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Nationalsozialismus und Holocaust – Materialien, Zeitzeugen und Orte der Erinnerung in der schulischen Bildung


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und Gedenken im Kontext zeitgenössischer Kunst in Niederösterreich

       Robert Obermair:

       Über den Tauern nach Israel – Lokales Erinnern als Chance für die Vermittlungsarbeit

       Nadja Danglmaier:

       Erinnerungsarbeit als Bildungsarbeit an Orten des NS-Terrors in Kärnten – Herausforderungen und Chancen

       Johannes Spies:

       Zur Darstellung der NS-Geschichte in Vorarlberger Jungbürgerbüchern nach 1945

       Horst Schreiber:

       „Nationalsozialismus in den österreichischen Bundesländern“: Die Jugendsachbuchreihe von _erinnern.at_

       Herbert Brettl:

       Das Netz ist sehr dicht geworden. 20 Jahre dezentrales Netzwerk am Beispiel Burgenland

       Auseinandersetzung mit Antisemitismus

       Werner Dreier:

       „Die Tirolerin, die ich bin, und die Antizionistin, die ich wurde …“ – Antisemitismus, Schule und Öffentlichkeit

       Maria Ecker-Angerer, Werner Dreier:

       Vom Lernheft zu „Stories that Move“: Die Stimmen der Jugendlichen im Zentrum

       Axel Schacht:

       „Fluchtpunkte“: Der Konflikt im Nahen Osten und wir

       Autorinnen und Autoren

      Martina Maschke und Manfred Wirtitsch

      20 Jahre _erinnern.at_ – Das Bildungsministerium als Auftraggeber

      Seit Mitte der 1970er-Jahre hat sich die für Politische Bildung zuständige Abteilung des jeweiligen für Unterrichtsangelegenheiten zuständigen Bundesministeriums intensiv für eine Vermittlung der österreichischen NS-Vergangenheit eingesetzt. Unter anderem wurden seit 1976 regelmäßig Überlebende des Holocaust aus den unterschiedlichsten Opfergruppen als Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in den Schulunterricht eingeladen, anfangs sogar von Historikerinnen und Historikern österreichischer Universitäten begleitet.

      1978 wurde erstmals ein Zeitzeugenseminar durchgeführt, bei dem Lehrkräfte gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen intensiv Inhalte für den Zeitgeschichteunterricht erarbeiteten, Kontakte für Zeitzeugenbesuche in Schulen knüpfen konnten und damit zu einer guten Verankerung von Zeitzeugenbesuchen im Schulunterricht beitrugen. Diese Seminarreihe wurde seither kontinuierlich weitergeführt, sämtliche Kosten wurden vom Unterrichtsministerium getragen. Dennoch muss eingestanden werden, dass damit noch keine systematische und flächendeckende Auseinandersetzung – wie ab den 2000er-Jahren – erfolgte.

      Eine neue Dynamik erhielt die Auseinandersetzung um die österreichische Vergangenheit durch die seit Mitte der 1980er-Jahre geführten nationalen und internationalen Debatten. Die sogenannte Waldheim-Affäre löste einen breiten gesellschaftlichen Diskurs in Österreich aus, der Grundlage für ein langsam sich formierendes Umdenken wurde: hin zu einer Aufgabe des Opfernarrativs – dieser durch die Politik beförderten Entlastungshaltung, die auf einer verkürzten Bezugnahme zur Moskauer Deklaration beruht, die besagt, „dass Österreich das erste freie Land, das der typischen Angriffspolitik Hitlers zum Opfer fallen sollte, von deutscher Herrschaft befreit werden soll“. In diesem Narrativ wurde der zweite Satz mit nicht minder folgenschwerer Bedeutung von Beginn an ausgeblendet: „Österreich wird aber auch daran erinnert, dass es für die Teilnahme am Kriege an der Seite Hitler-Deutschlands eine Verantwortung trägt, der es nicht entrinnen kann, und dass anlässlich der endgültigen Abrechnung Bedachtnahme darauf, wieviel es selbst zu seiner Befreiung beigetragen haben wird, unvermeidlich sein wird.“ Die internationale Gemeinschaft mahnte daher Österreich vehement, seinen verhaltenen Umgang mit der Vergangenheit zu einer aufrichtigen, (selbst-)reflexiven und den internationalen historiografischen Standards entsprechenden Auseinandersetzung hinzuführen. Die berühmte Rede von Bundeskanzler Franz Vranitzky 1993 in der Knesset schließlich stellte das erste internationale offizielle Eingeständnis Österreichs seiner Mitverantwortung für die Schrecknisse des Zweiten Weltkrieges und der Shoah dar. Dieser Paradigmenwechsel ebnete den Weg zur Stabilisierung der israelisch-österreichischen Beziehungen.

      Im Bildungsministerium führte dies in der Folge zu einer erheblichen Zunahme diplomatischer Vorsprachen von Delegationen aus Israel und den USA, die sich nach dem Stand der bildungspolitischen Maßnahmen im Bereich der Holocaust Education erkundigten. Damit verbunden war auch die Einladung, mit der nationalen israelischen Holocaust Gedenk- und Forschungsstätte Yad Vashem in Kontakt zu treten.

      1996 wurde das erste bilaterale Memorandum zwischen Israel und Österreich in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kultur unterzeichnet. Damit konnte erstmals eine bilaterale Zusammenarbeit im Bereich Holocaust Education verankert werden. Das vom damaligen österreichischen Unterrichtsministerium ins Leben gerufene Projektteam „Nationalsozialismus und Holocaust – Gedächtnis und Gegenwart“ (später wurde der Name in _erinnern.at_ umgewandelt) entwickelte gemeinsam mit Yad Vashem für österreichische Lehrkräfte ein eigenes Fortbildungsseminar in Israel, das im Jahr der EU-Sanktionen gegen Österreich (2000) seine erstmalige Umsetzung fand. Diese Seminare bildeten den Beginn von _erinnern.at_.

      In Zusammenarbeit der Abteilungen „Bilaterale Internationale Angelegenheiten“ und „Politische Bildung“ wurden Überlegungen und neue Zugänge zu Nationalsozialismus und Holocaust, Erinnern und Gedenken aufgegriffen. Das Vermittlungsprogramm für Zeitzeuginnen und Zeitzeugen an Schulen haben viele Lehrkräfte dabei gut als Grundlage bzw. Ausgangspunkt genutzt, um eine ehrliche, offene, den demokratischen Prinzipien entsprechende politisch-historische Bildung bei jungen Menschen in den Schulen anzubahnen und zu festigen. Die vielfach vorliegenden Ergebnisse aus Wissenschaft und Forschung – auch zahlreicher nationaler Forschungsvorhaben – zu Verstrickung von Österreicherinnen und Österreichern in die NS-Strukturen, zu Gewaltstrukturen und Gewaltausübung des NS-Regimes, zu Widerstand sowie zu Verfolgung und Ermordung von tausenden Menschen auf ehemals österreichischem Staatsgebiet entsprachen dem internationalen Stand der Forschung und es lag nahe, dass diese auch Eingang in den Schulunterricht finden sollten. Selbst wenn Lehrpläne und Schulbücher diese Thematik nicht ausließen, erschienen Aussagen von Schülerinnen und Schülern durchaus glaubhaft, dass diese Themen im Unterricht nicht vorkämen oder bloß oberflächlich behandelt werden würden.

      Relativ früh wurde dabei für beide Abteilungen im Ministerium offensichtlich, dass es zur Weiterentwicklung der schulischen