mit obigen Worten begrüßte, da habe dieses den Mund aufgetan und dem Heiligen mit der Frage: »O Bernharde, cur tam tarde?« sein Versäumnis vorgeworfen. Aber Bernhard legte ihm mit der Bibelstelle: »Mulier taceat in ecclesia« Stillschweigen auf, und wirklich soll es, wenn der Versicherung der Wundergläubigen zu trauen ist, seitdem geschwiegen haben.
Anderthalbhundert Jahre war Speyer der Sitz des Reichskammergerichts. Auch in der Reformation spielte es eine Rolle, denn hier wurde auf dem Reichstag von 1529 der Name der Protestanten zuerst vernommen. Wie im Orleansschen Krieg, wenn das ein Krieg heißen soll, was ein Mordbrennerzug war, Speyer nebst Worms, Oppenheim und den meisten Städten der Pfalz in einen Aschenhaufen verwandelt wurde, mag ich nicht wiederholen. Ich kann Erinnerungen dieser Art nicht ohne Ingrimm wecken, der zu heftig ist, um sich schön zu äußern. Er gilt nicht den modernen Vandalen, die uns Barbaren zu schelten gewohnt waren, denn von ihnen durfte sich ein deutsches Land nichts Besseres versprechen, nicht jenem vierzehnten Ludwig, den die Boileaus, die wir einst auswendig lernten, für seine kannibalischen Siege als den Helden des Jahrhunderts priesen, nicht seinen Henkersknechten, jenen Louvois, Montclars und Melacs, nach denen in der Pfalz noch heute die Hunde genannt werden; er gilt nur der deutschen Langmut, Franzosensucht und Verblendung, denn sie allein trugen die Schuld.
Aus der unmenschlichen Zerstörung Speyers ist uns kaum eine kostbarere Reliquie erhalten als die Ruländer Traube, und die wollen wir am Rhein pflanzen und pflegen. Schon der Name Ruland, deutsch für Roland, empfiehlt sie, obgleich sie nicht an Roland, den Paladin, mahnt, sondern an einen ehrlichen Speyerer Bürger dieses Namens. Als Speyer zehn Jahre lang in seinem Schutt gelegen hatte und man jetzt anfing, es wiederaufzubauen, ließ sich auch Ruland dort nieder und kaufte eine Brandstätte mit einem Garten. Der frühere Besitzer, ein Reichskammergerichtsassessor, hatte daselbst ausländische Reben gebaut. Als Ruland den Schutt wegräumte, waren einige Stöcke unbeschädigt geblieben, welche im Herbst voller Trauben hingen. Diese drückte er in ein kleines Fäßchen aus, das er mit Rebenlaub, zuspundete und in dem noch vorhandenen Kellergewölbe aufbewahrte. Den Winter über vergaß er darnach zu sehen; als er aber im Frühjahr im Garten war, besuchten ihn einige Männer und Frauen und verwiesen es ihm scherzhaft, daß er ihnen bei so heißer Witterung nicht einen Trunk anbiete. Nun fiel Ruland das Fäßchen im Keller ein; er lieh sich vom Nachbarn ein Schoppenglas, ließ es vollaufen und brachte es in den Garten. Der erste trank es rein aus, der zweite blieb nicht dahinter: so ging es reihum, und Männer und Frauen kamen angetrunken nach Hause. Dies erregte Aufsehen, die Angesehensten der Stadt versuchten und rühmten diesen Wein als Vinum bonum. Jedermann suchte Ableger davon, und Ruland verkaufte zuletzt einen fingerlangen Schnittling um einen Taler. So verbreitete sich diese edle Rebe unter verschiedenen Benennungen als Ruländer, Speyerer, Viliboner (Vinum bonum) usw. am Rhein und am Neckar. Ihr wissenschaftlicher Name ist roter Clävner, von Chiavenna oder Cläven in Oberitalien, ihrer ursprünglichen Heimat. Wir empfehlen beiläufig ihren Anbau besonders auf wenig sonnigen Hügeln, wo sie doch jährlich reift und einen äußerst feinen, angenehmen Wein liefert. Wer diesem Rat folgt, sei es an den Ufern des Rheins oder in anderen Flußtälern, die der Sonne Zutritt gewähren, der wird uns danken und, hätte er dann auch nichts weiter aus diesem Buch gelernt, seine Anschaffung nicht bereuen.
Der Weinbau leitet uns schicklich hinüber nach Worms, dessen wir schon oben gedachten. Bei welchem Zipfel wir diese uralte Stadt zuerst erfassen, immer ist sie anziehend und bedeutend. Und der Weinbau ist uns keine so unwichtige Sache, als daß mich meine Landsleute wegen dieser Anknüpfung schelten sollten. Bei der zweiten Teilung des Frankenreichs unter die Söhne Ludwigs des Frommen bekam bekanntlich Lothar mit Italien und der Kaiserwürde jenen schmalen Landstrich zwischen Rhein, Maas und Saône, welcher nach ihm Lothringen genannt wurde. Ludwig des Deutschen Anteil war das ostrheinische Deutschland, jedoch wurden ihm von dem westrheinischen noch der Speyer-, der Worms-und der Nahegau zugelegt, welche eigentlich zu Lothringen gehört hätten. Die Annalisten sagen uns, diese Gaue seien dem Erbteil Ludwigs des Deutschen wegen der Fülle des Weins beigefügt worden, der vielleicht damals am Rhein nur hier gedieh. Dies lehrt uns den König Ludwig als einen echten Deutschen kennen, der seinen Beinamen nicht umsonst führte.
Das Wormsfeld, zu dem früher auch Mainz und der Nahegau gerechnet wurden, ist selbst in dieser seiner weitesten Ausdehnung an guten Weinen nicht so ergiebig als der Speyergau; es bringt aber einige hervor, die den Rheinweinen beigezählt werden. Wenige Stunden oberhalb Mainz beginnt das Gebirge sich näher an den Rhein zu ziehen, und von Oppenheim abwärts bis dahin reifen die sogenannten kleineren Rheinweine, unter denen der Niersteiner den ältesten Namen hat. Wenn aber schon Worms durch seine Liebfrauenmilch und durch seinen Luginsland berühmt ist, so werden diese doch nicht eigentlich zu den Rheinweinen gerechnet, so wenig als der Rheinfaller bei Schaffhausen, das Schweizerblut bei Basel, der Markgräfler bei Badenweiler, der Affentaler bei Baden oder die Hardt-und Bergstraßer Weine. Erst wo die Nebel des Rheins und die vom Spiegel des Stroms zurückgeworfenen Sonnenstrahlen die Reife der edelsten Bergtrauben begünstigen, spricht man von Rheinweinen, ja einige wollen diesen Namen keinem Gewächs zugestehen, das nicht im Rheingau gewonnen worden ist.
Die Liebfrauenmilch wächst bekanntlich im Garten des Liebfrauenstifts, das vor dem Mainzer Tor in der ehemaligen Mainzer Vorstadt lag, welche nach der Zerstörung durch die Vandalen 1689 nicht wiederaufgebaut wurde, wie denn das heutige Worms im Vergleich mit seinem Umfang vor jenem Mordbrand nur ein Flecken ist. Von der Mainzer Vorstadt blieb nur die Kirche des Liebfrauenstifts stehen, deren Umgebung allmählich zu Weingärten angelegt wurde. Diesen gewährt unsere liebe Frau Schutz vor Nord-und Nordwestwinden, indem sie eine hohe nördliche Wand bildet, an deren südlicher und südwestlicher Seite die beste Lage ist, denn nur so weit der Turm am Abend seinen Schatten wirft, wächst nach dem Sprichwort die eigentliche Liebfrauenmilch. Auch den Boden hat sie hergegeben, indem er größtenteils aus dem Schutt der ehemaligen Klostergebäude besteht. Die Wahl des Namens ist also ziemlich gerechtfertigt, wenn es wirklich einen Prosaiker geben sollte, bei dem ein so schöner Name einer Rechtfertigung bedürfte. Wieviel übrigens seine Poesie zu dem Genuß beiträgt, mit dem wir dieses durch Feuer, Geschmack und Blume ausgezeichnete Gewächs schlürfen, ist unberechenbar.
Die zweitbeste Weinlage zu Worms ist das Katerloch auf der dem Liebfrauenstift entgegengesetzten Seite der Stadt, durch die es vor den schädlichen Winden geschützt wird.
Für die drittbeste gilt der Luginsland, nach dem weitschauenden Turm, der sonst an der Ecke der südlichen Stadtmauer stand, so geheißen. Wer wollte aber nicht lieber Liebfrauenmilch oder Luginsland trinken als Katerloch? Wo dieser garstige Name seinen Ursprung herleitet, wissen wir nicht; wenn ihn aber ein Weinproduzent aufgebracht hat, so muß er seinen Vorteil schlecht verstanden oder dort keine Besitzungen gehabt haben.
Worms gehört mit Köln und Trier zu den ältesten Städten des Rheinlands. Mythisches Halbdunkel verhüllt die Anfänge seiner Geschichte. Seinen Beziehungen zur deutschen Heldensage, von welcher schon gelegentlich die Rede war, weichen wir hier auch darum aus, weil wir sie zu erschöpfen nicht hoffen dürften. Nur die Vermutung mag hier stehen, daß der Name der Stadt, deren älteste Form Borbetomagus mit Wurm nichts gemein hat, die Anknüpfung der Siegfriedsage begünstigt zu haben scheint. Zwar erinnert schon der älteste, wahrscheinlich fabelhafte Bischof von Worms, Victor, an Siegfried – wie zu Xanten, Siegfrieds Heimat, der Dienst des heiligen Viktor zu Hause ist –, aber schwerlich ist die Erfindung dieses Bischofs von hohem Alter. Der nirgends als in der Gegend von Worms häufiger vorkommende Name Nibelung bezeugt nur, daß die Sage hier einst heimisch und sehr beliebt war. Da er aber hier nicht zuerst auftaucht, sondern im alten Land der Franken, so scheint er nicht zu den burgundischen Bestandteilen der Sage zu gehören und erst mit der Herrschaft der Franken ins Wormsfeld gekommen zu sein. Das alte Wappen der Stadt hat ursprünglich keine Beziehung auf die Heldensage, denn die Deutung des Schlüssels auf jenen, welchen Siegfried dem Riesen abgenommen, um die Jungfrau zu befreien, setzt eine ganz späte Gestaltung der Sage voraus; und wenn fliegende Drachen (Würmer) die Schildführer des Wappens waren, so erklären sich diese schon genügend aus dem Namen der Stadt – wie der Schlüssel wohl nur das Verhältnis des Bistums zum römischen Stuhl andeutet. Der Ansicht des neuesten Geschichtsschreibers von Worms, daß die Siegfriedsage skandinavischen Ursprungs sei, kann ich nicht beipflichten; vielmehr glaube ich, daß sie erst durch die Normannen aus dem alten Frankenland nach dem hohen Norden gebracht wurde.
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