klar erkennen. Du wirst viel Eigenartiges und Wunderbares kommen und gehen sehen, aber du wirst still sein. Dies ist das Glück des Buddha.“ Das grenzenlose Glück des Buddha basierte auf dem klaren Blick und dem Mitgefühl, die in seinem Leben stets gegenwärtig waren. Dies ist „So-Sein“.
Dieses Glücklichsein verändert unser Wesen und revolutioniert unseren Blick auf unsere Umwelt. Mehr noch: Die Vorstellung von Innen und Außen verschwindet völlig.
Dieses Glück entsteht, weil wir völlig in der Gegenwart bleiben. Wir öffnen uns unserem Erleben, und dies führt zwangsläufig dazu, daß wir uns anderen öffnen. In dieser Welt wirklich glücklich zu sein, ist eine revolutionäre Tat, denn wahres Glück ist nur möglich, wenn zuvor eine Revolution in uns stattfand. Wir befreien uns durch einen radikalen Wandel unseres Blickwinkels. Dann wissen wir, wer wir wirklich sind, dann können wir unsere grenzenlose Liebesfähigkeit erkennen. Wir werden durch die Wahrheit befreit, daß wir uns unendlich viel Zeit nehmen und aufmerksam sein können; wir können Karmapa sein; wir können jener Mönch sein, der über das Schlachtfeld geht. Wir alle sind mit dieser Anlage geboren. Unser Glück kann den Gang der Geschichte verändern, und das tut es auch.
2
Liebenswürdigkeit neu erlangen
Die Knospe
steht für alles,
selbst für jene Dinge, die nicht blühen,
denn alles blüht, aus sich selbst, aus innerem Glück,
obwohl es manchmal nötig ist,
ein Ding nochmals seine Liebenswürdigkeit zu lehren,
einer Blume die Hand
auf die Stirn zu legen,
ihr mit Worten und Berührungen zu sagen,
wie schön sie ist,
bis sie wieder aus sich selbst blüht, aus innerem Glück.
Galway Kinnell
Ein Ding nochmals seine Liebenswürdigkeit lehren“ ist das Wesen von metta. Durch Liebende Güte kann jeder und alles wieder aus sich selbst erblühen. Wenn wir das Wissen um unsere Schönheit und um die Schönheit anderer wiedererlangen, stellt sich das innere Glück auf natürliche und schöne Weise ein.
Metta, das in Pali „Liebe“, „Güte“ oder „Liebende Güte“ bedeutet, ist die erste brahma-vihara, die erste der „erhabenen Wohnstätten“. Die anderen – Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut – folgen aus metta, die diese anderen Eigenschaften fördert und erweitert.
Sprechen wir in unserer Kultur von Liebe, meinen wir in aller Regel Leidenschaft oder Sentimentalität. Es ist ganz entscheidend, metta von diesen beiden zu unterscheiden.
Leidenschaft geht mit Gefühlen des Begehrens, Wollens, Besitzens oder Verfügens einher. Leidenschaft verlangt, daß etwas so und nicht anders sein muß und unsere Erwartungen erfüllt werden. Die Erwartung des Austausches, die der Leidenschaft meist zugrunde liegt, ist an Bedingungen geknüpft und wird letztlich zum Bumerang: „Ich liebe dich, solange du die folgenden fünfzehn Dinge tust oder solange du mich mindestens ebensosehr liebst wie ich dich.“ Es ist kein Zufall, daß in dem Wort Leidenschaft das Wort Leiden steckt, und auch das Wort Passion, das im Englischen und in den romanischen Sprachen diesen Zustand beschreibt, geht auf das lateinische Wort für leiden zurück. Wollen und Erwarten erzeugen zwingend Leid.
Im Gegensatz dazu stellt metta keinerlei Bedingung: Sie ist offen und gradlinig. Wie Wasser, das aus einem Gefäß in ein anderes geschüttet wird, fließt metta ungehindert und paßt sich dabei jeder Situation an, ohne ihr eigentliches Wesen zu verändern. Eine Freundin mag uns enttäuschen; sie mag unsere Erwartungen nicht erfüllen, aber wir bleiben dennoch ihre Freundin. Mehr noch: Wir mögen uns selbst enttäuschen, unsere eigenen Erwartungen nicht erfüllen, und wir bleiben uns selbst dennoch eine Freundin.
Sentimentalität, die zweite Befindlichkeit, die sich als Liebe ausgibt, ist in Wirklichkeit eine Verbündete der Verblendung. Sie ist eine Schein-Fürsorge, die sich auf die Erfahrung von Annehmlichkeiten beschränkt. Wie der Blick durch ein Objektiv, das zuvor mit etwas Vaseline bestrichen wurde, zeigt Sentimentalität alles im „Weichzeichner“. Wir sehen die scharfen Kanten nicht mehr, die problematischen Stellen oder die Mängel. Alles ist viel zu nett. Sentimentalität findet Schmerz unerträglich und wendet sich daher von ihm ab.
Unsere Sicht der Welt wird sehr eng, wenn alle Dinge eine bestimmte Art und Weise haben müssen und wir sie nicht so hinnehmen können, wie sie wirklich sind. Verleugnung wirkt fast wie ein Betäubungsmittel, und zum Schluß fehlen uns einige unverzichtbare Teile unseres Lebens.
Es ist die Angst vor Schmerz, die dazu führt, daß wir etwas kurzfristig oder dauerhaft von uns abspalten. Um keinen Schmerz zu empfinden, blockieren wir wesentliche Aspekte unserer Wahrnehmung, auch wenn diese Blockade, dieses innere Abtrennen, tödlich ist.
Als einzelne oder in einer Gruppe opfern wir manchmal die Wahrheit, um unsere Identität zu sichern oder ein Gefühl der Zugehörigkeit zu wahren. Alles, was dieses Gefühl bedroht, löst Angst und Angespanntheit aus, also leugnen wir und beschneiden unsere Gefühle. Ein solches Verhalten führt schließlich zu Entmenschlichung. Wir sind von unserem eigenen Leben getrennt und fühlen auch zu anderen Lebewesen eine große Distanz. Wenn wir den Kontakt zu unserem inneren Leben verlieren, liefern wir uns der Willkür äußerer Veränderungen aus, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wer wir sind, was uns wichtig ist und was wir schätzen. Die Angst vor dem Schmerz, dem wir entkommen wollten, wird in Wahrheit zu unserer ständigen Begleiterin.
Der Buddha lehrte die metta-Meditation als das Mittel gegen Angst, als Weg, Angst zu überwinden, wenn sie entsteht. Die Legende berichtet, er habe einige Mönche zum Meditieren in einen Wald geschickt, der von Baumgeistern bewohnt war. Diese Geister wollten die Mönche nicht in ihrem Wald haben und versuchten, sie zu vertreiben, indem sie ihnen als Dämonen erschienen, mit schrecklichem Gestank und markerschütterndem Geschrei. Die Legende erzählt weiter, die Mönche seien in heller Panik zum Buddha zurückgelaufen und hätten ihn angefleht, sie für ihre Übungen an einen anderen Ort zu schicken. Der Buddha aber habe geantwortet: „Ich werde euch in den gleichen Wald zurückschicken, doch ich gebe euch den einzigen Schutz, den ihr brauchen werdet. Dieser Schutz war die erste Unterweisung in metta-Meditation. Der Buddha ermunterte die Mönche, die metta-Sätze nicht nur zu rezitieren, sondern auch tatsächlich zu praktizieren. Die Geschichten gehen alle gut aus, so auch diese – es heißt, die Mönche seien zurückgegangen und hätten metta praktiziert, bis die Baumgeister ganz bewegt davon waren, wie die Schönheit der liebenden Energie den Wald erfüllte, und beschlossen, für die Mönche zu sorgen und ihnen zu dienen.
Die tiefere Bedeutung der Geschichte ist, daß auch ein angsterfülltes Denken von der Kraft der Liebenden Güte durchflutet werden kann. Und ein Denken, das von Liebender Güte erfüllt ist, kann nicht von Angst bezwungen werden; selbst wenn Angst entsteht, wird sie niemals stärker sein als metta.
Wenn wir metta üben, öffnen wir uns unablässig der Wahrheit unseres gegenwärtigen Erlebens und verändern so unser Verhältnis zum Leben. Metta – das Gefühl einer Liebe, die nicht an Verlangen gebunden ist und die Dinge nicht anders sehen muß, als sie sind – überwindet die Illusion des Getrenntseins, die Illusion, nicht Teil eines Ganzen zu sein. Damit überwindet metta alle Empfindungen, die mit dem grundlegenden Irrtum einhergehen, wir seien getrennt – Zustände wie Angst, Entfremdung, Einsamkeit und Verzweiflung, alle Gefühle der Zersplitterung. Die Erkenntnis der Verbundenheit führt zu Zusammengehörigkeit, Vertrauen und Sicherheit.
Im Buddhismus gibt es nur ein Wort für Herz und Geist: chitta. Chitta bezieht sich nicht nur auf Gedanken und Gefühle im engeren Sinn von Denken, sondern auf das gesamte Bewußtseinsspektrum, ohne Grenzen und Schranken. Je mehr wir uns dem Erleben von chitta öffnen, um so besser verstehen wir, wer wir sind, und um so besser können wir uns um uns kümmern. Durch die Kraft der Liebe werden die Mauern zwischen uns und den anderen zu Staub, kaum daß wir sie berühren.
Was