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Aleister Crowley & die westliche Esoterik


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Book of the Law (Das Buch des Gesetzes), eine Offenbarung eines neuen Zeitalters, in der er, Crowley, in seiner Rolle als das „Große Tier“ der Prophet sei. Das vergangene Zeitalter des Osiris, das sich in patriarchalischen Religionen und Gesellschaften gezeigt habe, solle durch das neue Zeitalter des Horus ersetzt werden, des göttlichen Kindes, einer Erscheinung individueller Freiheit. Das griechische Wort thelema (Wille) war das „Wort“ des „Gesetzes“ des Äons des Horus, verborgen in seinem nur dem Anschein nach antinomischen Diktum „Tu was du willst“.

      Crowley konnte die charismatische Autorität, die er durch The Book of the Law erlangte, nicht sofort in ihrer Gänze annehmen. Sein Gefühl, dass seine Offenbarung ihn an die Spitze der spirituellen Hierarchie setzte, die S. L. Mathers hinterlassen hatte, ließ ihn 1909 erst den A ∴ A ∴ gründen; dieser Orden verband die Zeremonialmagie des GD mit den östlichen Praktiken, die er erlernt hatte, und war hierarchisch nach einem Meister-Schüler-Modell strukturiert. Er veröffentlichte die Lehren des Ordens in The Equinox (1909 - 1913), einer halbjährlich erscheinenden Zeitschrift. Mathers verklagte Crowley, weil dieser Rituale des inneren „Rosenkreuzer“-Ordens des GD in The Equinox veröffentlicht hatte; die öffentliche Aufmerksamkeit führte schließlich dazu, dass Crowley die Führungsrolle in einer anderen neu-rosenkreuzerischen Gruppierung, dem Ordo Templi Orientis (O.T.O.), übernahm, einer gemischten maurerischen Gruppe, in deren Zentrum ein streng gehütetes Geheimnis stand: die Theorie und Praxis der Sexualmagie. Als das Jahr 1913 herannahte und Crowley in die Vereinigten Staaten abreiste, hatte er zwei miteinander vernetzte esoterische Bewegungen unter seiner Leitung, die er nach für nach zu Vehikeln machte, die seine Offenbarung von Thelema und dem Äon des Horus transportieren sollten. Beide Gruppen hatten, wie der GD, kleine Mitgliederzahlen. Anders als Mathers, der W. B. Yeats zu seinen Kollegen zählte, zog Crowley hauptsächlich Anhänger von geringem kulturellen oder gesellschaftlichen Einfluss an.

      Der Erste Weltkrieg hielt Crowley in den Vereinigten Staaten fest, von wo aus er die kleinen Gruppen seiner Anhänger in Kanada, Großbritannien, Südafrika und Australien führte. Die Bewegungen gediehen nicht, und Crowley, der für seine Bücher keinen Markt fand, reiste in Europa und Nordafrika herum, von einer Düsternis umgeben, die nur einmal kurz von der Furore durchbrochen wurde, die die Veröffentlichung seines Schlüsselromans The Diary of a Drug Fiend (1922) begleitete. Sein Lehrwerk Magick in Theory and Practice (1930) fand wenig Verbreitung; andere okkulte Texte veröffentlichte er privat in kleinen Auflagen hauptsächlich für seine Schüler. Sein letztes großes Werk, The Book of Thoth (1944), war seine Auslegung des Tarot anhand der Karten, die unter seiner Anleitung angefertigt wurden. Als Crowley 1947 im englischen Hastings starb, wurde sein Leben in amerikanischen Nachrichtenmagazinen wie Times und Newsweek als das eines exzentrischen religiösen Außenseiters dargestellt; dieser Ruf sollte ihm für Jahrzehnte anhaften.

      Gegen Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre erfuhr das Interesse an Crowley eine Wiederbelebung, und viele seiner Werke, die jahrzehntelang vergriffen waren, wurden neu aufgelegt. Zwei ehemalige Sekretäre Crowleys wirkten entscheidend an diesen verlegerischen Unternehmungen mit: Israel Regardie in den Vereinigten Staaten und Kenneth Grant in England. Regardie, der von 1928 bis 1932 Crowleys Sekretär gewesen ist, war ein erfolgreicher Autor und von zentraler Bedeutung für das Wiederauftauchen des GD. Außer seiner Crowley-Biographie The Eye in the Triangle (1970) war Regardie Herausgeber von Crowleys AHA (1969), The Vision and the Voice (1972), The Holy Books of Thelema (1972), Book Four (1972), Magick without Tears (1973), The Quabalah of Aleister Crowley (1973), The Law Is for All (1975), und Gems from “The Equinox” (1974), einem gewaltigen Buch, das den Großteil der magischen und mystischen Schriften des ersten Bandes von The Equinox beinhaltet. Grant, der 1944 für eine Weile als Crowleys Sekretär tätig war, gab zusammen mit John Symonds, der Crowleys literarischen Nachlass verwaltete, eine Anzahl von Crowleys Büchern heraus, darunter The Confessions of Aleister Crowley (1969), The Magical Record of the Beast 666 (1972), The Diary of a Drug Fiend (1972), Moonchild (1972), Magick (1973), Magical and Philosophical Comments on „The Book of the Law“ (1974) und The Complete Astrological Writings (1974), und schrieb mit ihm eine Einführung zu The Heart of the Master (1973). Während dieser Zeit begann Grant auch, seine sogenannte Typhonische Trilogie zu veröffentlichen, die 1972 mit The Magical Revival ihren Anfang nahm und dreißig Jahre später mit The Ninth Arch (2002) vervollständigt wurde.

      Crowleys Schriften über Magick, Mystik, Sexualität und Drogen trafen den Zeitgeist, und Crowley wurde bald zu einer Art antinomischer Ikone der Gegenkultur und der Flower-Power-Generation. Tatsächlich integrierten die Beatles ihn in das Coverbild ihres Albums Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band (1967), wo er als Zweiter von links in der hinteren Reihe zu sehen ist, und Led Zeppelin beschrifteten das Vinyl des Albums Led Zeppelin III (1970) mit Crowleys Leitspruch „Do what thou wilt“, während David Bowie in dem Stück „Quicksand“ auf seinem Album Hunky Dory (1971) sang: „I’m closer to the Golden Dawn/​Immersed in Crowley’s uniform/​Of imagery“. Die wachsende Zahl von gedruckten Büchern Crowleys fiel mit einem Wiederaufleben thelemitischer Organisationen zusammen. Manche dieser Gruppen waren recht klein und nur für wenige Jahre aktiv, wie z. B. die Solar Lodge, die während der späten 60er Jahre in den Vereinigten Staaten aktiv war, während andere sich fest in der Esoterikszene etablierten. Die größte dieser Gruppen ist der Ordo Templi Orientis, der um 1969 in Kalifornien von einer Anzahl von O.T.O.-Mitgliedern aus früherer Zeit unter der Leitung von Grady Louis McMurtry reaktiviert wurde, der den Titel des Kalifen übernahm. McMurtrys Autorität wurde jedoch von dem brasilianischen Thelemiten Marcelo Motta und seiner Gesellschaft Ordo Templi Orientis herausgefordert. 1985 entschied ein kalifornisches Gericht zugunsten McMurtrys; seitdem hat sich der O.T.O. als internationale Organisation mit ein paar Tausend Mitgliedern weltweit etabliert. In den frühen 1970ern formierte sich unter Führung von Kenneth Grant das, was man auch als Typhonischen O.T.O. (heute Typhonischer Orden genannt) bezeichnet, der um 1973 erstmals öffentlich bekannt wurde.

      Dennoch liegt die Bedeutung Crowleys als Forschungsfeld weniger in seiner Rezeption in der gegenkulturellen Bewegung und der Popkultur oder in den verschiedenen neuen thelemitischen Bewegungen, als vielmehr in seiner Funktion als Beispiel für den religiösen Wandel in der westlichen Kultur. Nicht allein, dass seine esoterischen Schriften als Paradebeispiel für das betrachtet werden können, was Wouter Hanegraaff als „säkularisierte Esoterik“ beschrieben hat, sondern die Untersuchungen zeigen auch – was vielleicht noch wichtiger ist –, dass Crowley auf mancherlei Weise Diskurse der Moderne und zeitgenössischer Spiritualität in seinem Werken verarbeitet hat. Tatsächlich war Crowley ein Vorbote dessen, was Paul Heelas als „Sakralisierung des Selbst“ bezeichnet hat. Dieses Thema behandelt Alex Owen im zweiten Kapitel „Der Hexenmeister und sein Lehrling: Aleister Crowley und die magische Erkundung der edwardianischen Subjektivität“, in dem sie Crowleys magisches Werk vor dem Hintergrund des Okkultismus der Jahrhundertwende kontextualisiert und dabei argumentiert, dass Crowleys Magie ein modernes Selbstgefühl artikuliert. Owen interpretiert die magische Erkundung von John Dees „Aethyr“, die Crowley 1909 in Algier mit seinem Schüler Victor Neuburg vorgenommen hat, als einen Versuch, die Konsequenzen der Subjektivität vollkommen zu verstehen. Auch wenn Crowley als ein Erneuerer magischer Praxis betrachtet werden kann, entwickelten sich seine Vorstellungen von Magie nicht in einer hermetisch abgeriegelten Umgebung; vielmehr reflektieren sie das Umfeld, in welchem er lebte. Crowley war im Großen und Ganzen ein Bastler, der eine Synthese aus magischen, mystischen, spirituellen und philosophischen Vorstellungen und Praktiken geschaffen hat. Im dritten Kapitel „Die Vielfalt magischer Erfahrung: Aleister Crowleys Sicht der okkulten Praxis“ setzt Marco Pasi die Schwerpunkte auf zwei Aspekte in Crowleys esoterischem Wirken – Magie und Yoga – und erörtert, wie Crowley das Verständnis und die erkenntnistheoretische Interpretation der okkulten Praxis transformiert hat. Pasi führt an, dass Crowleys Sicht der Magie auf der einen und Thelema auf der anderen Seite ein Paradoxon innewohnt. In seinem Bestreben, die Magie mittels Psychologisierung und Naturalisierung zu modernisieren, verstand er Götter, Dämonen und andere Wesenheiten als Teile der Psyche (das Unbewusste oft mit einbezogen). Crowley interpretierte die Vorstellung vom „Wissen um und der Konversation mit dem Heiligen Schutzengel“, die sowohl für den Hermetic Order of