Pete Hackett

Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane


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nickte Kinross ungerührt.

      Nach diesen Worten war es eine Weile totenstill. Nur die Flammen knisterten leise.

      Dann spuckte Tipstone Kinross voller Verachtung vor die Füße. Tom Frazer sprang vor und schlug dem graubärtigen Weidereiter den Coltlauf über den Kopf. Tipstone brach lautlos zusammen.

      Mary wollte auf ihn zulaufen. Kinross’ scharfer Ruf hielt sie zurück: „Keine Bewegung! Das gilt für euch alle!“ Revolverhähne wurden knackend gespannt. Im Seilkorral schnaubten unruhige Pferde.

      Mit kratzender Stimme sagte Greg: „Kinross, wir sollten uns beeilen! Wenn man mir ein Pferd gibt, komme ich mit euch!“

      „Langsam, langsam, mein Lieber! Du stirbst noch früh genug! Zuerst werden wir deine Freunde entwaffnen. Ich möchte nicht in den Rücken geschossen werden, wenn wir reiten!“

      „Freunde?“, knurrte Torrence grimmig. „Er hat keine Freunde unter uns! Von mir aus könnt ihr ihm gleich eine Kugel durch den Kopf schießen.“

      Kinross blickte den Vormann schräg und forschend an. Mary rief empört: „Lee, so sollten Sie nicht reden!“

      „Ach was!“, murrte Torrence. „Was hat uns dieser Rumtreiber denn bisher anderes gebracht als Kummer?“

      „Eine billige Gelegenheit, mich loszuwerden, wie?“, fragte Greg leise.

      Torrence wich seinem Blick aus und schwieg. Mary stellte sich neben Greg, schaute Kinross furchtlos ins Gesicht und erklärte mit ihrer kühlen, entschiedenen Stimme: „Dieser Mann wird nicht mit euch reiten!“

      „Miss Mary“, sagte Greg hastig, „halten Sie sich da heraus! Dies ist allein meine Angelegenheit!“

      „Irrtum! Ich habe Sie als Herdentreiber angeworben, und ich denke nicht daran, auf Ihre Hilfe zu verzichten!“

      Greg lächelte bitter.

      „Ich hatte Sie schon als bessere Rechnerin kennengelernt!“

      Kinross knurrte: „Meine Schöne, Sie wollen doch nicht sagen, dass Ihre Kuhtreiber für diesen Satteltramp da kämpfen werden!“

      „Doch!“

      Kinross lächelte verächtlich. „Dann schauen Sie sich doch Ihre Leute an! Fragen Sie sie doch, wie weit sie gehen wollen!“ Sein beißender Ton trieb eine Blutwelle in Mary Lockwoods schmales Gesicht.

      Sie ließ ihren Blick über ihre Leute schweifen. Außer Greg waren da nur Torrence und Dillon. Noel, der schwarze Koch, zählte nicht. Er verstand es, ausgezeichnete Mahlzeiten zuzubereiten, aber ein Revolver wirkte in seiner Faust fehl am Platz.

      Tipstone lag noch besinnungslos im zertretenen Gras, und Carney hielt sich bei der Herde auf. Mary presste die roten Lippen zusammen. Ein Schatten verdüsterte ihr Gesicht.

      Torrence sagte rau: „Es hat keinen Sinn, Miss Mary! Ich denke nicht daran, für Williams mein Leben aufs Spiel zu setzen.“

      „Und Sie, Dillon?“

      Der schweigsame ernstblickende Cowboy schüttelte den Kopf.

      „Ich stimme Lee zu.“

      Mary ließ den Kopf sinken. „Es tut mir leid, Williams. Ich wollte, ich hätte Ihnen auch diesmal helfen können.“

      Er schaute ihr in die betrübten Augen, und für einen Moment vergaß er die tödliche Gefahr.

      „Schon gut, Miss Mary!“, murmelte er heiser. „Ich werde …“

      „Kein Palaver mehr!“, unterbrach Kinross hart. „Wir wollen es kurz machen. Schnallt jetzt ab, dann werden wir mit Williams verschwinden! Los, macht schon.“

      Torrence und Dillon lösten ihre Gürtelschnallen. Greg zögerte noch. Wenn erst einmal sein 45er am Boden lag, war er rettungslos verloren.

      Aber da war das Mädchen!

      Er konnte jetzt keinen verzweifelten Kampf heraufbeschwören, bei dem sie in den Kugelregen der Banditen geraten konnte! Seine Lippen wirkten wie ein messerscharfer Strich in seinem gestrafften sonnenbraunen Gesicht, als er den Revolvergurt mit der Waffe daran ins Gras klatschen ließ.

      „Tom!“, sagte Kinross zu Frazer. „Nimm ihn mit!“

      Die wulstigen Lippen zu einem breiten Grinsen verzogen, schob sich Frazer auf Greg zu.

      Im nächsten Sekundenbruchteil riss der stämmige Clay Dillon blitzschnell einen 22er Sharps Derringer mit vier kurzen Läufen aus der Innentasche seiner ärmellosen, Lederweste.

      Mit voller Lautstärke schrie er: „Zu Boden, Miss Mary!“

      *

      Gleichzeitig warf er sich auf die Knie, und die Kugeln, die Kinross und zwei seiner Leute abfeuerten, strichen über ihn hinweg in die hereinbrechende Nacht hinein. Noch in den Nachhall der Schüsse hinein peitschte Dillons Waffe.

      Ein Bandit griff sich aufschreiend an die Brust und kippte zur Seite gegen Kinross, der dadurch am Schießen gehindert wurde.

      Dillon schnellte schräg in die Höhe und feuerte nochmals. Wieder stürzte einer von Kinross’ Männern ins Gras. Die Hölle brach los!

      Torrence hatte sich blitzschnell nach seinem Revolver gebückt und sprang aus dem Lichtkreis.

      Greg warf sich gegen Frazer, der überrascht herumgewirbelt war. Ringend stürzten sie ins Gras. Der Koch hatte sich erschrocken unter den Küchenwagen geworfen und rief in wirrer Reihenfolge sämtliche Heiligen um Hilfe an.

      Kugeln schlugen ins Lagerfeuer und wirbelten einen Funkenregen in die Dunkelheit hinein. Schreie gellten durcheinander. Schüsse rasten in donnernder Serie. Vom Seilkorral kam durchdringendes Pferdegewieher.

      Tom Frazer bekam Gregs Kehle zu fassen und drückte mit aller Kraft zu. Der bärtige Bandit verfügte über wahre Riesenkräfte. Greg merkte verzweifelt, wie ihm die Luft wegblieb. Er stieß mit Fäusten und Füßen um sich, aber Frazers Griff lockerte sich nicht.

      Der wilde Lärm verschwamm in Gregs Ohren. Dann hörte er wie aus weiter Ferne eine helle Stimme fordern: „Lassen Sie ihn sofort los, sonst drücke ich ab!“

      Schlagartig lösten sich die klammernden Fäuste von seiner Kehle.

      Greg schnappte hörbar nach Luft. Er rollte von Frazer fort und richtete sich mühsam auf. Er sah, dass Frazer wie versteinert am Boden kniete. Eine Revolvermündung war in sein Genick gedrückt.

      Gregs Blick kroch weiter in die Höhe und traf auf Mary Lockwoods angespanntes Gesicht. Im Feuerschein, der sie von der Seite traf, schienen ihre Augen zu glühen.

      „Donnerwetter!“, murmelte Greg heiser. „Ich gerate immer tiefer in Ihre Schuld!“

      Dann wurde er sich bewusst, dass die Detonationen verstummt waren. Er schaute sich um. Zwei dunkle Gestalten lagen neben dem Feuer reglos am Boden. An ihrer steifen, seltsam verkrümmten Haltung erkannte er auf den ersten Blick, dass sie nie mehr aufstehen würden. Zwei weitere Banditen dauerten stöhnend nebeneinander und murmelten Verwünschungen vor sich hin. Kinross und zwei Männer standen mit erhobenen Händen vor dem Küchenwagen. Torrence nahm ihnen eben die Waffen ab, während Dillon sie mit dem Derringer in der. Rechten und einem 45er Colt in der Linken in Schach hielt.

      Sekundenlang hatte Greg das Verlangen, sich einfach zu setzen und die Augen zu schließen. Er rang die Schwäche nieder, atmete tief und zwang sich, nicht mehr daran zu denken, wie knapp er diese Sache überstanden hatte. Wortlos nahm er Mary den Colt aus der Hand, entwaffnete Frazer und befahl ihm, zu den anderen Desperados hinüberzugehen.

      Dillon schaute ihm ruhig entgegen.

      „Zufrieden, Williams?“

      Impulsiv streckte ihm Greg die Hand hin.

      „Ich wette, Dillon, ohne Ihr Eingreifen wäre ich jetzt schon tot!“

      „Diese Wette würden Sie haushoch gewinnen!“, erwiderte