denn es war sein aufgeladenes Ka, mit dem er durch seine Unterwelt, durch den Tod selbst wanderte.
Während Jeshua und ich die Sexualmagie der Isis ausübten, wussten wir beide, dass es diesem Zweck diente.
Für ihn war jede Vereinigung mit mir ein Mittel, sein Ka zu stärken. Deswegen habe ich gesagt, er kam an meinen Brunnen, denn der Brunnen, den eine Eingeweihte einem Mann anbietet, ist ein nie versiegender Brunnen magnetischen Potentials. Er öffnet sich jedoch nur, wenn sich die Frau sicher und geliebt fühlt. Nur dann wirken die Übungen. Ohne den nährenden Urgrund der Liebe sind die Übungen einfach Techniken, die nicht zu dem benötigten oder erwünschten Ergebnis führen werden.
Ich war dabei sowohl Frau als auch Eingeweihte. Ich war jahrelang ausgebildet worden und kannte mich mit den Kanälen und Pfaden aus, doch zu meiner Überraschung fühlte ich mich als Frau völlig ergriffen.
Ich bemerkte, wie ich einen Blick oder eine Berührung von ihm kaum erwarten konnte. Die Zeiten, in denen wir allein waren, waren das Wertvollste, das ich je erlebt hatte. Seine Berührung, sein Blick, einfach wie er sich anfühlte, brachte etwas in mir dazu, sich zu öffnen, und ich musste manchmal über mich selber lachen.
Ich, die ich in den geheimsten Praktiken der Isis ausgebildet war – meine Lehrerinnen waren der Ansicht, ich sei weit fortgeschritten – diese Eingeweihte stellte fest, dass sie als Frau eine Anfängerin war.
Denn ich sage euch jetzt, dass im Herzen, im Verstand und in der Körperweisheit des Weiblichen einige der größten Geheimnisse und Kräfte ruhen, die darauf warten entdeckt zu werden.
Und sie offenbaren sich alle durch die gegenseitige Berührung!
Wenn ich von Jeshua spreche, werde ich jedes Mal wieder von meiner Liebe und meinen Gefühlen überwältigt, die ich durch alle Zeiten für ihn empfinde.
Die Sexualmagie der Isis beruht auf der Erkenntnis, dass das weibliche Prinzip von seinem Wesen her, besonders als sexuelles Wesen, einen alchemistischen Schlüssel enthält. Dieser Schlüssel offenbart sich durch das, was ihr geschlechtliche Liebe nennt. Wird er stark genug aktiviert, dann treten die alchemistischen Prozesse des Horus spontan hervor.
In meiner Ausbildung ging man davon aus, dass es, alchemistisch gesprochen, zwei Wege zu demselben Ziel gibt.
Die Alchemie des Horus war die Grundlage bei beiden alchemistischen Wegen oder Übungswegen, da die gleichen Pfade als Basis dienten. Wer sich nicht auf eine Partnerschaft einlassen wollte, dem boten die alchemistischen Übungen des Horus eine Möglichkeit, den Ka-Körper zu stärken und zu aktivieren, um die Ebenen für hohe Einweihungen zu erreichen.
Denjenigen, die sich in einer Partnerschaft befanden, bot die sexuelle Magie der Isis die Flügel, auf denen sie sich den Djed hinauf zum Thron des höchsten Bewusstseins schwingen konnten.
Aus meiner jetzigen Sicht finde ich es äußerst tragisch, dass die Geheimnisse und die Heiligkeit unserer Sexualität von der Kirche, von den Kirchenvätern, als böse verteufelt wurden. Fast zweitausend Jahre lang wurde einer der kraftvollsten und schnellsten Wege zur Gotteserkenntnis als falsch hingestellt.
Und ich finde es wirklich eine Ironie, dass die Kirche eine Sünde daraus gemacht hat – zum Schrecken all jener, die vielleicht zufällig darauf gekommen sind.
Viele halten Jeshuas Wunder für etwas sehr Außergewöhnliches, doch aus der Sicht eines Eingeweihten sind sie einfach der Ausdruck – der natürliche Ausdruck – der Fähigkeiten des Bewusstseins. Sie sind ein Zeichen. Es gibt Gründe für Wunder, und ich möchte sie aus der Sicht des Wissens der Eingeweihten, über das Jeshua und ich verfügten, darlegen.
Als ich Jeshua begegnete, zeigte er bereits die Zeichen. Die Ebene seiner Schöpfungskraft war sehr hoch.
Meine Aufgabe bestand darin, ihm zu helfen, seinen Ka-Körper für seine abschließende Initiation durch das Tor des Todes zum erhabenen Gott Horus zu stärken. Wie gesagt, geschah dies durch die Sexualmagie der Isis und die alchemistischen Praktiken des Horus.
Von all den Wundern Jeshuas, deren Zeugin ich war, ist mir das mit dem Brot und den Fischen das liebste.
Es war an einem langen, heißen Tag. Die Jünger, Maria und ich waren dem Meister wie immer gefolgt. Eine große Menschenmenge hatte sich versammelt und lauschte auf jedes Wort, das der Meister sprach. Wir alle waren von seiner Vision und Ausdrucksstärke hingerissen.
Es schien mehrere Stunden lang so, als ob wir in den Himmel gehoben würden, und ich bemerkte, dass Jeshuas Ka sich derart erweitert hatte, dass es alle umfasste – ein weiteres Zeichen.
Als er seine Rede beendete, war es bereits später Nachmittag, und in seinem Mitgefühl bat er, man solle Essen sammeln und verteilen, denn er wusste, dass der Heimweg für manche mehrere Tage dauern würde.
Die Jünger, Maria und ich sowie ein paar andere aus der Menge begannen, das an Lebensmitteln einzusammeln, was da war.
Doch es kam nicht mehr zusammen als ein paar Fische und ein paar Laibe Brot. Längst nicht genug.
So wurde ich Zeugin eines außergewöhnlichen Ereignisses. Jeshua ging nach Innen und schloss seine Augen. Ich konnte die Absicht seines Gebetes spüren, auch wenn ich seine Worte nicht hörte. Mit hellsichtigem Blick sah ich, wie ein Licht den Djed seiner Wirbelsäule entlang aufstieg, aus seinem Kronen-Chakra hervorbrach und weiter stieg zu seinem Ba, seiner Himmlischen Seele. Dann floss eine Energie herab, wie als Antwort auf seine Bitte. Er legte seine Hände über die zwei kleinen Körbe und begann, Brot und Fisch zu verteilen. Er brach sie in Stücke, die er persönlich an alle verteilte.
Es war höchst bemerkenswert: Mehr als tausend Menschen wurden verköstigt und weder Brot noch Fisch gingen zur Neige. Als er die Menge gespeist hatte, gab Jeshua den Jüngern, Maria und mir noch davon, und das Brot hatte den süßesten Geschmack und die Fische ein so köstliches Aroma, wie ich es nie wieder schmeckte.
Solche Wunder waren für einen Meister von Jeshuas Format nur natürlich, und aus der Sicht der Eingeweihten liegen solche Wunder für jeden, der das dazu Notwendige übt, im Bereich des Möglichen.
Jeshua verwendete oft den Satz: »Ich und der Vater sind eins.« Dies hat zu großen Fehlinterpretationen geführt. Aus der Sicht eines Eingeweihten ist »Vater« einfach ein anderes Wort für »Geist«. Jeshua wies mit diesen Worten also darauf hin, dass er mit seinem Geist eins sei, und dass das die Grundlage der Wunder sei.
So wechselte er zwischen zwei Vorstellungen hin und her, über die die Evangelien in ihrer eigenen eingeschränkten Art berichten.
Einerseits sagte Jeshua manchmal: »Ich und der Vater sind eins«, und zu anderen Zeiten sagte er: »Ohne meinen Vater vermag ich nichts«. Das sind die beiden Pole, die sich durch den Einweihungsprozess ergeben. Der Eingeweihte pendelt hin und her zwischen der Kraft und Überzeugung seiner Verbindung zur Geist-Quelle einerseits und dem Geisteszustand andererseits, in dem er erkennt, dass er nichts ist und ohne den Geist nichts vermag.
Der eine Geisteszustand fühlt sich allmächtig an, der andere ohnmächtig. Der Eingeweihte muss sich zwischen diesen beiden hindurch bewegen. Als Miteingeweihte erkannte ich an diesen Worten Jeshuas, dass er sich mitten in diesem Paradox befand.
Er lebte im Bewusstsein dieses Paradoxes bis zu dem Abend im Garten Gethsemane. Denn vor seiner Zeit im Garten, von der die Evangelisten erzählen, war er zu mir gekommen, und wir praktizierten zum letzten Mal die Vier Schlangen. Unser Zusammensein war von großer Intensität, denn wir wussten beide, dass die Zeit nahte.
Jeshuas Ka-Körper funkelte vor Energie und Überzeugungskraft durch die explosiven Kräfte, die bei der Praktik freigesetzt worden waren. So gestärkt ging er in die letzten Stunden seines Lebens und trat seine Reise durch den Tod an. Die Male zuvor verbrachten wir jedoch oft – wie soll ich sagen – in einer Art Selbstbefragung.
Jeshuas Nachfolger, die, die sich Christen nennen, stellen sich gerne vor, dass er sich seiner Sache immer sicher war, im klaren Bewusstsein seiner Mission, und dass er nie wankte. Doch ich, die ich die Nächte mit ihm verbrachte,