pferden und fuhr zurück zum Haus. Es schneite immer noch. Hin und wieder behinderten Wind und Helligkeit seine Sicht so sehr, dass er nicht mehr weiterfahren konnte. Der Himmel war so hell geworden, wie er es an einem Tag wie diesem und angesichts des grauen Abgrunds über ihnen werden konnte. Wenn er doch nur den ganzen Tag im Stall bleiben könnte.

      Das Haus war still, als er mit Feuerholz in den Armen eintrat. Er legte seine Winterausrüstung ab und schürte nachdenklich das Feuer. Wie sollte er noch einen ganzen Tag und eine ganze Nacht allein mit Josephine verbringen? Nur in ihrer Nähe zu sein brachte seine Gedanken durcheinander. Schwere Vorahnung schwoll in ihm an, bis sich seine Lungen wie eingepfercht anfühlten.

      Er hörte ein Geräusch im Flur. Also war Dornröschen aufgestanden. Und dabei war es noch nicht einmal neun Uhr. Wenige Minuten später sprang die Dusche an.

      Das letzte Holzscheit warf er energischer als nötig in den Kamin. Dann kümmerte er sich ums Frühstück. Er schaute in den Kühlschrank und entdeckte einen Eierkarton. Rühreier, Salz, Pfeffer, ein bisschen Käse. Viel zu mühelos fiel ihm ein, wie sie ihre Frühstückseier am liebsten aß.

      Kurze Zeit später ging er zum Bad, um Josephine zu sagen, dass das Frühstück fertig war. Die Tür öffnete sich gerade, als er die Hand zum Klopfen hob. Dampf quoll ihm entgegen, und Josephine sprang erschrocken zurück.

      Ihr Haar war trocken und kräuselte sich um ihr Gesicht. Ihre sahneweiße Haut ungeschminkt. In anderen Worten, sie war wunderschön.

      Sie drückte sich eine Hand auf die Brust. „Du hast mich erschreckt.“

      „Frühstück ist fertig.“

      „Ich hatte vor, mir beim Bäcker was zu holen.“ Sie ging vorsichtig an ihm vorbei, und er machte ihr Platz. „Bist du so weit? Ich muss nur eben meine Schuhe anziehen.“

      Offensichtlich hatte sie noch nicht aus dem Fenster geschaut. Das Schlafzimmerfenster war alt, einfach verglast und daher mit einer undurchsichtigen Plastikfolie überzogen. Das Bad hatte noch nicht mal ein Fenster.

      „Noah? Ich habe Termine heute. Je früher ich zurückkomme, desto besser.“

      Er sammelte seine Sinne und räusperte sich. „Das mit den Schuhen kannst du dir schenken.“

      Sie betrachtete ihn lange. „Und warum?“

      Es laut auszusprechen machte es irgendwie wirklicher.