Günther Drutschmann

Schuld ohne Reue


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um halb sieben erscheinen, frisch gewaschen und in seinen besten Sachen. Er brachte ein paar Blumen mit für die Hausfrau.

      »Komm in die gute Stube«, meinte diese und schob ihn ins Wohnzimmer ihrer kleinen Wohnung am Zuckerberg 12/13, mitten im Judenviertel und ganz in der Nähe der Synagoge gelegen. In dem bescheidenen Wohnzimmer war der Tisch bereits gedeckt, die beiden Töchter Katharina, zwanzigjährig und Barbara, etwas jünger liefen eifrig hin und her, nach dem sie Albert begrüßt hatten.

      »Seit ihr groß geworden«, scherzte dieser und alle lachten. Die beiden konnten unseren Albert sehr gut leiden, er war immer freundlich zu ihnen gewesen.

      Endlich war der Tisch gedeckt. Alle setzten sich herum, Johann sprach das Tischgebet und alle langten zu. Es gab einfache gute Hausmannskost, ein warmes Abendessen, Bier und Milch zu trinken.

      »Lang zu Albert«, forderte freundlich die Hausfrau, »sei nicht so bescheiden, du kannst es vertragen.«

      Albert lachte verlegen und nahm sich noch einen ordentlichen Löffel von dem guten Gericht.

      »Magst du Bier«, fragte Johann.

      »Ein kleines Gläschen bitte«, erwiderte Albert.

      Nach der Mahlzeit räumten die Mädchen ab und trugen das Geschirr in die Küche.

      Johann und Albert saßen zeitweise alleine im Wohnzimmer. Johann rauchte seine Pfeife. Der Duft des Knasters erfüllte den Raum.

      »Was sind deine Pläne Albert? Willst du ewig im Kolping wohnen. Willst du keine Familie gründen?« fragte Johann.« Alt genug bist du.«

      »Ich habe noch kein festes Einkommen. Zudem muss ich erst mal die richtige Frau finden. Und ich möchte noch den Meisterbrief erwerben.«

      »Das ist richtig, dass du so strebsam bist«, erwiderte Johann, »aber der Meister kostest etwas Geld.«

      »Deshalb spare ich etwas dafür und möchte mich noch nicht binden«, meinte Albert. Aber er dachte im Inneren, die Katharina ist ein schönes Mädchen geworden, sie gefällt mir gut, das wäre die richtige Frau für mich. Um vom Thema abzulenken meinte er.

      »Ich habe gestern mit dem Organisten von St. Johannes gesprochen. Ich werde etwas ehrenamtlich in der Kirche fällige Schreinerarbeiten machen.«

      Die Frauen kehrten ins Wohnzimmer zurück. Sie hörten die letzten Worte Alberts. Katharina lächelte.

      »Dann sehen wir uns vielleicht in der Kirche, ich helfe des Öfteren der Frau Schello beim Waschen und Herrichten der heiligen Gewänder, Mama hat mich doch das Schneidern gelernt.«

      Johann schmunzelte und dachte sich seinen Teil. Albert als Schwiegersohn wäre ihm hochwillkommen.

      Am Sonntag nach dem Hochamt ging Herr Schello auf Albert zu und bat ihn, in die Sakristei zu folgen. Dechant Roschel, ein netter älterer jovialer Mann war gerade dabei, sich der Gewänder zu entledigen.

      »Herr Dechant, hier ist der junge Schreiner, der uns helfen möchte«

      Der Dechant sah freundlich auf Albert und gab ihm die Hand. An wen erinnert der mich?

      »Es ist der heilige Josef«, meinte Schello trocken.

      »Können Sie Gedanken lesen, mein Freund?«

      »Es freut mich sehr, dass Sie für uns arbeiten wollen. Wie stellen Sie sich das vor?«

      »Ich komme abends und am Samstagmittag, wenn ich Zeit habe, Hochwürden.«

      »Wunderbar«, meinte der Dechant, »Herr Schello zeigt Ihnen die Stellen, an denen etwas getan werden muss. Gottes Lohn ist Ihnen sicher, mein Freund.« Er gab ihm noch einmal die Hand und verließ die Sakristei.

      Von diesem Tag an war Albert ein ständiger Gast in der Kirche. Jede freie Minute, die er erübrigen konnte, verbrachte er dort. Er leistete hervorragende Arbeit und alle waren voll des Lobes. Mit seinem Charakter nahm er alle für sich ein. Herr Schello und Albert wurden Freunde und oft lud dieser den Schreiner nach getaner Arbeit zum Abendessen ein. Auch seine Frau Roswitha sah unseren Albert gerne. Eines Tages boten beide ihm das du an, dass dieser mit Freuden annahm. Sie wurden seine besten Freunde in der Stadt.

      Natürlich sah Albert auch Katharina Helbart des Öfteren, er sah sie sehr gerne und zwischen den beiden entspannte sich eine zarte Liebe. Katharina mochte diesen aufrichtigen armen Schreiner, er war intelligent und konnte so lebhaft erzählen. Sie hörte doch so gerne schöne Geschichten. Dazu hatte er gute Manieren. Katharina war ein einfaches, sehr gutmütiges Mädchen, vielleicht ein bisschen naiv. Ihr Aussehen konnte man nicht direkt schön nennen, für Albert aber war sie es. Sie kamen sich näher, natürlich alles in Ehren.

      Als er eines Samstags mittags in der Kirche werkelte, trat ein gutgekleideter Herr auf ihn zu. Er war etwas älter als er und stellte sich als Rechtsanwalt Jüttner vor.

      »Ich habe von Herrn Schello erfahren, dass Sie Schreinerarbeiten annehmen. Ich sehe, welch gute Arbeit Sie hier in der Kirche leisten«, begann er die Unterhaltung, »meine Familie und ich, also mein Vater, Justizrat Jüttner, und ich mit meiner jungen Familie wohnen in einer Villa am Kathrinenufer, nicht weit von hier. Wir haben diese erst kürzlich erworben und es gibt noch viel zu tun, insbesondere Schreinerarbeiten. Wären Sie daran interessiert?«

      »Gerne«, sagte Albert, dem das Angebot sehr gelegen kam, denn Meister Giesecke hatte nicht mehr viel für ihn zu tun. »Ich mache was Sie wollen. Wann soll ich beginnen?«

      »Wann können Sie«?

      »Ab Mittwoch, wenn es Ihnen recht ist.«

      »Bestens«, lachte der junge Rechtsanwalt, »kommen Sie doch bitte Dienstagabend zu uns, dann können wir in Ruhe alles besprechen und Sie können am nächsten Tag sofort beginnen.«

      Der Anwalt gab Albert die Hand und ging. Wilhelm Schello trat zu ihm.

      »Gute Familie, sagte er zu Albert, als dieser erzählt hatte, »sehr gute Familie, bestes Renommee.«

      »Danke Wilhelm für die Vermittlung«, grinste Albert.

      »Du brauchst dich nicht zu bedanken, deine Arbeit spricht für sich. Übrigens, ich hätte noch einen Auftraggeber für dich. Die Josefsschwestern suchen einen Schreiner, der allerlei Arbeiten erledigen kann. Wenn du willst, geh zur Schwester Oberin und sage ihr einen schönen Gruß von mir. Ich spiele dort ab und zu sonntags die Orgel.

      »Du bist wirklich ein guter Freund«, meinte Albert, »wie kann ich das gutmachen.«

      »Es ist vergolten, glaube mir.«

      Wie die Dinge lagen bekam Albert diese schönen Arbeitsstellen. Bei Meister Giesecke, der für ihn auch bei den anderen Arbeitsstellen pro forma die Oberaufsicht führte, Justizrat Jüttner sen. und sein Sohn, die begeistert von seiner Arbeit waren und den Josefsschwestern, die seinen Fleiß, sein Können und seine Frömmigkeit hoch schätzten und über alles lobten. Albert verdiente nun genug, um sein bescheidenes Leben finanzieren zu können.

      Einige Monate später erledigte Albert eine Auftragsarbeit für Meister Giesecke. Zusammen mit Johann arbeiteten sie in dem großen Bekleidungsgeschäft Silberstein an der Ecke Nagelstraße. Es war ein imposantes Gebäude mit vier Stockwerken. Um die Mittagszeit setzten sie sich auf einen großen Stein vor dem Laden und verzehrten ihr Mittagsbrot. Ein junger Herr ging an ihnen vorbei und schaute sie etwas verwundert an. Johann stand auf und grüßte, in dem er die Mütze abnahm. Albert blieb sitzen. Der junge Herr grüßte oberflächlich und ein wenig herablassen und ging hinein.

      »Wer war das?« fragte Albert.

      »Der Rechtsanwalt Dr. Jaakov Silberstein, der Sohn des Geschäftsinhabers«, erwiderte Johann.

      »Sind das Juden«, fragte Albert verwundert.

      »Sicher, das erkennst du doch schon am Namen. Wer heißt schon Silberstein. Das riecht nach Jud.«

      »Mein Vater verlor durch Handelsjuden unsere kleine Landwirtschaft in Schlesien. Er leihte sich