will, werfe ich meistens die Feder weg, weil ich nicht so zu schreiben im Stande bin, wie ich fühle. Ich erinnere mich aller Liebe, die du mir stets bewiesen hast; z. B. wie du mein Zimmer [in der Wenzelgasse in Bonn] weissen ließest u. mich so angenehm überraschtest, – eben so von der Familie Breuning. Kam man von einander, so lag dieß im Kreislauf der Dinge; jeder mußte den Zweck seiner Bestimmung verfolgen, u. zu erreichen suchen. Allein die ewig unerschütterlichen, festen Grundsätze des Guten hielten uns dennoch immer fest zusammen verbunden. – […] Du schreibst, daß ich irgendwo als natürlicher Sohn des verstorbnen Königs von Preussen angeführt bin; man hat mir davon schon vor langer Zeit ebenfalls gesprochen. Ich habe mir aber zum Grundsatze gemacht, nie weder etwas über mich selbst zu schreiben, noch irgend etwas zu beantworten, was über mich geschrieben worden. Ich überlasse dir daher gerne, die Rechtschaffenheit meiner Ältern, u. meiner Mutter insbesondre, der Welt bekannt zu machen. – […]
Vor Kurzem hat ein gewisser Dr. Spicker [der Bibliothekar der Königlichen Bibliothek in Berlin Samuel Heinrich Spiker] meine letzte große Symphonie mit Chören [9. Sinfonie op. 125] nach Berlin mitgenommen; sie ist dem Könige gewidmet, u. ich mußte die Dedication eigenhändig schreiben. Ich hatte schon früher bey der Gesandtschaft um die Erlaubniß, das Werk dem Könige zueignen zu dürfen, angesucht, welche mir auch von ihm gegeben wurde. Auf Dr. Spickers Veranlassung musste ich selbst das corrigirte Manuskript mit meinen eigenhändigen Verbesserungen demselben für den König übergeben, da es in die k. Bibliothek kommen soll. Man hat mir da etwas von dem rothen Adler-Orden 2ter Klasse hören lassen; wie es ausgehn wird, weiß ich nicht, denn nie habe ich derley Ehrenbezeugungen gesucht. Doch wäre sie mir in diesem Zeitalter wegen Manches Andern nicht unlieb. [Beethoven blieb die Ehrung, die Wegeler (Roter Adler-Orden 1830 zunächst 3. Klasse, 1839 dann 2. Klasse) für seine Verdienste als Medizinalbeamter erhielt, verwehrt. Er erhielt lediglich ein Dankschreiben und einen Brillantring.]
– Es heißt übrigens bey mir immer: Nulla dies sine linea [»Kein Tag ohne Linie«, Sprichwort abgeleitet von Plinius’ d. Ä.; Anekdote über den Maler Apelles], u. la[s]se ich die Muse schlafen, so geschieht es nur, damit sie desto kräftiger erwache. […]
Mein geliebter Freund! Nimm für heute vorlieb, ohnehin ergreift mich die Erinnerung an die Vergangenheit; u. nicht ohne viele Thränen erhältst du diesen Brief. Der Anfang ist nun gemacht, u. bald erhältst du wieder ein Schreiben; und je öfter du mir schreiben wirst, desto mehr Vergnügen wirst du mir machen. Wegen unsrer Freundschaft bedarf es von keiner Seite einer Anfrage, u. so lebe wohl; ich bitte dich, dein liebes Lorchen u. deine Kinder in meinem Nahmen zu umarmen u. zu küssen, u. dabey meiner zu gedenken. Gott mit euch allen!
Wie immer dein treuer, dich ehrender wahrer Freund
Beethoven
an Franz Gerhard Wegeler in Koblenz, geschrieben Wien, 7. Dezember 1826, versandt am 17. Februar 1827, fünf Wochen vor seinem Tod
Im Umgang mit seinen Wiener Freunden
Beethoven hatte in seinen Wiener Jahren etliche enge Bezugspersonen, die ihm vielfach verbunden und nicht zuletzt in alltäglichen Angelegenheiten behilflich waren. Sie lösten sich manchmal ab, da der Komponist wiederholt Konflikte mit ihnen hatte und dann andere Freunde (zumindest vorübergehend) in den Mittelpunkt rückten. Über den Daumen gilt die Grundregel: je näher er ihnen war, desto mehr nahm er sie sprachlich auf den Arm: Wortwitz als Zeichen freundschaftlicher Verbundenheit.
Nikolaus Zmeskall von Domanovecz und Lestine
Nikolaus Zmeskall de Domanovecz (1759–1833), wie er sich nannte, war ein ungarischer Adeliger (aber kein Freiherr/Baron), der seit 1783 in Wien lebte und in führender Position bei der ungarischen Hofkanzlei angestellt war. Er war – wie viele Beamte der damaligen Zeit – dilettierender Musiker, nach damaligem Sprachgebrauch also ein begabter Musiker, der lediglich nicht davon seinen Lebensunterhalt bestritt. Zmeskall war Cellist und komponierte – sogar Streichquartette, die damals anspruchsvollste musikalische Gattung. Er war insofern äußerst wichtig für Beethovens kompositorische Produktion, als er über längere Zeit für Kauf und Zuschnitt von Schreibfedern (meist Gänsekiele) verantwortlich zeichnete.
liebster Baron Dreckfahrer je vous suis bien obligè pour votre faiblesse de vos yeux. [betrifft eine von Zmeskall geliehene Brille, die vielleicht auch Anlass für die Komposition des Duetts mit zwei obligaten Augengläsern WoO 32 war] – übrigens verbitte ich mir in’s künftige mir meinen frohen Muth, den ich zuweilen habe, nicht zu nehmen, denn gestern durch ihr Zmeskal-domanovezisches geschwäz bin ich ganz traurig geworden, hol’ sie der Teufel, ich mag nichts von ihrer ganzen Moral wissen, Kraft ist die Moral der Menschen, die sich vor andern auszeichnen, und sie ist auch die meinige, und wenn sie mir heute wider anfangen, so plage ich sie so sehr, bis sie alles gut und löblich finden was ich thue (denn ich komme zum schwanen [das Gasthaus »Zum weissen Schwan« am Neumarkt], im Ochsen wärs mir zwar lieber, doch beruht das auf ihrem Zmeskalischen-domanovezischen Entschluß. (reponse) adieu Baron Ba….. ron r o n nor | orn | rno | onr |
(voila quelque chose aus dem alten versazAmt[)].
an Nikolaus Zmeskall von Domanovecz und Lestine, Wien, um 1798
mein liebster Baron barone, baron! –
domanovitz
ich bitte sie, heute eine Freundschaft der andern aufzuopfern, und in den Schwanen zu kommen – sie werden dadurch sehr verbinden
ihren ExGrafen Bthwn.
baron? baron ron aron ron – etc heil und Glück
glück und heil und heil und glük, glück,
heil, heil, glück etc.
baron
baron
baron
baron
an Nikolaus Zmeskall von Domanovecz und Lestine, Wien, um 1798
Der Musik-Graf ist seit heute infam kassirt. –
Der erste Geiger [Ignaz Schuppanzigh] wird in’s Elend nach Siberien transportirt.
Der Baron hat einen Ganzen Monath das Verboth nicht mehr zu fragen, nicht mehr voreilig zu seyn, sich mit nichts als mit seinem ipse Miserum sich abzugeben
B
an Nikolaus Zmeskall von Domanovecz und Lestine, Wien, vielleicht November 1809
Ich melde ihnen nur, daß ich hier und nicht da bin, und wünsche ebenfalls von ihnen zu wißen, ob sie da oder hier sind. – ich mögte sie einige Augenblicke sprechen, wenn ich sie zu Hause allein weiß – leben sie wohl aber nicht wollüstig – Inhaber Kommandant Pascha verschiedener Morscher Festungen!!!!! [gemeint sind wohl leichtlebige Damen] –
in Eil ihr Freund
Beethowen
an Nikolaus Zmeskall von Domanovecz und Lestine, Wien, 16. Oktober 1815
Ich danke ihnen Herzlich mein lieber Z für ihre mir gegebenen Erörterungen, was die Festungen anbelangt, so dächte ich, daß sie von mir die Meynung hätten, mich nicht in Sumpfigten Gegenden aufhalten zu wollen, übrigens ist es bey mir schwerer als irgendwo eine Haußhaltung einzurichten, denn ich verstehe davon nichts gar nichts, Fehltritten werde ich wohl immer ausgesezt seyn – nun was ih[r]en ersten Brief anbelangt, was soll ich darauf sagen, schon von Kindheit an habe ich mich alles guten andrer Menschen gern erinnert, u. es immer im sinn behalten, darauf kam auch die Zeit, wo besonders in einem Verweichlichten Jahrhundert dem Jüngling auch selbst etwas untoleranz zu seyn zu verzeihen war, nun aber stehn wir als Nazion wieder kraftvoller da, u. wie auch ohne dieß ich mir später eigen zu suchen gemacht habe, nicht den ganzen Menschen wegen einzelner Schwächen zu verdammen, sondern gerecht zu seyn, das gute vom Menschen im Sinne zu behalten, u. hat sich dieses nun sogar in geäußerten Handlungen gegen mich bezogen, so habe ich mich nicht allein als Freund des ganzen Menschengeschlechts sondern noch auch besonders einzelne darunter immer als meine Freunde angesehn und auch genannt, So in diesem Sinne nenne ich Sie denn auch meinen Freund, wenn auch in