Karl Simrock

Der Rhein: Das malerische und romantische Rheinland


Скачать книгу

Weis und immer diese,

       Tag und Nacht,

       Singt der König im Verliese,

       Bis der Morgen lacht.

       Sieh, schon durch des Schwarzwalds Forellen

       Blickt sein Strahl,

       Seinem Winke zu gehorchen

       Eilen Berg und Tal.

       Möcht’ er dem die Freiheit bringen,

       Der mit schwindem Schwertesschwang

       Weiß die Heiden zu bezwingen

       Und die Herzen mit Gesang.

       Blondel

      Löwenherz, von dir erfundnen

       Liedeston

       Sing’ ich nun am vielgewundnen

       Rheine lange schon.

       Dich mit Liedern auszuforschen

       Nicht gelang,

       Nie erwidern mir die morschen

       Türme den Gesang.

       Horch doch, ist es nicht die Weise,

       Die von jener Zinne dringt?

       Fiel sie hier so tief im Preise,

       Daß sie schon der Wächter singt?

       Wächter

      Der da unten mit der Zither

       Schleicht einher,

       Mehr ein Sänger als ein Ritter,

       Was ist sein Begehr?

       Horch, die Töne sind es wieder,

       Täuscht mich’s nicht,

       Die so gern in seine Lieder

       Der Gefangne flicht.

       Im Verständnis mit dem Helden

       Mag der schlaue Fremdling sein:

       Soll ich ihn mit Blasen melden?

       Pflicht wohl wär’s, doch herbe Pein.

       Richard

      Singen lehrt’ ich Wand und Spache

       Dieses Lied,

       Seit des Österreichers Rache

       Mich von Menschen schied.

       Nach von unten, nach von oben

       Klingt es hold,

       Wie zum Wettgesang erhoben

       Um den Ehrensold.

       Dort der Wächter; wär’s mein treuer

       Blondel, der mir unten sang.

       Klang’ es wohl mit anderm Feuer!

       Freiheit ist der schönste Klang.

       Blondel

      Bist du’s, Richard, Herz des Leuen?

       Heil dir, Held!

       England ließ sich nicht gereuen

       Schweres Lösegeld.

       Immer konnte man dich milde,

       Gütig schaun:

       Männer boten Helm und Schilde,

       Ring und Schmuck die Fraun.

       Sieh, des Reiches Brief und Siegel

       Gab mir Kaiser Heinrichs Macht,

       Ungewiß, wo Östreichs Riegel

       Dich verborgen hielt in Nacht.

       Richard

      Blondel, Bruder! Reich und Krone

       Dank ich dir;

       Aller Frauen Schönste lohne,

       Was du tust an mir.

       Blondel

      Deines Volkes Lieb und Treue

       Dankst du sie,

       Deiner Milde, die ihr neue

       Kraft und Fülle lieh.

       Wächter

      Und mich dünkt, des Lobs gebührte

       Auch der Weise wohl ein Korn,

       Die euch hier zusammenführte:

       Fröhlich stoß’ ich nun ins Horn.

      Trifels liegt auf dem dreifach gegipfelten Sonnenberg; die beiden anderen Felsenspitzen tragen die Reste der später gegründeten Burgen Anebos (Amboß) und Scharfenstein. Hieraus erklärt sich, nach dem Verfasser der »Zusätze zur Weltchronik«, Rudolf von Ems, der Name. Bei Neustadt an der Hardt ist das alte Winzingen bemerkenswert, wohin die Grafen des Speyergaus ihren Sitz verlegten. Das benachbarte Hambacher Schloß, von dem aus einst der unglückliche Heinrich IV. seinen schimpflichen Zug nach Canossa barfuß antrat, hat auch neuerdings wieder durch die Volksfeste, die man hier beging, und die Vorfälle, die sich daran knüpften, eine nicht minder traurige Berühmtheit erlangt. An der Stelle der Abtei Limburg bei Dürkheim stand einst die alte Stammburg der rheinfränkischen Herzöge, die seit Konrad II. den deutschen Kaiserthron einnahmen. Er und Gisela, seine Gemahlin, verwandelten sie, als ihr Sohn Konrad von den Mauern der weitschauenden Limburg herabgestürzt war, in ein Kloster. Nicht weit davon liegt der Drachenfels, wohin die dortige Volkssage Siegfrieds Kampf mit dem Drachen verlegt. Aber schon Limburg (Lintburg) erinnerte an den Lindwurm. Die dem Drachenfels benachbarten Ruinen mit den wunderlichen Namen »Murr mir nicht viel«, »Schau dich nicht um« sowie die Waldgegend »Kehr dich an nichts« scheinen auf eine märchenhafte Gestaltung zu deuten, die dieses Abenteuer Siegfrieds in der Volkserzählung angenommen haben mag.

      Zwischen Dürkheim und Grünstadt liegen die Trümmer der Schlösser Alt-und Neuleiningen, aus denen das gräfliche, dann das fürstliche Geschlecht hervorging, das noch jetzt im Rhein-und im Maintal mittelbare Herrschaften besitzt. Weiterhin, am Fuß des Donnersbergs, liegt Göllheim, wo König Adolf von der Lanze seines Gegners Albrecht tödlich getroffen niedersank. Mehrere Steine und ein Denkmal, in der Volkssprache Des Königs Kreuz genannt, bezeichnen das Schlachtfeld. Die nächste bedeutende Stadt in dieser Richtung ist die ehemals kurpfälzische Amtsstadt Alzey, die uns wieder an die Nibelungen erinnert, wo Volker der Fiedler von Alzeye zu Hause sein soll. Wirklich führte Alzey die Fiedel im Wappen, und die Alzeyer werden in der Umgegend spottweise die Fiedler genannt; auch gedenkt das »Alzeyer Weistum« der verschiedenen Völker. Überhaupt sind diese Gegenden an Beziehungen auf unsere Heldenlieder reich. Wir schweigen von Worms, weil wir nur das minder Bekannte anführen wollen. Ungefähr Schröck gegenüber liegt Jockgrim, ein unbedeutender Ort, wo aber nach dem Lied von »Eckens Ausfahrt« die drei Königinnen wohnten, welche Herrn Eck gegen Dietrich von Bern reizten. Nach der »Wilkinasage« waren der Königstöchter neun, und ihre Wohnung hatten sie auf dem Drachenfels, womit aber nicht der eben erwähnte im Speyergau, sondern der niederrheinische bei Bonn gemeint scheint. Bei dem jenseitigen Philippsburg, das einst Udenheim hieß, oder bei Oggersheim – darüber schwanken die Angaben – gewann einer der ältesten Pfalzgrafen, jener Ezzo von Aachen, der Schwager Kaiser Ottos III., eine Schlacht gegen Dietrich, Herzog von Lothringen. Spätere Geschichtsschreiber vermuteten, ein bei dieser Gelegenheit erst zum Vorschein kommender sprichwörtlicher Segenswunsch: »Möchtest du nie nach Odenheim gelangen«, sei von dieser Zeit an gebräuchlich geworden. Da aber nach der bekannten Strophe der letzten Überarbeitung Siegfried bei Odenheim erschlagen sein soll, so ist es viel glaublicher, daß jenes Sprichwort sich auf den im Volksgesang berühmten Tod dieses Helden, als auf eine längst vergessene Schlacht bei Udenheim oder Oggersheim, welche Orte das Sprichwort nicht einmal nannte, bezogen habe. Bisher hat sich aber ein solches Odenheim nicht auffinden lassen. Den Ort bestimmen zu wollen, wo Siegfried erschlagen worden sei, wie es so vielfach, auch von rheinischen Gelehrten, versucht worden ist, wird überhaupt ein vergebliches Bestreben bleiben, da die verschiedenen Lieder, aus denen das Gedicht zusammengesetzt ist, darüber unvereinbare Angaben enthalten. In einer Abhandlung