Sybilla Seraphina Mewes

Sphärenwechsel – Tagebuch eines inkarnierten Engels


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      Im Grunde genommen war sie die meiste Zeit ihres Lebens ein Opfer des Leidens.

      Über ein dutzend Ärzte konnten ihr nicht helfen, die Schmerzen los zu werden. Sie hat eine Odyssee an Krankenhausaufenthalten hinter sich, ja sie ist geradezu abhängig davon. Deshalb wurde ich zu ihr geschickt. Aber ich konnte mich ihr nicht vollständig widmen, weil ich ja noch andere Seelenaufträge hatte. Lange Zeit trug ich deswegen Schuldgefühle mit mir herum, zumal sie wiederholt äußerte, ich würde mich nicht um sie kümmern. Das bekam ich noch Jahre nach meinem Auszug aus der Wohnung zu hören, fast jedes Mal, wenn ich sie anrief.

      Etliche Jahre später entdeckte sie bei mir ein Bild von Jesus. Darauf war nur das Gesicht abgebildet. Weil es meiner Mutter so gut gefiel, schenkte ich es ihr spontan.

      Sie freute sich riesig darüber und begann wieder zu beten.

      Einige Jahre danach sagte sie mir zwei entscheidende Dinge, als es ihr gerade noch schlechter als sonst erging. Ich besuchte sie im Krankenhaus und war schockiert über das Leid und Elend von ihr und der anderen Patienten, die dort umher schlurften.

      Im Aufenthaltsbereich der Station enthüllte sie mir folgendes:

      „Weißt du, die meiste Zeit meines Lebens ging es mir schlecht, schon oft wollte ich gar nicht mehr leben. Aber du hast meinem Leben einen Sinn gegeben und du bist das Beste, was mir passiert ist. Und die größte Freude hast du mir mit dem Jesus-Bild gemacht. Jeden Abend bedanke ich mich bei ihm für den Tag, auch wenn ich mich schlecht fühle.“

      Wie vom Donner gerührt schaute ich sie an und etwas explodierte in mir in meiner Bauchgegend. Es fühlte sich wie Feuer an und brannte mich aus. Bei unserer Verabschiedung brach ich plötzlich in Tränen aus, weil es mir Kummer bereitete, sie so leidend zu sehen. Nun schaute sie mich betreten an. Mir wurde indirekt bewusst, dass irgendwie meine Aufgabe ihr gegenüber beendet war, obwohl ich zu jenem Zeitpunkt noch nichts von meinen irdischen Aufträgen wusste. Nun musste ich noch energetisch von diesem Auftrag entkoppelt werden. Die nächsten acht Wochen wurde ich darauf vorbereitet, in dem sich meine Verdauung zusehends verschlechterte. Den Winterurlaub brachte ich noch irgendwie hinter mich, aber mit nachlassenden Kräften, weil ich das einfachste Essen nicht mehr vertrug.

      Die ersten beiden Tage auf einer Messe mit eigenem Stand schaffte ich noch. Aber am dritten Tag wachte ich bereits mit starken Kreislaufschwankungen auf. Ich schleppte mich dorthin, aber mir wurde dann auch noch übel. Ich legte mich bei zwei Heilerinnen auf die Behandlungsliege. Als sie ihre Hände auflegten, merkte ich mit einem Mal, dass die Ursache für diese Störung aus meiner Gebärmutter kam, welche wellenartige Krämpfe zum Magen schickte. Die Heilerinnen schafften es immerhin, diese Störung bis zum Magen hinauf zu ziehen. Doch dann musste ich schnell zur Toilette und mich übergeben. Der erste Druck war dadurch weg, aber ich war nun vollends hinüber. Sofort ging ich wieder nach Hause und legte mich ins Bett. Beim Ausziehen tat mir jede einzelne Hautpore weh. Bereits da hatte ich schon über 38 Grad Fieber. Das Fieber stieg in der Nacht fast bis auf 40 Grad an. Es durchglühte mich und verbrannte die Verbindung des Auftrags zu meiner Mutter und löste gleichzeitig sämtliche Konflikte und Schuldgefühle zwischen uns auf. Ich fühlte mich ultra geborgen in diesem Fieber, ich war ganz bei mir selbst. Drei Tage lang behielt ich nichts bei mir, noch nicht einmal Flüssigkeit. Erst nach einer Woche konnte ich wieder feste Nahrung essen. Dabei hatte ich in dieser kurzen Zeit drei Kilo reine Schlacken an Po und Beinen verloren und sie sind bis heute nicht wieder gekommen – und die Schuldgefühle auch nicht.

      Der Auftrag für meinen Vater begann in zwei vergangenen, früheren Leben. Jedoch entschied er sich jedes Mal gegen meine Impulse, die ich in seine verhärtete, vom göttlichen abgeschnittene Seele setzen sollte. In einem Leben hatte er mich vergiftet, weil ich mich mit, für Frauen damals verbotenem Wissen beschäftigt hatte, deshalb vertrug ich in diesem Leben sein Essen nicht und interessanterweise zwang er mir immer wieder Essen auf. Im zweiten Leben brachte er mich für mein Wissen vor die Inquisition, verhörte und verurteilte mich. Ich wurde öffentlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Das war auch das erste vergangene Leben gewesen, an das ich mich selbst erinnern konnte. In diesem Leben verhörte er mich ebenso (desgleichen meine Halbschwester), wenn ich mal was angestellt hatte. Selbst meiner Mutter kam sein Verhör uns Kindern gegenüber völlig überzogen vor. Als ich mich nun in diesem Leben erneut alternativen gesundheitlichen Themen zuwandte, erklärte er mich und andere ähnlich gesinnte Menschen für verrückt.

      In diesem Leben sollte ich nun meinen Auftrag bei ihm fortsetzen. Seine traumatisierte Seele (seine Mutter hatte ihn sehr oft verletzt und beschimpft) sollte richtig und echt lieben lernen, daher war die Form einer Tochter am Naheliegendsten. Weiterhin sollte er lernen, andere Meinungen und Wege zu akzeptieren, seine Meinung niemandem aufzuzwingen und niemanden mehr zu verurteilen wegen irgendwelcher Dinge, über die er selbst nichts Genaues wusste.

      Da es meiner Mutter nach meiner Geburt sehr schlecht ging, blieb sie im Krankenhaus und mein Vater musste alles alleine machen. Die Arbeit, den Haushalt, für mich die Muttermilch von der Milchsammelstelle holen, dann noch meine Schwester mit ihren schulischen Problemen. So kam es, dass ich als so genanntes ‚Vaterkind‘ immer nach meinem Vater rief, wenn nachts irgendetwas war, weil er meine erste Bezugsperson im Leben war, und weil er mit seiner strengen Ader alles Negative verscheuchte. Aber er löste das, wovor ich nachts Angst hatte, nicht in Liebe und Licht auf, sondern tat es als Unsinn und Spinnerei ab.

      Die meisten Kinder geben, bevor sie die ersten Worte sprechen, schon mal Töne von sich. Aber ich gab bis zu meinem 2. Lebensjahr keinen Mucks von mir. Meine Eltern dachten schon, ich wäre taubstumm und ließen mich deswegen von einem Arzt untersuchen. Doch er stellte nichts Derartiges fest.

      Jedenfalls schaute ich die Erwachsenen immer mit meinen klaren, blauen Augen an und schaffte es, dass ich genau das bekam, was ich wollte, ohne dass ich sprechen musste. Dann endlich mit über zwei Jahren kam das erste Wort über meine Lippen. Es war: „Licht“. Wobei ich das Wort am Anfang nur halb aussprach, in etwa „‘cht an“, was hieß „Licht an“. Bei mir mussten immer alle Zimmer beleuchtet sein; wenn es irgendwo zu dunkel war, fing ich sofort an zu weinen. Auch die Vorhänge mussten beim Einschlafen ein Stück geöffnet bleiben, sonst schlief ich überhaupt nicht, nur wenn ich wenigstens ein kleines Stück Licht hatte. Licht war also sehr frühzeitig ein wichtiger Punkt für mich.

      Wir wohnten, als ich kleiner war, in einem Mietshaus aus der Gründerzeit im Erdgeschoss. Die Vermieterin bekam ich nie zu Gesicht, aber ich hörte sie oft, wie sie mit langsamen, schweren Schritten die Treppe hinunter klapperte, da sie schon alt war.

      Unsere Küche befand sich im Keller und das Essen wurde mit einem Aufzug heraufgezogen. Ich selbst ging als Kind nur ganz selten in die Küche, ich fand es einfach zu unheimlich und fürchtete mich entsetzlich, weil ich schon frühzeitig in diesem Keller dunkle Wesen umherschwirren sah.

      „Wo ist Mutti?“, fragte ich meinen Vater.

      „Sie ist unten in der Küche, du kannst zu ihr laufen.“

      Ich schüttelte meinen Kopf.

      „Da will ich nicht hin, da sind so dunkle Schatten.“

      „Ach was, zum wiederholten Male, da ist nichts, Und nun hör endlich auf mit dem Unsinn.“

      „Nein, ich will aber nicht“, und versteckte mein Gesicht hinter meinem kleinen Kissen, dass ich immer mit mir herumtrug. Mit den Zipfeln des Kissens streichelte ich meine Wangen, weil das so angenehm weich war. Mein Vater glaubte mir solche Dinge nicht, er schrieb es immer meiner reichen Fantasie zu.

      Obwohl ich mich furchtbar im Dunkeln fürchtete, wurde jede Nacht das Licht gelöscht. In diesem Haus in dieser Wohnung fand ich die Nächte einfach schrecklich, weil es so furchtbar dunkel war. Daher schlief ich manchmal erst sehr spät ein, erst mitten in der Nacht. Da lag ich oft stundenlang wach, es war so sehr dunkel und in dieser Dunkelheit waberte und flimmerte ständig etwas umher. Manchmal war es so, als ob mich goldenes Licht umfließen würde, ja sogar, als ob in diesem Licht etwas Lebendiges wohnen oder als ob das Licht selber leben würde, weil ich manchmal lebende Gestalten darin sah. Ich fühlte mich jedes Mal von irgendetwas beobachtet, das hin und her lief oder sich über mein Bett beugte.