Christopher Germer

Der achtsame Weg zum Selbstmitgefühl


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der Umgebung auffangen. Sie sitzen einfach da und empfangen Klangschwingungen. Sie müssen die Geräusche nicht benennen, Sie müssen sie auch nicht mögen, und Sie müssen sich nicht auf ein besonderes Geräusch konzentrieren – hören Sie einfach alles, was an Ihre Ohren dringt. Lassen Sie die Töne einen nach dem anderen kommen und gehen. Versuchen Sie nicht, Geräusche in Ihrer Umgebung zu entdecken. Lassen Sie sie auf sich zukommen.

      • Wenn Sie merken, dass Sie sich in Gedanken verlieren, was unweigerlich geschehen wird, kehren Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit einfach zum Lauschen zurück.

      • Öffnen Sie nach fünf Minuten langsam die Augen.

      Haben Sie bemerkt, wie entspannend es sein kann, Geräusche einfach aufmerksam wahrzunehmen? Es könnte sein, dass Sie es noch angenehmer empfinden als andere Methoden, mit denen Sie vielleicht bereits Erfahrungen gemacht haben, wie Entspannungstraining oder Selbsthypnose. Das hängt damit zusammen, dass Sie innerlich alles loslassen, einschließlich der Aufgabe, sich zu „entspannen“, die Sie paradoxerweise in einem Spannungszustand halten kann. Bei dieser Übung geht es nur darum, mit der Symphonie der Umgebungsgeräusche zu „sein“.

      Möglicherweise haben Sie sich dabei ertappt, dass Sie dem simplen Akt des Lauschens ein paar Extraaufgaben hinzugefügt haben. So haben Sie die Geräusche vielleicht mit den Etiketten „Auto“, „Kind lacht“, „Tür schließt sich“ versehen. Das ist zusätzliche Arbeit. Oder Sie haben sich gewünscht, an einem schöneren Ort zu sein, beispielsweise auf dem Land, wo man angenehmere Geräusche erwarten kann. Das erzeugt ein wenig Stress. Und wahrscheinlich sind Ihre Gedanken sehr schnell abgeschweift. Sie haben sich vielleicht gefragt, ob Sie die Übung richtig machen oder ob Sie sich eine leisere Klimaanlage anschaffen sollten. Jeder dieser automatisch ablaufenden mentalen Prozesse – Benennen, Urteilen, sich in Gedanken verlieren – macht das Lauschen ein bisschen schwieriger als nötig.

      Machen Sie die Übung möglichst noch einmal. Sie können dann innerlich registrieren, wenn diese mentalen Prozesse einsetzen und sich wieder aufs Lauschen konzentrieren. Sagen Sie zu sich „Benennen“, wenn Sie merken, dass Sie etwas benennen, oder „Urteilen“, wenn Sie urteilen, und „Denken“, wenn Sie sich dabei ertappen, wie Ihre Gedanken abschweifen.

      Einen geistigen „Anker“ finden

      Unser Geist braucht einen „Anker“, das heißt einen Fixpunkt, auf den er sich beziehen kann. Unsere mentalen Probleme werden zum größten Teil dadurch verursacht, dass unsere Gedanken von einer Sache zur anderen springen, was ziemlich anstrengend ist, oder durch die ständige Beschäftigung mit deprimierenden oder negativen Gedanken oder Gefühlen. Wenn wir das feststellen, müssen wir unserem Geist einen Ankerplatz anbieten – einen neutralen und ruhigen Fixpunkt. Genau das tat George, wenn er über seinen „Hier-und-Jetzt-Stein“ strich, und Sie taten es ebenfalls, als Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit immer wieder zu den Geräuschen in Ihrer Umgebung zurückkehrten. Dieses Verankern hilft uns, innerlich ruhig zu werden.

      Am häufigsten wird der Atem als geistiger Anker genutzt, und dafür gibt es ein paar gute Gründe:

      • Wir atmen 24 Stunden am Tag.

      • Es ist relativ einfach, sich auf den Atem zu konzentrieren, weil er eine spürbare Bewegung im Körper verursacht.

      • Der Atem ist etwas Vertrautes und kann somit ein sicherer Hafen vor den Stürmen des täglichen Lebens sein.

      • Er funktioniert automatisch, ohne persönliche Anstrengung.

      • Er ist unser treuester Freund, der uns von der Geburt bis zum Tod begleitet.

      Den eigenen Atem achtsam wahrzunehmen ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, die Aufmerksamkeit zu schulen und sich in den gegenwärtigen Moment zu bringen.

      Für manche Menschen mag die Konzentration auf den Atem allerdings problematisch sein, beispielsweise für diejenigen, die physische Traumata erlitten haben. Sie wollen ihren Körper vielleicht gar nicht spüren, weil dadurch schlimme Erinnerungen ins Bewusstsein dringen könnten. Menschen, die ständig um ihre Gesundheit besorgt sind, stellen vielleicht fest, dass die Konzentration auf einen bestimmten Körperteil neue Ängste auslöst. Wer immer alles ganz korrekt machen will oder unter Zwangsstörungen leidet, könnte bei der Konzentration auf den Atem rigide werden und dadurch vielleicht Atemprobleme bekommen. Andere, die unzufrieden mit ihrem Aussehen sind oder sich in ihrem Körper nicht wohlfühlen, empfinden es möglicherweise allgemein als unangenehm, durch den Atem intensiv in Kontakt mit dem Körper zu kommen.

      Haben Sie das Gefühl, dass eines der oben genannten Probleme auf Sie zutreffen könnte, sollten Sie sich einen anderen „Ankerplatz“ für ihren Geist suchen. Er muss nur leicht und unmittelbar zugänglich sein. Manche Menschen bevorzugen ein bestimmtes Wort, das für sie eine besondere Bedeutung hat (siehe auch „Centering Meditation, Anhang B). Man kann sich auch auf den Boden unter den Fußsohlen, die im Schoß gefalteten Hände, eine bestimmte Körperregion wie beispielsweise den Herzbereich oder einen Punkt zwischen den Augen konzentrieren. Sollte es Ihnen schwerfallen, die Aufmerksamkeit in den Körper zu lenken, können Sie sich auch auf ein äußeres Objekt konzentrieren. Was Sie auch als geistigen Anker wählen, es wird im Laufe der Zeit wie ein guter Freund.

      Die folgende Übung zeigt Ihnen, wie man den Atem als Anker benutzt, aber Sie können ihn jederzeit durch ein anderes Konzentrationsobjekt ersetzen.

      Achtsam atmen

      Diese Übung dauert 15 Minuten. Suchen Sie sich einen ruhigen, angenehmen Platz. Ihre Sitzhaltung sollte so sein, dass Ihre Muskulatur vom Knochengerüst gestützt wird, damit Sie während der gesamten Übung mühelos in derselben Position bleiben können. Dazu setzen Sie sich mit geradem Rücken hin, lassen die Schultern etwas nach hinten fallen und senken das Kinn zum Brustkorb. Sie können den Rücken anlehnen und mit einem Kissen unterstützen.

      • Atmen Sie drei Mal langsam ohne Anstrengung ein und aus, um sich zu entspannen und alle Belastungen, die Sie mit sich herumtragen, loszulassen. Schließen Sie die Augen halb oder ganz, je nachdem, was sich angenehmer anfühlt.

      • Lassen Sie nun ein inneres Bild von sich entstehen. Visualisieren Sie sich in Ihrer Sitzhaltung auf dem Stuhl oder Sessel, so als würden Sie sich von außen sehen. Lassen Sie Körper und Geist einfach so sein, wie sie jetzt sind.

      • Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit dann auf Ihren Atem. Achten Sie darauf, wo Sie den Atem am stärksten spüren. Manche Leute fühlen ihn besonders an den Nasenöffnungen, vielleicht als kühle Brise über der -Oberlippe. Andere nehmen stärker das Heben und Senken des Brustkorbs wahr und wieder andere spüren ihren Atem am deutlichsten im Bauchraum, wenn sich der Bauch beim Einatmen ausdehnt und beim Ausatmen zusammenzieht. Finden Sie heraus, wo Sie Ihren Atem am besten wahrnehmen können.

      • Achten Sie nun darauf, wann Sie den Atem am stärksten spüren: beim Ausatmen oder beim Einatmen. Ist die Wahrnehmung in etwa gleich, konzentrieren Sie sich auf eines von beiden. (Der Einfachheit halber gehe ich ab jetzt davon aus, dass Sie sich auf das Ausatmen und die Nase konzentrieren.)

      • Achten Sie nun auf Ihr Gefühl bei Ausatmen. Spüren Sie, wie die Luft jedes Mal durch die Nasenlöcher ausströmt. Machen Sie dann beim Einatmen ein bisschen „Urlaub“ und lassen Sie in dieser Pause einfach alles so sein. Spüren Sie Ihren Atem jetzt wieder beim Einatmen.

      • Der Körper atmet Sie. Das tut er sowieso automatisch. Nehmen Sie einfach bei jedem Ausatmen bewusst den Luftstrom in der Nase wahr.

      • Ihre Gedanken werden immer wieder von der bewussten Wahrnehmung des Atems abschweifen. Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Wenn Sie merken, dass Sie mit den Gedanken woanders sind, kehren Sie einfach wieder zur Empfindung des Ausatmens durch die Nase zurück.

      • Werfen Sie einen kurzen Blick auf Ihre Armbanduhr. Falls Sie noch ein paar Minuten Zeit haben, konzentrieren Sie sich jetzt bei jedem Atemzug auf die Bewegung Ihres gesamten Oberkörpers. Denken Sie nicht zu viel darüber nach. Spüren Sie einfach die Lebendigkeit und Bewegung Ihres Körpers beim Atmen.

      • Öffnen Sie nach 15 Minuten langsam die Augen. Richten Sie den Blick nach unten und genießen Sie die Stille des Augenblicks, bevor Sie sich