Pete Hackett

Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane


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dessen glatter Kolben aus dem staubüberpuderten Scabbard ragte.

      Von der Seite preschte ein Reiter aus dem stickigen gelben Staubwehen heraus.

      „Greg!“, krächzte er. „Höllenfeuer, da bist du ja, Greg! Ich dachte schon, sie hätten dich erwischt!“

      „Mike! Was ist los?“

      Der alte graubärtige Cowboy zog schon wieder seinen Gaul herum. Über die Schulter zurück brüllte er: „Indianer, Greg! Comanchen! Sie wollen die Herde in Stampede jagen, diese rothäutigen Halunken!“

      Dann verschluckte ihn bereits wieder die Wolke aus Staub, die zwischen den Hügeln quirlte.

      Greg galoppierte hinter ihm her. Neben ihm waren brüllende Rinder, die mit gesenkten Schädeln und hochgereckten Schwänzen nach Norden donnerten. Sie rannten so schnell, dass es Gregs Braunen Mühe kostete, Schritt zu halten. Die Erde schien unter den Tausenden von stampfenden Hufen zu zittern.

      Die Comanchen hatten erreicht, was sie wollten: Die Herde war in Stampede gefallen! Dreitausend Longhorns, die nicht mehr zu halten waren, die in wilder, mörderischer Panik dahinstürmten – eine tödliche Walze für jedes Hindernis, das sich ihnen in den Weg stellen sollte.

      Durch den dichten Staub sah Greg plötzlich das Flammen von Schüssen. Die Detonationen gingen im Gedröhn der dahinstürmenden Herde unter.

      Schattenhafte Reitergestalten jagten hin und her. Greg holte den Karabiner aus dem Scabbard. Im vollsten Galopp riegelte er eine Patrone in den Lauf. Rechts von ihm brachen auf einmal zwei geduckte Reiter aus den Hügeln hervor. Der Staubschleier zerfetzte.

      Sekundenlang sah Greg zwei braune verzerrte Gesichter über flatternden Mustangmähnen. Die Münder waren aufgerissen, aber das gellende Geschrei versank ebenfalls im tosenden Lärm der Stampede.

      Im nächsten Moment klatschte etwas wuchtig neben seinem Oberschenkel in den schweren McClellan Sattel. Aus den Augenwinkeln sah Greg den gefiederten Schaft eines vibrierenden Pfeils, riss das Gewehr hoch und feuerte.

      Ein Indianermustang brach nach vorne ein, überschlug sich, und sein Reiter verschwand im dichten Staub. Der zweite Comanche riss seinen Gaul herum. Ein Feuerstrahl raste auf Greg zu. Er hörte das Pfeifen der Kugel über sich, repetierte blitzschnell und zog nochmals den Abzugshebel durch.

      Mit hochgeworfenen Armen kippte der Indianer seitlich vom jagenden Pferd.

      „Gut gemacht, Amigo!“, schrie jemand dicht neben Greg durch den brandenden Lärm.

      Er riss den Kopf herum und sah Old Mike Tipstones ledernes Gesicht durch den Staubschleier schimmern. Die hellen Augen des Alten blitzten scharf. Er schwang eine langläufige Volcanic Rifle über seinem Kopf und preschte Steigbügel an Steigbügel neben Greg an der Herde entlang.

      „Weißt du“, drang seine krächzende Stimme verschwommen an Gregs Ohr, „woran mich das erinnert? Es ist genau wie damals …“

      Greg nickte grimmig.

      „Wie damals in Missouri, als du noch ein junger Hüpfer warst!“

      Tipstone starrte ihn entgeistert an.

      „Menschenskind, Junge, kannst du Gedanken lesen?“

      Greg wurde einer Antwort enthoben. Von vorne sprengte ein Reiter in gerader Richtung auf sie zu. Gregs Lippen wurden schmal, als er abermals den Karabiner hob und den Kolben an die Schulter presste.

      Im letzten Moment erkannte er Black Noel. Der lange Negerkoch hing schief im Sattel einer hochbeinigen Stute. Sein ebenholzschwarzes Gesicht war mit gelbem Staub gepudert. Aufgeregt rollte er die Augen.

      „Alle guten Geister!“, krächzte Tipstone. „Noel, solltest du nicht auf dem Küchenwagen sein?“

      Der Koch lenkte keuchend neben ihnen die Stute herum. Er zitterte am ganzen Körper und starrte Greg, der ihm am nächsten war, verzweifelt an.

      „Massa Williams!“, brachte er mühsam hervor. „Schnell, Massa Williams, schnell – ich fleh’ Sie an, Massa Williams!“

      „Angst vor den Indsmen, Noel! Sie werden nicht …"

      „Nicht das! Nicht das!“, Noel fuchtelte verzweifelt mit einer Hand durch die Luft.

      „Es geht um Miss Mary!“

      Mit einem Schlag wurde Gregs Gesicht steinhart. Er griff der Stute des Kochs hart in die Zügel.

      „Miss Mary? Was ist mir ihr?“ Gregs Herz klopfte wie rasend.

      Noel deutete schwitzend und keuchend nach vorne, wo die Herdenspitze vom Staub verhüllt wurde.

      „Auf dem Küchenwagen! Sie hat mich auf dem Wagen abgelöst, Massa Williams, damit ich mich um die Remuda kümmern sollte. Und jetzt …“ Der Schwarze schluchzte es fast, „… jetzt kann der Wagen jeden Augenblick von der Herde überrannt werden. Die Stampede …“

      Greg hörte schon nicht mehr. Er warf Old Mike einen flammenden Blick zu.

      „Oldtimer, bleib hier bei der Herde und gib auf die Comanchen acht!“

      Er wartete keine Entgegnung ab, gab seinem Braunen die Sporen und legte sich weit nach vorne auf den Pferdehals. Er konnte an nichts anderes mehr denken als an das Mädchen, das da vorne in den Hügeln jede Minute unter die tödlichen Hufe der erschreckten Longhorns geraten konnte!

      *

      Mary Lockwood saß mit kreidebleichem Gesicht auf dem Sitzbrett des Planwagens und hielt die langen Zügel krampfhaft in den schmalen Händen. Vor ihren Augen waren die staubbedeckten Rücken der vier Gespannpferde, die in wildem Galopp nordwärts in die Hügel hineinstoben. Hinter ihr tobte der Lärm der näherrückenden Herde.

      Der Wagen schaukelte und ächzte. Hinten unter dem Planendach polterten Kisten, Töpfe und Pfannen klirrten durcheinander.

      „Schneller!“, schrie Mary verzweifelt. „Um Himmels willen, schneller!“

      Schaum flockte vor den Nüstern der Pferde. Links und rechts gab es keine Möglichkeit zum Ausweichen. Da waren steile Hügelhänge mit verfilztem dürren Büffelgras. Die Pferde rannten mit flatternden Mähnen dahin. Die Sielen waren zum Zerreißen gestrafft. Knirschend mahlten die hohen Räder durch Sand und dürres Gras.

      Mary wagte nicht mehr, nach hinten zu schauen. Das anchwellende Donnern sagte ihr genug! Die Stampede holte auf! Hinter ihr rollte eine vernichtende Flut unaufhaltsam näher. Die Last des Wagens war zu groß, dass ihr die Zugpferde entkommen konnten.

      Nur noch wenige Minuten, dann würden die ersten Rinder links und rechts vom Fahrzeug auftauchen, dann würden die schweren stampfenden Leiber gegen den Wagen drücken – wie eine tödliche Zange. Sie wagte kaum zu denken, was dann passieren würde. Alles in ihr bäumte sich dagegen auf, dieses schreckliche Ende zu finden!

      „Weiter!“, gellte sie den Pferden zu. „Immer weiter, ihr Braven, schnell!“

      Sie sah die Peitsche neben sich auf dem Sitzbrett liegen. Eine Hand löste sich von den Zügeln und langte nach dem kurzen Stiel.

      Das linke Vorderrad geriet in eine grasverdeckte Mulde. Mit einem heftigen Ruck wurde die Achse herumgeschleudert. Mary schrie unwillkürlich auf. Einen Moment schien es, der Wagen würde das Gleichgewicht verlieren. Eine unsichtbare Riesenfaust schien dem Mädchen die Zügel aus der Hand zu reißen.

      Dann jagte das Gefährt auf vier Rädern weiter dahin. Mary streckte eine Hand aus, um die davonwirbelnden Zügel zu fassen, musste sich jedoch im nächsten Moment am Sitzbrett festklammern, um nicht vom schlingernden Wagen geworfen zu werden. Mit geweiteten Augen starrte sie auf die vier Gäule, die jetzt ohne Kontrolle vor der donnernden Herde herjagten.

      Das Schlingern nahm an Heftigkeit zu. Mary hatte das schreckliche Gefühl, eine riesige Faust kralle sich um ihre Kehle. Jeden Augenblick konnte das Fahrzeug umkippen!

      Die gelben Hügel flogen vorbei. Das Dröhnen der Hufe füllte schmerzhaft ihre Ohren. Dann hörte sie rechts