Hartmut Finger

Dahlen - Kleine Stadt mit Geschichte(n)


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durchzusetzen. Die Dahlener Bürger hatten ebenso wenig Interesse an der Instandhaltung der Fernwege und waren ohnehin durch ihre eigene Existenzsicherung über die Maßen beansprucht. Hinzu kamen für sie noch zahlreiche Frondienste. Indem man ausgerechnet diejenigen für den Wegebau zuständig machte, die keinerlei Vorteil daraus zogen, konnte man dieses Problem kaum lösen. Solche und ähnliche Regelungen wird es überall entlang der Fernhandelswege in Sachsen gegeben haben, was zwangsläufig zu deren miserablem Zustand führte.

       Die Grundherren des mittelalterlichen Dahlen

      Wie bereits erwähnt, schenkte Heinrich IV. im Jahr 1065 Dahlen den Bischöfen von Naumburg. Im 13. Jahrhundert geriet das Bistum Naumburg, vor allem unter den Bischöfen Meinherr (*vor 1246-1280) und Dietrich II. (1190–1272), durch wirtschaftliche Probleme in große finanzielle Schwierigkeiten. Daraufhin sah sich Bischof Ludolf (*?-1285) im Jahr 1282 genötigt, die Städte Dahlen und Strehla nebst anderen Besitzungen an das Kloster Riesa zu verpfänden. Dies brachte jedoch nur eine kurze finanzielle Entspannung, sodass sich der Nachfolger von Bischof Ludolf, Bischof Ulrich (*?/1304-1315), im Jahr 1307 veranlasst sah, die Städte Dahlen und Strehla an Bodo IV. (1379–1430) von Yleburg (Eilenburg) und „Herrn zu Liebenwerda“ zu verkaufen. Dieser veräußerte die beiden Städte im Jahr 1338 für 500 Mark „Freiberger Silber“ an die Brüder Heinrich („der Jüngere“, 1306-1346) und Albrecht (1306-1349), Burggrafen von Leisnig, weiter. Nach dem Tode der Leisniger Burggrafen fielen die Städte Dahlen und Strehla wieder an das Bistum Naumburg zurück.

      Offenbar steckte das Bistum Naumburg immer noch in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Bereits kurze Zeit, nachdem es die beiden Städte wiedererlangt hatte, verkaufte 1367 Bischof Gerhard I. (*?-1400) von Naumburg Dahlen und Strehla zusammen mit Leisnig, Tiefenau und Elsterwerda, für „4600 breite Schock Groschen“ an Herzog Bulko (1308-1368), Fürst von Schweidnitz und Markgraf in der Lausitz. Als Bulko bereits ein Jahr später kinderlos starb, fielen alle seine Besitzungen, darunter auch Dahlen, an die Tochter seines Bruders, Anna. Diese war mit dem böhmischen König und deutschen Kaiser Karl IV. (1346-1378) vermählt. Somit erscheinen Dahlen und Strehla von 1368 an als Lehen der böhmischen Könige Karl IV. und Wenzel IV. (1361/1378-1419).

      1383 schenkte König Wenzel IV. Dahlen an den Ritter Luthold von Torgau, während Strehla an den Ritter Otto von Pflugk (*?-um1427) kam. Die Bischöfe von Naumburg machten jedoch alte Rechte geltend und so musste Luthold von Torgau seinen Dahlener Besitz wieder an das Bistum abtreten. Im Jahr 1404 belehnte der Naumburger Bischof Ulrich II. von Radefeld (*?-1409) Dahlen an den Herzog Friedrich den Streitbaren (1370-1428), der es 1429 an Herzog Friedrich „den Sanftmütigen“ abtrat. Dieser belehnte noch im selben Jahr Heinrich von Schleinitz mit Dahlen, was aus dem ersten Eintrag des Dahlener Stadtbuches vom 28. November 1429 hervorgeht.

      1443 beurkundet Friedrich „der Sanftmütige“ den von Schleinitzens wiederum das Lehen. Im Lehnsbrief heißt es unter anderem: „Hugold von Slinitz, Hugold von Slinitz Son und Heinrich von Slinitz sinen vettern (außer anderen Gütern) den marktt zu Dolen mit den forwercken Dorffern, zcinsen, renten, allen und iglichen iren zcugehorungen wie die namen han und gelegen sind, nichts ausgeschlossen, zcu rechten gesampten manlehen13 gnediglichen hatt gereicht und geliehen.“ Verständlicher ausgedrückt: „Hugold von Schleinitz (um 1425-1490), dessen Sohn Heinrich sowie dessen Vettern erhalten den Markt zu Dahlen, die zugehörigen Vorwerke14 und Dörfer sowie deren jegliche dazu gehörenden Grundstücken als Lehen, sowie alle auf ihnen lastenden Abgaben und Frondienste.“

      1472 kaufte Dietrich (der Ältere) von Schleinitz (Titzen von Schleinitz) den Rittersitz zu Dahlen, das Städtchen Dahlen, die Dörfer Czüssen (Zissen), Kakeldburg (Jäckelsburg) und Smanewitz (Schmannewitz).

      Mit Beginn des 15. Jahrhunderts bekommen wir einen besseren Überblick über die Geschichte von Dahlen, da aus dieser und den späteren Zeiten immer wieder Stadtbücher angelegt wurden, in denen Rezesse, Verträge, Käufe und sonstige Urkunden dokumentiert sind. Dadurch erhalten wir wertvolle Aufschlüsse über die Verhältnisse im Ort.

      Beim Studium all dieser Dokumente wird von Anfang an deutlich, dass Dahlen gegenüber anderen Städten recht klein war. So formuliert man oft in alten Schriftstücken Bezeichnungen wie „hier bei uns im stetichen Dolen“. Häufig fällt auch das Wort „Stedtlein“. Dennoch zeigt sich, hier ist ein wohlgeordnetes Gemeinwesen mit „Burgermeister und Radmannen“ zu finden.

       Dahlen als entwickelte Stadt am Ende des Mittelalters

      Für die Entwicklung einer Stadt spielen natürlich auch überregionale Ereignisse eine große Rolle. Vor allem dann, wenn wie im Falle der Stadt Dahlen, vieles auch vom Handelsverkehr abhing.

      So hatte sich der wettinische Gesamtbesitz zu einem der am weitesten entwickelten deutschen Staaten nach dem habsburgischen Kaiserhaus herausgebildet. Im Jahr 1485 konnten sich jedoch die beiden Erben des wettinischen15 Besitzes nicht auf eine gemeinsame Regierung einigen und so beschlossen sie im November 1485 die Aufteilung des sächsischen Landes, bekannt geworden als sogenannte „Leipziger Teilung“. Sie verfuhren dabei so unglücklich, dass jeder ein zersplittertes Territorium regierte. Dabei beachteten sie weder historische, noch ökonomische Bindungen. Einige gegenwärtige Historiker sind allerdings der Meinung, dass die Landesherren mit dieser Art der Teilung die Absicht verfolgten, eine dauerhafte Teilung zu erschweren, bzw. unmöglich zu machen, so dass beide sächsischen Länder in absehbarer Zeit wieder zusammengeführt würden.

      Dem von nun an ernestinischen16 Kursachsen gehörte der nördliche Landesteil mit der Residenz in Torgau und dem südwestlich gelegenen Thüringen. Diese beiden Gebilde waren nur durch einen schmalen Landstreifen zwischen Wurzen und Machern verbunden.

      Das albertinische17 Herzogtum, zu welchem Dahlen nun gehörte, bestand aus den östlichen Gebieten um Meißen und den westlichen mit Leipzig und Nordthüringen. Inmitten dieses „Grenzknotens“ lag zudem auch noch das Stiftgebiet des Wurzener Bischofs.

      Das Ganze sollte jedoch nach der Reformation eine abermals gesteigerte Brisanz erfahren. Da die beiden sächsischen Staaten nun auch noch unterschiedlichen Konfessionen angehörten (Albertiner katholisch / Ernestiner evangelisch reformiert), kam es in der Folge zu Repressalien für Durchziehende, die der jeweils anderen Glaubensgemeinschaft angehörten. Diese religiösen Verhältnisse blieben nicht ohne Auswirkungen auf die Richtung der Handelszüge. Man war gezwungen, das Gebiet des jeweils anderen zu umgehen, und so kam es zu einem recht komplizierten Wegenetz in der unmittelbaren Umgebung von Dahlen. Dieser Weg resultiert aus einer südlichen Umgehung des Wurzener Stiftgebietes über Börln, Schwarzer Kater, südlich an Dahlen vorbei (im Bereich des Bahnhofs), weiter über Großböhla nach Oschatz. Der zwischen Schwarzer Kater und Großböhla zu jener Zeit vermutlich neu angelegte Weg wird auf einer Karte von 1621 als „langer Trab“ bezeichnet. Der heutige Begriff Hainstraße geht sicher auf den diesen Weg säumenden Wald (Hain = Wald) zurück. Erst im Jahr 1547, nach der Beendigung des Schmalkaldischen Krieges, wurde Sachsen wieder ein einheitlicher Flächenstaat, und die Handeltreibenden konnten wieder die traditionellen Wege benutzen.

       Karte Leipziger Teilung

      Auf Handelswegen, die durch Dahlen führten, rollten nun fast täglich Wagenzüge. Wenn sie die Tore der Stadt passierten, prüften Stadtwächter die Geleitzeichen der Fuhrleute und kassierten das Geleite, eine Gebühr für die Passage durch die Stadt. Diese Einnahme kam aber ausschließlich dem Grundherren zugute.

      Ein wichtiger Zugewinn für die Stadt ergab sich durch die Übernachtung der durchreisenden Fuhrleute. Sie konnten in Herbergen wie dem „Goldenen Engel“ oder dem „Schwan“ ihre Pferde ausspannen und selbst übernachten. Das jetzige Gebäude des Gasthofes „Zum goldenen Engel“ wurde etwa um 1600 im Renaissancestil erbaut. Es hat als eines von wenigen Häusern (am Markt das einzige) alle nachfolgenden Stadtbrände fast unbeschadet überstanden