anzunehmen, Ihr eigenes Ich zu stärken, er wird Ihnen überlebenswichtige Fähigkeiten vermitteln, einen Zugang zu Ihrer Kreativität und Ihrer inneren Weisheit eröffnen. Doch um das zu erreichen, ist Ihre aktive Mitarbeit gefragt. Der Prozess, den ich in diesem Buch anleite, hat viel damit zu tun, Ihre Individuation voranzutreiben. So wie jeder Geburtsprozess mit Schmerzen und Verlust zu tun hat, können Sie erwarten, dass auch Sie vielleicht durch Phasen von Trauer und von Euphorie gehen. Sie verabschieden sich vielleicht von einem alten, aber bequemen Ich, einer Identität, die jetzt zu klein geworden ist. Sie werden die Gelegenheit erhalten, jene Wunden zu heilen, die Ihr Selbstwertgefühl einst verletzt haben. Dieses Buch versorgt Sie mit Treibstoff, doch fahren müssen Sie selbst. Probieren Sie es einfach aus!
Willkommen im Trainingscamp! Hilfreiche Überlebenswerkzeuge
Wie Sie dieses Buch am besten verwenden
Dieses Buch wird seine volle Kraft entfalten, wenn Sie die beschriebenen Übungen und Methoden aktiv anwenden. Die Kapitel in diesem Buch bauen logisch aufeinander auf. Es wäre ratsam, wenn Sie die darin enthaltenen Übungen nacheinander absolvieren. Wir haben keine Eile. Es gibt keine Aufgaben, die Sie innerhalb einer gegebenen Zeit umsetzen sollten. Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie mögen. Wenn Sie jedoch neugierig sind, können Sie gleich die Themen nachschlagen, die Sie aktuell am meisten interessieren.
Der Heilungsort
Wo beginnt die Reise? Stellen Sie sich ein Basislager in einer von Ihnen gewählten Landschaft vor. Dies kann eine Art Kraftplatz sein, also ein Ort, wo Sie Energie und Stärke tanken, an dem es Ihnen gut geht. Von dort aus unternehmen Sie eine Expedition. Es kann auch hilfreich sein, in Ihrer Wohnung oder in Ihrem Haus ebenfalls einen Platz einzurichten, der Sie bei der Erforschung Ihrer Hochsensibilität unterstützt. Das kann eine Leseecke mit einem wunderschönen Sitzkissen oder einer besonderen Decke sein oder ein Schreibtisch, an dem Sie schreiben. Stellen Sie eine Pflanze dort auf, die Sensibilität ausdrückt. Eine hochsensible Freundin hat im Sommer eine riesige Mimose gekauft. Vielleicht lieben Sie Steine, Muscheln oder andere Naturmaterialien? Lassen Sie sich ruhig etwas Schönes einfallen, das Ihr Herz zum Klingen bringt. Geben Sie sich einfach die Erlaubnis, diese kleinen Freiheiten auszukosten. Falls Sie eine innere Landschaft als Ihren Kraftort identifiziert haben, wäre es eine schöne Übung, diese zu malen oder ein Foto zu finden, das dieser Landschaft nahekommt. Sie können dieses Bild über Ihrem Schreibtisch oder in Ihrer Entspannungsecke aufhängen, um sich immer, wenn Sie es brauchen, daran zu erinnern.
Das HSP-Tagebuch
Wann haben Sie zuletzt Tagebuch geführt? Als Kind? Nie? Letzte Woche? Beginnen Sie gleich in der nächsten Woche, Ihr eigenes HSP-Tagebuch zu führen. Kaufen Sie sich ein wunderschönes Schreibbuch, das Ihre Gefühle anspricht. Es geht nicht darum, darin alle Ereignisse des Tages festzuhalten. Es ist vielmehr dazu gedacht, Ihr persönliches Erleben der Welt und der Menschen darin niederzuschreiben. Die meisten Hochsensiblen kämpfen damit, dass sie ihrer eigenen Wahrnehmung nicht trauen, häufig stellt ihre Umwelt ihre Gefühle, Gedanken, Entscheidungen und Werte infrage. Ein Tagebuch dient dazu, dass Ihnen jemand unvoreingenommen zuhört. Hier haben Sie Platz, Ihr eigenes Universum zu entfalten. Der Wert des Tagebuchschreibens kann nicht überschätzt werden. Doch weil es mit Zeit und Arbeit verbunden ist, scheuen viele Menschen davor zurück. Doch wie viel Zeit verbringen Sie damit, die Informationen aus Ihrer Umwelt zu verdauen, indem Sie Nachrichten schauen, E-Mails lesen, sich die Telefonanrufe von Freunden anhören, die bei Ihnen Rat suchen, oder den Klatsch und Tratsch im Büro? Wann haben Sie Zeit für sich allein? Wann hören Sie sich selbst zu? Das Tagebuchschreiben fördert die Kommunikation mit dem Selbst und klärt Gedanken und Gefühle. Vielleicht haben Sie auch ein intensives Traumleben wie viele andere Hochsensible. Träume sind der Zugang zur Seele, zum Unterbewusstsein. Durch das Aufschreiben vertiefen Sie die Verarbeitung Ihrer Träume, und Sie werden einen unschätzbaren Schlüssel in der Hand halten, der Ihnen hilft, Ihr Leben besser zu verstehen.
Die innere Landkarte und der Kompass
Zu jedem Überlebenstraining gehört der Umgang mit Kompass und Karte. Wenn ich nicht weiß, wo ich mich gerade befinde, kann ich auch kein Ziel anstreben. Ich gehe davon aus, dass viele meiner Leserinnen und Leser bereits mindestens ein Buch zum Thema Hochsensibilität gelesen haben. Wenn nicht, lade ich Sie ein, im Kapitel 2 herauszufinden, ob Sie hochsensibel sind. In diesem Buch möchte ich über bloße Theorie hinausgehen. Es reicht also nicht aus, die Karte zu kennen, wir müssen auch in der Lage sein, uns draußen im Leben zurechtzufinden. Doch lassen Sie uns mit der Karte beginnen. In wohl jedem Piratenfilm gibt es eine Schatzkarte und einen Kompass. Landkarten sollen uns Orientierung in einem unbekannten Gebiet geben. Wo ist Norden, wo ist Süden, Osten, Westen? Tatsächlich werden wir in der Kindheit und Jugend mit einer Karte ausgestattet, die uns von unseren Vorfahren gegeben wird. Wir erhalten Orientierungspunkte darüber, wie die Welt scheinbar ist und funktioniert, darüber, wie Männer sind, wie Frauen zu sein haben, was sich gehört und wie man sich benimmt. Uns werden Werte vermittelt und Regeln, um uns zu helfen, ein Teil der Gesellschaft zu werden. Doch beschreibt diese Karte auch Ihre Wahrheit, Ihre „Wahr-Nehmung“ als Hochsensibler? Oder sind die Orientierungspunkte von Menschen erstellt worden, die nicht hochsensibel waren oder ihre eigene Sensibilität verleugnet haben? Im Verlauf des Buches haben Sie die Gelegenheit, Ihre eigene Karte zu zeichnen. Der Kompass sollte das eigene Bauchgefühl sein. Doch können Sie sich schon darauf verlassen?
Die HSP-Gruppe
Besuchen Sie eine Selbsthilfegruppe für Hochsensible in Ihrer Nähe, oder gründen Sie selbst eine. Im Anhang dieses Buches finden Sie hilfreiche Internetadressen, aus denen Sie erfahren können, wo es bereits in Ihrer Umgebung eine Gruppe gibt. Der Austausch in der Gruppe ist eine wertvolle Erfahrung, die Ihr Selbstwertgefühl enorm stärken kann. Die regelmäßigen Treffen bieten Ihnen die Gelegenheit, sich durch andere Hochsensible zu reflektieren. Endlich nicht mehr allein, sondern unter Gleichgesinnten dürfen Sie dort offen über Ihre Wahrnehmungen, Wünsche, Probleme und Bedürfnisse sprechen. Lassen Sie sich diese Wohltat nicht entgehen. Alternativ können Sie sich einen Verbündeten suchen. Manchmal brauchen wir einfach jemanden, der uns zuhört und uns so annimmt, wie wir sind. Idealerweise sollte dies eine Person sein, die auch hochsensibel ist oder zumindest so viel Tiefgang und Wertschätzung besitzt, dass sie für persönliche Entwicklung offen ist und sich selbst auf dem Weg der Heilung befindet. Das sind die Menschen, die Sie wirklich verstehen können.
KAPITEL 2: WAS IST HOCHSENSIBILITÄT? |
Ursprung des Begriffs
Elaine Aron
Viele Menschen, die zum ersten Mal davon hören, glauben, dass Hochsensible sich alles zu sehr zu Herzen nehmen, dass sie emotional labil und nicht belastbar seien. Doch der eigentliche Ursprung der Terminologie hat mit der Sensitivität zu tun, eben mit der feinen Wahrnehmung. Wie ich bereits weiter oben erwähnt habe, wurde das Phänomen der Hochsensibilität erstmals von der amerikanischen Psychotherapeutin und Universitätsprofessorin Elaine Aron beschrieben. Der Begriff HSP leitet sich aus dem Englischen ab, was so viel wie „Hochsensible Person“ bedeutet. In der Veröffentlichung von 1990 mit dem Titel „Sensory prozessing sensitivity and its relation to introversion and emotionality“ beschrieb Dr. Aron hochsensible Menschen und ihre Eigenschaften. Den ersten Teil des Buchtitels könnte man mit Sensorische Verarbeitungssensitivität übersetzen. Dr. Aron geht davon aus, dass die Veranlagung zur Hochsensibilität vorrangig vererbt wird. Da sich die Verteilung dieses Merkmals innerhalb der Bevölkerung auf ca. 15 bis 20 % beschränkt, erleben sich HSPs von klein auf als „anders“ und in der Minderheit.
Die Experimente des russischen Wissenschaftlers Pawlow
Der Wissenschaftspionier wurde berühmt durch seine Arbeit mit Hunden, an denen er das Prinzip der „klassischen Konditionierung“ zeigte. Pawlow setzte in einem anderen Experiment Versuchspersonen einem sehr lauten akustischen Reiz aus. Er wollte herausfinden, wann die Schmerzgrenze erreicht wurde. Statt einer für die meisten psychologischen Phänomene üblichen Normalverteilung, innerhalb derer sich alle Personen einordnen