Uwe Klausner

Operation Werwolf - Fememord


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meine es ernst, Max. Auf mich kannst du nicht mehr zählen.«

      »Was du nicht sagst, Wischulke.«

      Armer Heinz.

      Der typische Befehlsempfänger, geboren, um vor anderen den Kotau zu machen. Ohne Mumm, ohne Esprit und ohne eigene Meinung. Und naiv bis zum Gehtnichtmehr.

      »Keine krummen Dinger mehr. Das habe ich mir geschworen.«

      »Was du nicht sagst!«

      »Gib dir keine Mühe, Max. Mein Entschluss steht fest.«

      Die Stellstange im Visier, die sich auf dem Sims an der Schmalseite des Schaltraums befand, pfiff der Werwolf maliziös durch die Zähne. Die Roststellen am Griff waren zwar nicht zu übersehen, aber was den erhofften Effekt betraf, würde die Stange ihren Zweck erfüllen. »Dein letztes Wort, Wischulke?«

      Der Sanitätsgefreite nickte.

      Wimpern wie die einer Frau, die Brauen gezupft und mit dunkelblauem Schminkstift nachgezogen.

      Wie sehr ihn dieser Fleischklumpen doch anwiderte.

      Die Stellstange in der linken Hand, deren Spitze auf der Unterseite seiner Prothese ruhte, schlenderte Jakubeit durch den mit Abfällen übersäten Raum, trat auf den einstigen Kameraden zu und flüsterte: »Ich finde, du solltest dir das Ganze noch mal überlegen. Du erwartest doch nicht, dass ich tatenlos zusehe, wie du mich in die Scheiße reitest, oder? Denn über eins, du aufgeblasene Schwuchtel, musst du dir im Klaren sein: Solltest du es wagen, aus der Reihe zu tanzen, bekommst du es mit mir zu tun. Damit wir uns richtig verstehen: Entweder du nimmst Vernunft an, oder ich sehe mich gezwungen, die Gestapo zu informieren. Du weißt ja, auf Leute wie dich sind sie in der Prinz-Albrecht-Straße nicht gut zu sprechen, schon gar nicht, wenn du mich zwingst, aus dem Nähkästchen zu plaudern.« Jakubeit blinzelte amüsiert, in Gedanken beim geplanten Finale, von dem ihn nur noch wenige Stunden trennten. »Also, was ist, du Memme – bist du dabei oder nicht?«

      4

      Berlin-Köpenick, Uferweg am Großen Müggelsee

      14:40 Uhr

      »Hier draußen ist die Welt noch in Ordnung, meinen Sie nicht auch?«, ergriff Hagen Mertz, Kriminalobersekretär der Gestapo, das Wort, in Begleitung eines Kollegen, mit dem er einen Spaziergang am Seeufer unternahm. Der Pfad, für derlei Zusammenkünfte wie geschaffen, lag in tiefem Schatten, und das Geäst der Bäume, darunter Kiefern, Erlen und heillos verästelte Weiden, spendete angenehme Kühle.

      Und lieferte die Gewähr, von neugierigen Blicken verschont zu bleiben.

      Mithin das Wichtigste an der Sache.

      Wie berauscht von der unberührten Natur, breitete Mertz theatralisch die Arme aus. Weit draußen auf dem See, dessen silbrig glänzende Oberfläche zwischen den Baumriesen hindurchschimmerte, war der Schrei eines angriffsbereiten Habichts zu hören, spitz und kehlig, so als lechze er nach leichter Beute. »Und vor allem ist es nicht so heiß wie im Büro, dort kommt man sich ja wie im Treibhaus vor.«

      »Es gibt Schlimmeres, wie wir beide wissen.«

      »Weitaus Schlimmeres sogar, um zum Thema unseres Dringlichkeitsgesprächs zu kommen«, gab Mertz in gänzlich verändertem Tonfall zurück, trotz der Hitze mit dunklem Anzug, schwarzem Hut mit breiter Krempe und dazu passender Krawatte bekleidet, was seinen Begleiter zu einem verständnislosen Stirnrunzeln animierte. »Dieser Sydow ist eine verdammt harte Nuss, und ich fürchte, uns bleibt nichts anderes übrig, als ihn aus dem Verkehr zu ziehen.«

      »Wie Ihren Worten zu entnehmen ist, stellen Sie sich das sehr einfach vor«, hielt ein Mittdreißiger in Zivil dagegen, im Gegensatz zu Mertz in salopper Kleidung und von den Ausflüglern, die das gegenüberliegende Seeufer bevölkerten, nicht zu unterscheiden. Einzig sein Haarschnitt, akkurat und der Ansatz auf das Sorgsamste zurechtgestutzt, hob ihn über die Masse der Sommerfrischler hinaus, ein Merkmal, das durch die abgehackte Sprechweise noch verstärkt wurde. »An Sydow haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen, lassen Sie sich das gesagt sein. Und darum aufgepasst, der Schnösel ist mit allen Wassern gewaschen. Hören Sie auf meinen Rat, ich weiß, wovon ich spreche. So leicht, wie Sie denken, lässt er sich bestimmt nicht in die Irre führen.«

      »Damit kein Missverständnis entsteht, das Ziel besteht nicht etwa darin, Sydow auf eine falsche Fährte zu locken«, wandte Mertz korrigierend ein und wich einem Pärchen auf einem Tandemfahrrad aus, das in entgegengesetzter Richtung vorüberfuhr, stierte ihm argwöhnisch hinterher und fuhr fort: »Sondern darin, ihn dauerhaft aus dem Verkehr zu ziehen.«

      »Aus dem Verkehr ziehen – so kann man es natürlich auch formulieren!«

      »Das heißt, ihn zu eliminieren, falls Ihnen die Wortwahl besser behagt«, fuhr Mertz den deutlich kräftigeren und einen Kopf größeren Begleiter an, den der Tonfall völlig kalt zu lassen schien. »Was das betrifft, besitzen Sie ja Erfahrung, oder sehe ich das falsch?«

      Der Angesprochene zuckte kaum merklich zusammen, und wäre das in Ufernähe vorüberbrausende Motorboot nicht gewesen, welches jedwede Unterhaltung unmöglich machte, wäre er die Antwort auf die Provokation nicht schuldig geblieben. Kurz darauf, nachdem das Boot hinter einer Gischtwolke verschwunden war, hatte er sich jedoch wieder im Griff, die Hände lässig in den Hosentaschen, wie bei einer Unterredung unter Freunden.

      Dass dem nicht so war, daran bestand für Hagen Mertz kein Zweifel: »Genug der Vorrede, lassen Sie uns Nägel mit Köpfen machen.«

      »Mit welchem Ziel?«

      »Wie ich bereits sagte, Sydow ist umgehend zu liquidieren, wie und mit welchen Mitteln, steht Ihnen frei.«

      »Wie nett von Ihnen, ich werde mich des Vertrauens würdig erweisen«, lautete die frostige Replik, gefolgt von minutenlangem Schweigen, in das sich das Gekrächze eines Kolkraben mischte. Kurz darauf, vertrieben durch das heisere Kreischen, schlängelte sich ein Fischotter durch das dichte Schilf, reckte den Kopf und verschwand so schnell, wie er in Erscheinung getreten war. »Ihr von der Gestapo seid doch so clever, warum erledigt ihr die Drecksarbeit nicht selbst? Und wenn wir gerade dabei sind, was wirft man ihm denn eigentlich vor? Soweit ich weiß, hat er nichts verbrochen.«

      »Na, Sie stellen vielleicht Fragen!«, rief Mertz in indigniertem Tonfall aus. »Der Mann könnte zu einer wirklichen Gefahr werden, nicht nur für Sie, sondern für uns alle. Das muss ich Ihnen ja wohl nicht sagen. Ignoriert seine Direktiven, macht, was er will, provoziert mich, wo er nur kann. Und pfuscht der Gestapo ins Handwerk, so geschehen heute Morgen, als ich ihn dabei ertappte, wie er auf eigene Faust Ermittlungen unternahm. Trotz gegenteiliger Anweisungen, wie nicht eigens betont werden muss.« Mertz schüttelte ungehalten den Kopf. »Und jetzt kommen Sie daher und behaupten, es handele sich um eine Lappalie. Ich muss schon sagen, das ist wirklich ein starkes Stück. Auch wenn Sie es vielleicht nicht wahrhaben oder die Realität nach eigenem Gutdünken zurechtbiegen wollen, der Mann ist eine tickende Zeitbombe. Bei Typen wie ihm kenne ich mich aus, darauf können Sie getrost vertrauen. Die geben nicht eher Ruhe, bis sie hinter Schloss und Riegel sitzen. Oder bis man ihnen eine Lektion erteilt, die sie nicht vergessen. In welcher Form, spielt keine Rolle. Hauptsache, sie kommen nicht mehr zum Zug, denn nur so ist gewährleistet, dass die Gestapo am Ende die Oberhand behält. Glauben Sie ernsthaft, Sie wären imstande, Sydow in den Griff zu bekommen? Wenn ja, machen Sie sich etwas vor. Und wenn wir gerade dabei sind: Hatten Sie nicht getönt, der Fall sei eine Nummer zu groß für ihn?«

      »Sicher.«

      »Und worin besteht dann das Problem, Herr Kollege?«

      Der Mittdreißiger, wider sonstige Gewohnheiten die Ruhe selbst, prustete vergnügt in sich hinein. »Darin, dass Sie und Ihre Kollegen denken, Sie könnten uns permanent ins Handwerk pfuschen. Sydow hin oder her, zu viele Köche verderben nun mal den Brei. Falls Sie verstehen, worauf ich hinauswill, Herr Kollege.« Der Begleiter von Mertz atmete gekünstelt durch. »Seien wir doch mal ehrlich, Kollege Mertz. Kripo und Gestapo, das sind zwei grundverschiedene Paar Stiefel. Was ich damit zum Ausdruck bringen will, ist: Es hilft uns nicht weiter, wenn einer versucht, den anderen auszumanövrieren.«