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blickte ihm mit all seiner jungenhaften Verzweiflung ins Gesicht. »Sie sind der Einzige, dem ich zutraue, dass er das heraus­bekommt.«

      »Nein.« Richard wand sich aus Peters Klammergriff. »Da haben Sie was verwechselt. Ich bin kein Detektiv.«

      »Ach, natürlich sind Sie das! Sie recherchieren den ganzen Tag! Sie stöbern Sachen in Kellern auf, von denen kein Mensch je etwas geahnt hätte! Sie sind ein Detektiv.«

      »Da gibt es bessere als mich. Echte.«

      Peter schüttelte den Kopf, und man sah ihm den heftigen Impuls an, Richard abermals zu packen, um ihn zur Not körperlich zur Hilfe zu zwingen. Doch dann tätschelte er nur Richards Schulter. »Nein«, sagte er. »Ich will keinen, der sonst bloß Scheidungsermittlungen macht, das ist nicht das Richtige für Gunni. Sie müssen mir helfen. Sie sind – eben Sie.«

      »Nein.«

      »Bitte.«

      »Das kann ich nicht.«

      »Sie können es versuchen.«

      »Ich habe kein Auto.«

      Peter stutzte. »Sie haben kein Auto?«, wiederholte er, als hätte Richard gestanden, er habe nie lesen gelernt.

      »Und ich kann auch nicht Auto fahren«, setzte Richard obendrauf.

      Peter rückte näher. Sein Blick war tief und misstrauisch. »Wieso können Sie nicht Auto fahren?«

      »Ist besser für meine Energiebilanz.« Richard hob die Achseln. »Denken Sie nur an den CO2-Ausstoß.« Beim CO2 zuckte Peter zurück. Oh, sorry, dachte Richard, aber du hast gefragt. Die Antwort hast du gewollt, und wenn dein Gunni hundert Mal an Kohlendioxidvergiftung gestorben ist. »Verzeihen Sie«, bat er nicht sehr reumütig.

      »Zehntausend Euro plus Spesen«, erwiderte Peter kühl, und nun war es Richard, der zuckte.

      »Nach allem, was ich über Detektive weiß, leben die praktisch in ihren Autos«, sagte er zögernd.

      Peter beugte sich vor und brachte sein Gesicht dicht vor Richards. »Ich will Ihren Kopf, nicht Ihre Füße. Beziehungsweise Räder, na Sie wissen schon. Sonst würde ich mir aus dem Telefonbuch die nächste Detektei raussuchen lassen. Und Sie können doch sicher Rad fahren?«

      »Natürlich.«

      »Das muss dann eben reichen. Zur Not nehmen Sie ein Taxi.«

      »Sie machen sich eine falsche Vorstellung von mir.«

      »Die Zehntausend meine ich übrigens netto.«

      Richard schluckte. Trotzdem, es ging nicht. Das war unmöglich. Er war Historiker, Wissenschaftler, Beschaffer, wenn man so wollte, aber doch nur, wenn es antike Artefakte betraf! Ein Lohnschnüffler war er nicht! Außerdem würde er als Allererstes Steenbergens Beziehung zu Peter aufarbeiten müssen, wenn er den Auftrag annahm, und das wäre wirklich das Letzte. Ausgeschlossen, dass er sich da in irgendeiner Weise engagierte. ­Richard verschränkte die Arme und schlug die Beine übereinander.

      Peter lauerte ihn vom Fenster aus mit schmalen Augen an. »Außerdem verzichte ich dann darauf«, sagte er betont boshaft, »Gunnis Atlantis-Aufsatz, in dem er Sie lobend als wissenschaftlichen Berater erwähnt, postum in Esoterik leben erscheinen zu lassen. Obwohl der Chefredakteur ein ganz lieber Freund ist und mich stündlich bestürmt, das Dokument freizugeben.«

      »Was?!« Mit einem einzigen Ruck hatte Richard sich entknotet und erhoben.

      Peter blickte trotzig. »Ach! Gunni war ein Abenteurer im Geiste. Das wissen Sie doch! Er hat einen wunderbaren Atlantis-Aufsatz verfasst, in dem er auf Ihre Recherche, lieber Richard, wahre Lobreden singt. Im Grunde genommen ist es meine Pflicht als sein bester Freund und Nachlassverwalter, dieses Vermächtnis unverändert zu veröffentlichen, auch wenn es ein schiefes Licht auf Sie als Wissenschaftler wirft. Das müssen Sie dann eben erdulden.« Sprach es und hob sein Kinn und befand sich plötzlich direkt vor Richard. Der merkte, dass er selbst sich dem Anwalt genähert hatte. Was ein Fehler gewesen war, denn Peter schenkte ihm nun einen Blick, der ebenso durchtrieben wie traurig war und der eigentlich nur mit einer Ohrfeige beantwortet werden konnte. Oder mit –

      »Sie gemeiner Erpresser!«, fauchte Richard und dachte sofort, dass es nicht wahr sein konnte, dass er so etwas tatsächlich gesagt hatte, er klang ja wie ein viktorianisches Fräulein.

      Peter drehte sich zum Fenster. »Er war mein Freund. Und es macht mich rasend, dass alle Welt sich so über seinen Tod freut. Wir alle benutzen fossile Brennstoffe, nicht wahr, aber wenn ein ENERGIE-Manager an Kohlendioxidvergiftung stirbt, dann findet das plötzlich jedermann wahnsinnig lustig. Und nicht mal klammheimlich. Ich könnte Ihnen Pamphlete zeigen –« Er griff nach dem Zeitungsstapel und begann zu blättern.

      Richard räusperte sich. »Klar. Doppeltes Feindbild.« Unauffällig brachte er sich außer Reichweite des Anwalts. »Manager und Energiekonzern.«

      Peter ließ von den Zeitungen ab, doch sah nicht auf. »Ich weiß, dass Sie Geld brauchen«, sagte er leise. »Sie müssen sich mit zweifelhaften Privatkunden abgeben. Sie sind pleite.«

      Richard schwieg. Das war leider absolut richtig.

      »Und jetzt mal ganz im Ernst: Dieser Mörder ist sicher leichter zu finden als – Atlantis. Das haben Sie sich ja auch irgendwie zugetraut, nicht wahr? Also schlage ich vor, wo Sie gerade nichts zu tun haben, finden Sie den Kerl und verdienen etwas Geld damit.«

      »Dr. Steenbergens Mörder ?«

      »Ja.«

      Richard schüttelte den Kopf. »Fünfzehntausend«, hörte er sich dann fordern.

      »Im Erfolgsfall«, erwiderte Peter und reichte Richard die Rechte. Erfolgsfall, dachte der grimmig, während er die warme Hand ergriff und drückte. Da seh ich die Kohle eh nie.

      Die tüchtige Valeska trat dann doch noch in Aktion: Sie hatte ihm ein Dossier zusammengestellt. Sie bot Richard sogar ein Büro an, ganz selbstverständlich: Wenn Sie keine Flatrate haben oder schnelles Internet zum Recherchieren, dann können Sie gerne hier bei uns, sehen Sie mal, das ist eins von unseren freien Arbeitszimmern, und es ist sicher auch bequemer für Sie als in Ihrer Privatwohnung. Sie standen in einem hohen Zimmer mit Schreibtisch, über dem eine Collage in kreidigem Gelb hing, das Bild eines endlosen Sommers, es war perfekt. Als wäre ein Mitarbeiter der Kanzlei heimlich bei ihm zu Hause gewesen und hätte erspäht, dass Richard eine neue Perspektive in seiner Arbeitsorganisation brauchte. Und das bedrückte ihn, denn irgendwie hing da noch viel mehr Perfektion in der Luft, Düfte nach gutem Leben, echter Lavendelpolitur, dem originalen alten Haus, nach richtigen Bäckerbrötchen und einer gerechten Welt. Hier roch es so, wie es nie gewesen war, er musste hier raus.

      »Vielen Dank«, sagte er, »aber ich besitze ein Büro.«

      »Natürlich«, sagte Valeska verständnisvoll und reichte ihm das Dossier, eine adrette Pappmappe mit CD-Fach, fest eingeklemmten Schlüsseln und allen möglichen Papieren drin. »Das ist selbstverständlich nur ein Vorschlag. Sie können auch später noch darauf zurückkommen.«

      »Danke«, sagte Richard.

      Valeska lächelte, so professionell, dass es richtig sympathisch wirkte. »Bis bald«, sagte sie.

      Richard versuchte, all die Perfektion abzuschütteln, indem er die Mappe unverzüglich ins Vladi trug. Das Vladi Rockstock war eine Kneipe, die wie er aus alten Zeiten übrig geblieben war, eine abgefuckte alte Spelunke in einem abgefuckten alten Haus, das aber einst recht schmuck und bürgerlich ausgesehen hatte, mit einem geschwungenen Treppenhaus mitten in der verrußten Gaststube und einem zugewucherten Hof, in dem man neben einem Graffito von Led Zeppelin an der Mauer Frühstück aus hartgekochten Eiern und Aldi-Croissants zu sich nehmen konnte. Um diese Zeit war nicht viel los. Die Bedienung war mindestens zwanzig Jahre jünger als Richard. Er setzte sich in den Hof, auf einen Stuhl, der in einem riesigen taufeuchten Grasbüschel stand, und bestellte einen chat noir, das war grauenvoller französischer Kaffee mit einer Kanne heißer Milch dabei.

      »Was?«,