Günther Drutschmann

Schuld ohne Reue


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an der Orgel und in der Taufkapelle, in der Sakristei. Aber die Gemeinde muss sparen, alles zu seiner Zeit.«

      »Ich verlange kein Geld dafür, ich mache das ehrenamtlich, in meiner Freizeit, es ist mir eine Ehre, für die Kirche zu arbeiten.«

      Der Mann schaute ihn verwundert an, etwas ungläubig. Es lagen eine solche Ruhe und Ausgeglichenheit in dem Ausdruck des anderen. An wen erinnert er mich, dachte er.

      »Wohnen Sie in der Pfarrei, ich habe Sie bisher hier noch nie gesehen?«

      »Nein, ich bin erst kurz wieder hier, habe früher schon mal in Trier abgearbeitet. Ich wohne im Kolping und arbeite jetzt für Meister Giesecke«, erwiderte er.

      Jetzt weiß ich an wen der mich erinnert, an den heiligen Josef. Er sieht irgendwie aus wie der heilige Josef.

      »So so, für Meister Giesecke.«

      Er trat aus dem Altarraum und ging auf Albert zu.

      »Mein Name ist Wilhelm Schello, ich bin der Küster und Organist der Pfarrei«, und gab ihm die Hand, »ich werde mal mit Dechant Roschel sprechen. Einen guten Arbeiter können wir schon gebrauchen. Ich wohne mit meiner Frau in dem kleinen Haus hinter der Kirche. Fragen Sie doch in einigen Tagen bei mir nach. Ich bin mir aber sicher, dass der Dechant zugreifen wird. Wer bei Meister Giesecke arbeitet, ist ein frommer und guter Arbeiter.«

      »Ich komme am Sonntag in die Kirche«, sagte Albert, »dann können wir darüber reden.«

      Er verbeugte sich und verließ die Kirche. Er sieht aus wie der heilige Josef. Schello sah ihm nach. Wer so aussieht ist kein schlechter Mensch.

      Albert schlenderte langsam nach Hause. Die Abendandacht begann und die wollte er nicht versäumen. Auf seiner Stube waren inzwischen die anderen Genossen eingetroffen und er stellte sich kurz vor. Danach verließ er den Raum und ging zur Kapelle, hernach zum Abendessen.

      Bei Tisch wurde nicht viel gesprochen, man hörte dem Tischleser zu, der aus einer erbaulichen Schrift vorlas. Die anderen beäugten ihren neuen Zimmergenossen argwöhnisch. Irgendetwas an unserem Schreiner schien ihnen nicht zu gefallen.

      Albert meldet sich wieder freiwillig zum Spüldienst und ging später auf seine Stube. Die anderen saßen um den Tisch herum und spielten Karten, eine Flasche Schnaps stand auf dem Tisch, die ab und zu herumgereicht wurde, Zigaretten und Pfeifenrauch lagen in der Luft. Das gefiel Albert nicht.

      »Na Neuer«, meinte einer der Zimmergenossen, ein grobschlächtiger Mann, »willst auch nen Schluck.« Albert verneinte.

      »Hört mal, so geht das nicht, du hast dich hier anzupassen. Bist wohl ein Betbruder, hab das schon bemerkt. Schätzchen des Hausvaters und Präsens wie?«

      »Das geht dich überhaupt nichts an«, erwiderte Albert.

      »Auch noch frech werden, du Holzkopf, willst wohl eines auf die Schnauze.«

      »Du kannst das ja mal versuchen«, erwiderte Albert.

      Die anderen sagten nichts und schauten ihn groß an. Der Grobschlächtige, anscheinend das Großmaul und der Wortführer der Gruppe, stand auf und ging auf Albert zu. Er trat ganz dicht an ihn heran.

      »Was willst du Bürschchen«, und hielt ihm die Faust vor das Gesicht.

      Bevor er sich aber versah, trat Albert ihm auf den rechten Fuß und versetzte ihm gleichzeitig einen Kinnhacken, der ihn zu Boden brachte. Bevor er sich gerappelt hatte, gab Albert ihm einen ordentlichen Tritt in den Hintern, packte ihn beim Kragen und zog ihn hoch. Dann versetzte er ihm einen Fausthieb in den Magen, der ihn wieder zu Boden brachte. Er blieb liegen. Albert ging ruhig an seinen Spind, schloss auf und nahm einen schweren Eichenstecken heraus, seinen Wanderstab.

      »Passt mal auf ihr Großmäuler, ich lasse mir von niemand und erst recht von euch nichts gefallen. Wenn ihr glaubt, mich schikanieren zu können, seid ihr am falschen Platz. Ich werde euch die Visagen so zurechtbiegen, dass euch die eigene Mutter nicht mehr erkennt und das Hinterteil zu Staub treten. Ich war lange genug auf Wanderschaft, um zu wissen, wie man sich wehren muss.

      »Und du Großmaul«, sagte er zu dem am Boden Liegenden, »dir werde ich es zeigen. Wir gehen jetzt sofort zum Hausvater und ich sorge dafür, dass du morgen hier verschwunden bist. Habt ihr anderen noch etwas zu melden?«

      Keiner sagte etwas.

      »Feige seit ihr auch noch, so ist recht. Der Schnaps verschwindet hier von der Stube, und zwar sofort. Wenn ich mit diesem Lümmel hier vom Hausvater zurück bin, will ich die Flasche nicht mehr sehen. Und lüften könnt ihr auch mal.«

      Albert packte das Großmaul am Kragen, zog ihn hoch und schleifte ihn aus dem Zimmer. Mit einem weiteren Fußtritt im Hintern stolperte dieser vor ihn her und sie erreichten das kleine Büro des Hausvaters. Der sah sofort was hier los war und hörte sich Alberts Bericht an.

      »Du schläfst heute im Kellerraum und bist morgen früh hier weg«, sagte er zu ihm, »solch einen wie dich können wir hier nicht brauchen.« Das Großmaul sagte nichts mehr.

      Albert verließ das Büro und ging auf seine Stube zurück. Die restlichen Genossen saßen stumm um den Tisch, die Schnapsflasche war verschwunden.

      Albert setzte sich auf einen freien Stuhl am Tisch. Er schaute jeden einzelnen an.

      »Hör mal Kollege«, meinte jetzt ein Zunftbruder, »wir wollen keinen Streit mit dir. Ich bin auch schon lange genug auf der Walz um zu wissen, wie der Hase läuft.«

      »Eben«, meinte Albert, »und solche Großmäuler wie der, den ich eben verarztet habe, gibt es überall und in jeder Gruppe. Ich bin ein zurückhaltender Mensch, ich lese viel und gehe in die Kirche, sie bedeutet mir viel. Deshalb bin ich im Kolping, sonst kann ich auch in irgendeinem Männerwohnheim Unterschlupf finden. Und zum Saufen und Fluchen geht man ins Wirtshaus. Ich wurde in meiner Lehrzeit ordentlich durchgeprügelt und habe mir geschworen, so etwas nicht mehr zu dulden. In den Gemeinschaftsunterkünften gib es immer einen oder mehrere die glauben, die anderen schikanieren zu können«

      Die anderen nickten, sie teilten das gleiche Schicksal.

      »Ich suche auch keinen Familienanschluss«, nahm Albert wieder das Wort, »ich will in Ruhe gelassen werden und so leben, wie es mir gefällt.«

      »Ist gut«, meinte ein anderer, »wir haben verstanden. Lasst uns Frieden schließen. Du hast ja recht, jeder muss selbst sehen, wie er zurechtkommt.«

      Er stand auf, ging zu Albert hin und streckte ihm die Hand zur Versöhnung hin. Dieser schlug ein und die anderen machten es ihrem Kameraden nach. Der Frieden war wieder hergestellt. Sie setzten sich alle um den Tisch und begannen, zu erzählen, von ihrer Wanderschaft und bisherigem Leben. Und von Stund an verstanden sich die fünf Stubengenossen ausgezeichnet.

      Am nächsten Tag begann Albert seine Arbeit in der Schreinerei. Johann Helbart, ein älterer Zimmermann begrüßte ihn freundschaftlich.

      »Tag Albert, wie geht es dir. Bist wieder im Lande, schön, dass wir beide wieder zusammenarbeiten.«

      »Das finde ich auch Johann«, erwiderte Albert und gab dem Freund die Hand. »bin froh, mit dir zusammenarbeiten zu können.«

      Die beiden hatten früher viel miteinander gearbeitet und kannten sich gut, waren sich gegenseitig sympathisch. Sie besprachen ihr weiteres Tagewerk. Im Laufe des Nachmittags sagte Johann beiläufig zu Albert.

      »Hast du nicht Lust, morgen Abend zu uns zum Abendessen zu kommen? Meine Familie freut sich sicher drauf, dich wieder zusehen.« Albert kannte die Familie Johanns recht gut, war er doch früher schon dort gewesen.

      »Macht es auch nicht zu viel Arbeit«, fragte er bescheiden.

      »Aber Albert, auf einen mehr oder weniger kommt es nicht an und wir freuen uns wirklich, wenn du kommst.«

      »Na dann«, erwiderte Albert

      »So gegen halb sieben, ist dir das recht?«

      »Wunderbar.«