Erwin Steinhauer

Einfach. Gut.


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       Ein stolzer Teller Bigoli mit frischen Sardoni, Kapern und gerösteten Mandeln, pikant gewürzt.

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       Boretto vom jungen Aal in einem Fond, der geliert, mit flaumiger Polenta.

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       Sorbetto di mele.

       Teufel, Spinnen, Öl

      Entlang der Steilküste von Duino über Triest bis Muggia sieht der Speisezettel anders aus als in der Lagune. In den tieferen Gewässern haust anderes Getier: Mollusken und Schalentiere, welche an und unter den Felsen ideale Lebensbedingungen vorfinden; außerdem große Fische, die die offene See bevorzugen, Raubtiere des Meeres wie der Branzino. Dazu kommt, daß die Bewohner des Küstenlands ihre familiären Affinitäten zu Istrien und dem dalmatischen Archipel weder verleugnen wollen noch können – schon gar nicht in der Küche und bei Tisch. Gemüse ist selten. Man ernährt sich von Eiweiß, Kohlehydraten und Salat.

       MENÙ

       Zum Zeitvertreib ein Topf voller Musoli, auch „Arche di Noé“ genannt, im eigenen Saft kurz geschmort.

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       Eine Platte mit verschiedenen überbackenen Muscheln: Cozze, Canestrelli, Capesante, Capelunghe, adrett serviert mit Zitrone und Petersilie.

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       Diverse marinierte Fische wie Sardoni, Branzino, Tono, Pesce Spada, auf Rucola serviert, mit kaltgepreßtem Olivenöl und wildem Fenchel.

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       Eine Meeresspinne namens „Granzevola“ in ihrer Schale.

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       Panierte Sardoni, mit den Fingern zu essen.

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       Eine furchterregende Scarpena, also ein Meerteufel, im Rohr mit Kartoffeln in Weißwein gegart.

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       Fragole naturale.

       Aus dem Stall und von der Alm

      Schon wenn man die Stube betritt, riecht es nach Geräuchertem, nach Wurst, Käse und Speck; je nach Jahreszeit auch nach Minze oder Pilzen. Die großen, schweren Tische sind familiär gedeckt. Krüge für Wasser und Wein stehen darauf, dazu ein großer Korb mit duftendem Brot. Setzt man sich daran nieder, so ist selbst der hartgesottenste Agnostiker geneigt, ein Tischgebet zu sprechen. Hier gibt es nur das zu essen, was in harter Arbeit der Natur abgerungen ward: sprödes Getreide, das dem harten Klima widersteht; Fleisch von Tieren, die dieses bis zu ihrer Schlachtung überlebt haben; dazu Obst und Gemüse, das bis hinauf an die Baumgrenze irgendwie gedeiht, wenn es der Mensch anständig pflegt.

       MENÙ

       In der Mitte des Tisches stehen Schüsseln mit „Toc’ in braide“ sowie „Suf“, aus denen sich jeder Gast mit seinem Löffel bedient. Des weiteren wird Frico zum Naschen gereicht.

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       Eine Platte mit Wurstwaren wird serviert. Geräucherter Schinken, Salame, Wild, je nach Jahreszeit. Ein paar Stücke Käse, frisch und reif, beleben die Szene. Man ißt mit den Fingern.

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       Es folgen ein paar Schüsseln mit Cjalsòns, Gnocchi oder Polenta, mit verschiedenen Saucen, aus denen sich jeder nach Belieben bedient.

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       Eine in Essig gebratene Wurst für jeden.

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       Gubana, ersäuft in Zirbengeist.

       Fette Erde, süßes Wasser

      Die reichste und raffinierteste Küche der Region findet man in „Piedemonti“, in der Landschaft zu Füßen der Berge, wo eiszeitliche Moränen, das Urmeer und die alpinen Flüsse Ablagerungen hinterlassen haben, reich an Mineralstoffen und Mikroorganismen. Dazu kommt ein gnädiges Klima: feuchte, milde Winter, wohltemperierte Übergangszeiten und heiße, sonnige Sommer. Seit über zweitausend Jahren wird hier der Boden im besten Sinne des Wortes kultiviert. Zwischen Tagliamento und Isonzo reift einfach alles prächtig. Obst, Gemüse, Wein, Geflügel, Wild, Schweine und Rinder wachsen um die Wette. Um es profan auszudrücken: es handelt sich um eine heile Welt wie am Bauernhof von Oma Duck. Salat, Mais, Zucchine, Melanzane, Kirschen, Pfirsiche, Feigen, Khaki, Kälber, Pilze, Perlhühner, Forellen gedeihen in satter Koexistenz. Es ist schwer, sich auf ein Menù zu einigen.

       MENÙ

       Als Appetizer eine saftige, goldgelbe Frittata mit wilden Kräutern.

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       Um den ersten Hunger zu stillen: Carpaccio von Hirsch, Ochse oder mariniertem Schwein, dazu hauchdünn geschnittene, geräucherte Entenbrust, eventuell eine Rose von der Lachsforelle, alles mit getoastetem Hausbrot und Butter.

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       Ein Teller mit cremiger Polenta, darauf Geflügelleber, mit geräucherter Ricotta gratiniert.

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       Flan von Melanzane mit Basilikum-Pesto, Crespelle mit Spargel oder Pilzen (je nach Jahreszeit), drei Sorten Gnocchi, Pasticcio di Radicchio, Risotto, Orzotto etc.

       Gefüllte Wachteln, Arrosto di Vitello in salsa di lemone, Coniglio in Refosco, gebackenes Kitz (Capretto), Anatra selvatica und, und, und.

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       Profiteroles, Torta di mandorle, Semifreddo al Picolit oder ähnliches.

      „Das ist nicht einfach!“ protestierte der Schauspieler.

      „Hier schon!“ erwiderte der Poet.

       Kraut und Rüben

      Seit die Römer und später die Venezianer das Hügelland von Görz bis Istrien vom alten Baumbestand „befreit“ haben, hat sich hier das Klima verändert. Die Bora fegt ungehindert über die felsige Landschaft; die wenigen landwirtschaftlichen Anbauflächen müssen mit Steinmauern gesichert werden, Vieh wird im Stall gehalten. Wer hier lebt und was hier wächst, muß relativ anspruchslos sein. Der Karst ist ein traditionsreiches slawisches Siedlungsgebiet. In diesem Sinne sind Küche und Speisezettel gestaltet. Manche hierorts typischen Gerichte findet man auch im Bergland um Sarajevo in ähnlicher Form, andere ähneln Rezepten aus den Karpaten oder Rußland. Kraut, Rüben, Kartoffeln und alles, was sich aus Schweinen machen läßt, bestimmen das Menù. Nichts ist raffiniert. Selbst die schwarze Trüffel wird nicht als Delikatesse betrachtet, sondern als Gewürz.

       MENÙ

      Zum Willkommen wird ein Holzbrett aufgetragen, darauf fingerdicke Scheiben frischer, weicher Salame, würziger, handgeschnittener Prosciutto,