Heilimpuls auf Dauer zu einer Verbesserung der Vitalität beitragen kann, ist dadurch noch lang nicht klar und offenbar stark vom Individuum abhängig.
Bereits nach zwei vitalstoffreichen Frischobsttagen klagen manche Menschen über einen unangenehm angegriffenen Zahnschmelz – neben einer Reihe anderer möglicher Symptome. Diese Tatsache ist für viele Menschen ein Körpersignal, das sie im Sinne der Körperintelligenz vor einem dauerhaften Zuviel an Obstrohkost bewahrt.
Obgleich sie anfänglich klare positive Effekte feststellten, haben manche Menschen durch den dauerhaft hohen Verzehr von Obst Schädigungen ihres Zahnschmelzes davongetragen, da sie für ihre Belange zu viele saure Früchte zu sich nahmen. Andere Rohköstler wiederum, die durch die Umstellung auf Rohkost eine deutliche Verbesserung ihres Gesundheitszustandes erleben durften, erfreuen sich nach wie vor einer stabilen Gesundheit und eines gesunden Zahnschmelzes, obwohl sie seit Jahrzehnten sehr viel Kernobst, Beeren und Zitrusfrüchte konsumieren.
Dass es offenbar möglich ist, ohne viel Frischkost auszukommen, zeigen jene Menschen, die einfach eine Abneigung gegen frisches Obst entwickelt haben und dennoch nach lebenslanger Obstkarenz gesund blieben und ein hohes Alter erreichten. Ich kenne sogar Weltklasse-Athleten, die über Jahrzehnte hinweg keinerlei rohes Obst gegessen haben, sich bester Gesundheit erfreuen und langfristig und beständig hervorragende Leistungen erbringen.
Auch Getreide kann Probleme bereiten
Dem bereits geschilderten biologischen Prinzip der Arterhaltung bei Pflanzen folgend, befindet sich auch beim Getreide die höchste Konzentration an natürlichen Schutzstoffen in der Randschicht und zum Teil im Keimling, in jenen Anteilen des Korns also, die in Vollkornprodukten noch enthalten sind und die wir in Weißmehl vergeblich suchen. Die wertgebenden Inhaltsstoffe, die wir daher in Vollkorngetreide in weit höherer Konzentration finden, sind Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und sekundäre Pflanzenstoffe. Zu Letzteren zählen die Lektine und Phytate; das sind zwei Stoffgruppen, die die Bekömmlichkeit einschränken und problematische Wirkungen hervorrufen können.
Die Lektine sind beim Getreide die natürlichen Abwehrstoffe, mit denen es sich vor Fraßfeinden schützt. Wie so mancher andere pflanzeneigene Schutzstoff können sie im Menschen allerdings zu Unverträglichkeiten führen.
Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass Lektine Entzündungen im Darm hervorrufen, die Durchlässigkeit der Darmwand verstärken und dadurch das Gleichgewicht der Darmflora stören könnten. Obwohl Lektine im Getreide meist nur in sehr niedriger Konzentration vorkommen, in manchen Obst- und Gemüsesorten jedoch in höherer Konzentration, führen sie bei etlichen Menschen und unter bestimmten Voraussetzungen zu Unverträglichkeitserscheinungen. Bei diesem Leaky-Gut- oder Sickerdarm-Syndrom gelangen bei entsprechend konstituierten Menschen Bakterien und andere Fremdproteine aus dem Darm ins Blut – was Allergien und Autoimmunerkrankungen auslösen kann. Darüber hinaus besteht der wissenschaftlich begründete Verdacht, dass Lektine bestimmte Erkrankungen wie Rheuma und chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn verstärken können.
Ebenfalls in den Randschichten sowie im Keimling des Getreidekorns findet sich die Phytinsäure. Dem Korn dient sie als Nährstoffspeicher, um seine Versorgung sicherzustellen für den Fall, dass es einmal keimen sollte. Im Verdauungstrakt des Menschen können Phytate allerdings Effekte hervorrufen, die je nach individueller Bedarfslage des Betroffenen ausgesprochen ungünstig sein können. Sie binden die in der Nahrung enthaltenen Mineralstoffe wie Calcium, Magnesium, Eisen und Zink an sich und hemmen dadurch deren Aufnahme in den Blutkreislauf. Besonders hohe Konzentrationen von Phytinsäure sind in Weizen-, Gersten- und Roggenrandschichten, in Mais sowie in den Hülsenfrüchten Soja und Erdnuss nachweisbar. Dies hat zur Folge, dass sie trotz ihres eigentlich hohen Mineralgehalts als Mineralstoffquelle nur beschränkt geeignet sind. Je nach Bedarfslage des jeweiligen Menschen kann dieser Sachverhalt zu einer Unterversorgung mit Mineralstoffen führen, die wiederum Problemen Vorschub leistet. Oft bleibt diese Tatsache selbst von den Menschen unbeachtet, die sich sehr stark mit ihrer Ernährung auseinandersetzen.
Auch im Fall von Vollkorngetreide stimmt daher das Prädikat gesundheitsfördernd nicht uneingeschränkt für alle Menschen. Vielen bekommt eben Vollkorn nicht so gut, wie oft propagiert wird. Womöglich ist dieser Umstand auch ein Grund – neben der immer wieder zitierten besseren Haltbarkeit von Weißmehl –, weshalb man in sehr vielen Ländern und Kulturen geschältem Getreide und Brot aus Weißmehl den Vorzug gegenüber Vollkorn gibt.
Anders als typische Pflanzenfresser wie Rinder oder Federvieh verfügt der Mensch weder über Pansen noch Kropf, die ihm dabei behilflich sind, volles Getreide aufzuschließen und bekömmlich zu machen. Er nutzt Getreide erst seit etwa zehntausend Jahren als mengenmäßig relevantes Nahrungsmittel und musste daher aufwendige Verarbeitungsmethoden wie Mahlen, Fermentieren und Backen entwickeln, um es schadlos verdauen und seine Nährstoffe verstoffwechseln zu können. Dort wiederum, wo moderne Mühlentechnik die Entfernung von Randschicht und Keimling nicht ermöglicht, wird traditionell das Getreide vor dem Verzehr oft speziellen Einweichungs- oder Fermentationsverfahren unterzogen, um es in seiner Bekömmlichkeit und seinen Eigenschaften für den Menschen zu verbessern. Potenziell schädigende Anteile, besonders aus den Randschichten der Früchte, lassen sich so biologisch abbauen und unschädlich machen.
Auch dieser Sachverhalt kann als Beleg für die Existenz Somatischer Intelligenz verstanden werden, die in Kombination mit erfahrungsheilkundlichem Wissen und dem jeweils regionalen Lebensmittelhandwerk die landläufigen Ernährungstraditionen mitformte: So werden etwa in der indischen und tamilischen Küche Reis, Linsen und Urdbohnen traditionell mindestens zwei Tage lang fermentativ behandelt, bevor damit die klassischen Pfannkuchengerichte wie Idli und Dosa zubereitet werden. In Afrika wird grob geschroteter Mais über Nacht eingeweicht, bevor man ihn Suppen und Eintöpfen zugibt. Mais und Hirse werden mehrere Tage lang fermentiert, wenn man daraus Ogi, einen sauren Getreidebrei, zubereiten möchte.
In walisischen Töpfen verfährt man ähnlich mit Hafer, um den auch bei uns so populären Porridge zuzubereiten, der vielen Menschen weit besser bekommt als das bei uns seit einiger Zeit so populäre Müsli mit Haferflocken. Und in Äthiopien wird das traditionelle Injerabrot hergestellt, indem man Teff, eine Zwerghirseart, über mehrere Tage hinweg zuerst einmal ausreichend fermentiert, bevor man es zum Brotbacken nimmt. Der Teig für mexikanische Maismehlkuchen, Pozol genannt, wird zuerst einmal für bis zu zwei Wochen in Bananenblätter eingeschlagen und einem Fermentierungsprozess unterzogen.
Und als die ersten Europäer in Amerika ihre Sauerteigbrote, -pfannkuchen und -brötchen backten, ließen sie meistens das Getreide zuerst mehrere Tage in Wasser oder Sauermilch quellen, bevor sie es durch Kochen etwa zu dem heute noch gängigen Haferschleim-Porridge weiterverarbeiteten.
Um die Bekömmlichkeit von Vollkornmehl in unseren Breiten, besonders beim Roggen, zu verbessern, griff man althergebracht zu Sauerteig, den man vor dem Brotbacken mehrere Stunden aufs Getreide einwirken ließ. Heute wissen wir, dass Phytinsäure und Lektine dadurch zu einem bedeutenden Anteil ausgeschaltet werden.
Heutige Vollkornbrote hingegen sind oft per Schnellsauerteig behandelt, der manchmal nur wenige Minuten auf den Teig einwirkt. Während traditionelle Sauerteige bis zu 96 Stunden (also vier Tage und vier Nächte!) gehen durften. Für viele Experten besteht ein Zusammenhang zwischen der zunehmenden Verwendung von Schnellsauer und der Rate an Magen-Darm-Problemen, wobei zur gleichen Zeit paradoxerweise die Vorzüge von Vollkorn propagiert werden.
Spätestens hier muss die Frage erlaubt sein, ob die gebetsmühlenartig gepriesene Überlegenheit von Vollkorn als bestmögliche Getreideform wirklich die Krone der ernährungsphysiologischen Erkenntnis ist oder ob sie womöglich vielmehr ein Resultat von postindustriellem, bizarr die Natur verklärendem Aberglauben ist.
Antinutritive Stoffe in Lebensmitteln
Substanz | Quellen | Mögliche Wirkung | Wirkung hebt sich auf |
Saponine | Spinat, Rote Beete, Spargel, grüne Bohnen, Sojabohnen, Blätter von grünem Tee, Erdnüsse, Zuckerrüben | Hämolyse (verkürzte Lebensdauer von roten Blutkörperchen) | Hämolytische
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