Rudi Kost

Dillinger tritt ab


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es kommen musste. Der Klassiker. Schwiegermutter und Schwiegertochter kamen nicht miteinander zurecht. Sie hat sich in alles eingemischt, auf so eine hinterhältige, giftige Art. Und es wurde noch schlimmer, als Frieders Vater starb. Da schwang sich die gute Gisela zur alles beherrschenden Patriarchin auf. Und Frieder, mein Mann, der Chef eines Bauunternehmens, wurde wieder zum kleinen Buben, der am Rockzipfel seiner Mutter hing. Mit seinem Vater hat er wenigstens noch ausgiebig gestritten, bei der Mutter wagte er es nicht. Es war nicht zum Aushalten.«

      »Deshalb das eigene Haus hier. War bestimmt nicht einfach, deinen Mann dazu zu überreden.«

      Sie drehte sich zu mir um und lächelte.

      »Es blieb ihm nichts anderes übrig.«

      »Hat sich dadurch dein Verhältnis zur Familie gebessert?«

      »Hier bin ich die Chefin. Das ist das Einzige, was zählt.«

      »Du hast vorhin einen Bruder erwähnt.«

      Sie kam wieder herüber zur Sofalandschaft, griff nach ihrem leeren Glas und hielt es mir auffordernd hin. Ich schenkte nach. Sie ließ sich mit untergeschlagenen Beinen in eine Ecke sinken. Weit genug weg von mir, damit ich den Anblick bewundern konnte.

      Sie nahm einen kräftigen Schluck.

      »Der Schwiegervater wollte es in seinem Testament gerecht machen«, sagte sie. »Die Frau bekommt das Haus und zehn Prozent der Firmenanteile, die beiden Söhne erben die restlichen 90 Prozent zu gleichen Teilen. Vielleicht wollte Frieder mit diesem Testament auch ein Friedensangebot machen.«

      »Moment – was hatte dein Mann mit dem Testament zu tun?«

      »Frieder der Ältere. In dieser Familie heißen alle Erstgeborenen Frieder.«

      »Und die Mädchen?«

      »Die gelten nichts, da darfst du frei wählen. Großzügig, nicht wahr? Die Schwiegermutter nimmt mir bis heute übel, dass ich nur ein Mädchen geboren habe und danach keine Kinder mehr wollte.«

      Sie hielt mir erneut ihr leeres Glas hin, doch in der Flasche war nur noch ein kümmerlicher Rest.

      »Köpfen wir noch eine«, sagte sie. »Ich seh’s dir an, dass du noch viele Fragen hast.«

      Sie stand auf und ging in die Küche. Ich sah ihr nach. Sie ging beschwingt, aber ohne Schwanker oder Aussetzer. Diese Frau war erstaunlich trinkfest.

      Sie reichte mir die Flasche, ich entkorkte sie und schenkte nach. Ihr mehr, mir weniger.

      Sie setzte sich näher zu mir. Ziemlich viel näher.

      »Was wollte ich sagen? Ach ja, Alex, der Bruder. Der ist sozusagen aus der Art geschlagen. Hat sich nie für die Firma interessiert, er fühlt sich zum Künstler berufen. Und da die Schindels nun mal alle fürchterliche Dickschädel sind, hat er das durchgezogen, mit Studium und allem. Für eine Familie, die seit Generationen Handwerker hervorgebracht hat, war das ein schwerer Schlag. Damit konnten sie nichts anfangen, das war außerhalb ihrer Welt. Gab auch viel Zoff deswegen, ich habe es miterlebt. Ich denke, sein Vater hat sich irgendwann damit abgefunden, wenn er es auch nie wirklich akzeptieren konnte, deshalb die Hälfte der Firma als Erbe. Vielleicht war es auch die Hoffnung, dass der Junge es sich anders überlegt und doch noch zur Vernunft kommt, also in die Firma einsteigt.«

      »Wenn ich mich recht erinnere, hast du gesagt, dass Alex fünf Prozent der Firma hält.«

      Sie nickte. »Alex ist natürlich nicht zur Vernunft gekommen. Das Einzige, was ihn an der Firma interessierte, war die Gewinnausschüttung. Alex ist sensationell erfolglos, was mich nicht wundert bei seinen Werken, und deshalb immer klamm. Und er hat nie verstanden, weshalb man den Großteil des Gewinnes in der Firma belässt und nicht vollständig ausschüttet. Frieder hat ihn nach und nach ausbezahlt, wie es die Geschäfte eben zuließen. Gereicht hat es Alex nie, die Brüder lagen sich deswegen ständig in den Haaren.«

      »Was passiert jetzt mit der Firma? Wirst du sie weiterführen?«

      »Ich? Ganz bestimmt nicht!«

      »Habe ich mir fast schon gedacht. Du firmierst ja auch nicht als Geschäftsführerin, sondern ein gewisser Eduard Poschinski. Wer ist das?«

      »Unser bisheriger Prokurist. Eine GmbH braucht nun mal einen Geschäftsführer.«

      »Guter Mann?«

      »Sehr ehrgeizig. Zu große Ambitionen, meiner Meinung nach. Aber ich brauche ihn momentan noch. Es ist am besten so im Moment. Er kennt nun mal die Firma bis ins letzte Detail, und einer muss ja dafür sorgen, dass die Geschäfte weiterlaufen. Ist aber nur eine Übergangslösung.«

      »Bis du das Ruder selbst übernimmst?«

      »Bewahre! Das würde nicht funktionieren. Ich bin nicht vom Fach, und schlimmer noch, ich bin eine Frau. Was glaubst du, was unsere Leute auf dem Bau mit mir machen? Wenn sie mich nur ignorieren, habe ich Glück gehabt. Sicher, ich habe im Laufe der Jahre so einiges mitgekriegt, aber nicht genügend. Ich bin gelernte Friseurin. Soll ich denen sagen, wie man eine Mauer hochzieht? Die lachen mich nur aus. Nein, ich verstehe nichts vom Baugeschäft, ich verstehe überhaupt nichts von Geschäften. Die Firma wird verkauft.«

      »Wie stehen die Chancen?«

      »Ich weiß es nicht. Ich habe mich noch nicht darum gekümmert.«

      »Du hast was von Schulden gesagt.«

      »Im Rahmen des Üblichen, soweit ich weiß. In dem Geschäft musst du viel vorfinanzieren, das geht nicht ohne die Banken.«

      »Wie war eure Ehe?«

      »Jetzt will er’s aber wissen!« Sie zuckte mit den Schultern. »Höhen und Tiefen, wie das eben so ist. Soweit okay.«

      Sie ließ den Spätburgunder kreisen und schaute nachdenklich ins Glas.

      »Nun ja, und jetzt hat sich die Situation geändert. Man muss das ganz pragmatisch sehen. Ich bin wieder frei. Allein. Und einsam.«

      Endlich! Die Nachtigall schlich sich an.

      Sie leerte ihr Glas mit einem Zug.

      »Wir haben ganz schön gebechert, was? Deinen Wagen solltest du besser stehen lassen. Du kannst gerne bei mir übernachten.«

      Die Nachtigall trapste gewaltig.

      Ich lächelte sie an. »Ich schlafe nicht gern in einem fremden Bett.«

      »Auch nicht, wenn in diesem Bett eine einsame Frau liegt?«

      Hoppla! Elisabeth Irgendwas, ihren Geburtsnamen hatte ich nie erfahren, nunmehr verwitwete Schindel, steuerte ihr Ziel ohne Umschweife an. War sie seinerzeit auf der Limpurg auch so direkt gewesen? Ich konnte mich nicht erinnern.

      Ich versuchte es mit Diplomatie, wozu ich mitunter durchaus in der Lage bin.

      »Ein verlockendes Angebot«, sagte ich, und das war es ja durchaus. »Aber keine gute Idee. Ich bin – nun, sagen wir mal: etwas indisponiert. Ich bin noch in der Rekonvaleszenz.«

      Wenn sie enttäuscht war, zeigte sie es nicht.

      »Wie du meinst. Dann werfe ich dich jetzt raus. Ich bin müde und etwas angeschickert.«

      Sie verabschiedete mich mit einem Händedruck, der dem des Poliers wenig nachstand. Wenigstens damit könnte sie auf der Baustelle punkten. Und gegen die Wangenküsschen hätten ihre Leute bestimmt auch nichts einzuwenden gehabt.

      Ich hatte reichlich getrunken, das stimmte, doch ich schwankte nur unbedeutend. Deshalb verzichtete ich auf das Taxi und machte mich zu Fuß auf den Weg hinab ins Städtchen. War ja nicht weit.

      Wenn man die Bebauung der Mittelhöhe hinter sich ließ, führte ein Fußweg immer die Straße entlang, vorbei am Schenkensee-Bad rechts und den verbliebenen Feldern links, die sicherlich auch bald einem Neubaugebiet weichen mussten.

      Schwäbisch Hall war ein attraktiver Wohnort. Als herausgeputzte Fachwerkstadt sowieso. Und es war noch nicht so teuer wie eine Großstadt, wenngleich auch hier, im ländlich