gestört. Eine junge, hübsche Frau betrat die Bibliothek. Die Katze sprang von Leas Schoß und lief hinaus. Die Frau sagte: »Herr Dietrich, da sind Sie ja, kann ich Sie kurz sprechen.« Und zu Lea gewandt: »Entschuldigen Sie bitte die Störung.«
Lea war etwas perplex. Damit hatte sie nun wahrlich nicht gerechnet. Na ja, vielleicht war es irgendeine Therapeutin.
»Es ist Mittagszeit. Ich gehe zum Essen. Wir waren ja ohnehin zu Ende mit unserer interessanten Diskussion«, sagte sie mit vermeintlich fester Stimme, konnte ihren bedrückten Zustand aber nicht ganz verheimlichen.
»Wir sind noch lange nicht zu Ende«, sagte er mit einem entwaffnenden Lächeln. »Treffen wir uns hier um drei?«
Sie nickte.
»Und nicht weglaufen«, fügte er hinzu.
»Wo soll ich denn hinlaufen bei diesen Wetterverhältnissen«, antwortet sie und spielte damit auf das wachsende Schneetreiben vor dem Fenster an. Sie wäre aber auch bei schönem Wetter nicht weggelaufen, da war sie sich sicher.
Sie ging in den Speisesaal und entschied sich für einen der köstlichen Salate, dazu geräucherten Lachs. Der Salat war mit roten Paprika, gelben Mango und vielen grünen Blättern verschiedener Herkunft angerichtet. Alles frisch und mit einer Soße sehr schmackhaft abgerundet. Um die Mittagszeit war der Saal gut gefüllt.
Sie ließ den Blick umherschweifen. Überall waren typische Urlauber zu sehen. Irgendwelche kranken oder gebrechlichen Leute konnte sie nicht ausmachen. Sie schaute nach draußen, versuchte es zumindest. Sie kam nicht weit. Durch das Fenster sah man wie auf eine Wand mit grauweißer Tapete, wobei das Bild der Tapete ein wenig aufgelockert wurde von einem Gewusel wirbelnder Schneeflocken. Sie versuchte, ihren Bewegungen zu folgen, was ihr nur unvollkommen gelang.
Ein netter junger Mann fragte, ob er sich zu ihr setzen könne, obgleich noch Tische frei waren. Sie ließ es zu, war aber nicht auf eine Unterhaltung oder gar einen Flirt aus, obwohl er nicht nur gut aussah, wie sie fand, sondern auch eine durchtrainierte Figur hatte. Jedes Gespräch hätte nur ein müder Abklatsch der vorangegangenen Diskussion sein können. Sie ging lieber auf ihr Zimmer.
Als Erstes »googelte« sie ihn. Ohne Erfolg. Unter »Christopher Dietrich« gab es zwar Eintragungen. Sie standen aber offensichtlich in keiner Verbindung zu ihm.
Sie hörte ihre Anrufe ab und las die inzwischen eingegangenen Kurznachrichten auf ihrem Smartphone. Nichts wirklich Weltbewegendes war dabei.
Sie legte sich aufs Bett, um sich ein wenig auszuruhen, stellte aber vorsorglich den Wecker.
Ihr war zwar schon immer bewusst, dass die Welt aus vielen kleinen Teilchen, den Atomen, besteht, aber über die weiteren Konsequenzen hatte sie sich keine Gedanken gemacht. Irgendwie beunruhigend war, dass die ganze Materie offensichtlich immer in Bewegung war, mit der Folge einer ständigen weiteren Durchmischung der vielen Teilchen hin in Richtung Unordnung. Wo sollte das hinführen?
Zuletzt sprach er von der Anzahl der Möglichkeiten, wie sich Teilchen in einem Zustand in unserer Welt anordnen können, und von der Wahrscheinlichkeit der Erreichung dieses Zustandes. Das Phänomen »Zeit« schien immer komplexer zu werden. Über die Zeit hatte er zuletzt gar nicht gesprochen, doch war sie sich im Klaren darüber, dass die Beschreibung der Natur im ganz Kleinen auch für das Zeitverständnis grundlegend sein könnte. Sonst hätte er nicht so weit ausgeholt, bevor sie gestört wurden.
Über diesen Gedanken musste sie eingeschlafen sein, wachte aber nach einer knappen Stunde gut erholt wieder auf. Sie hatte genügend Zeit, sich etwas anderes anzuziehen, und ging rechtzeitig zum vereinbarten Termin in die Bibliothek, wo er sie schon erwartete.
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