bzw. religionskritischen Literatur begegnet man nicht selten einem sog. „theistischen“ Gottesverständnis, das auch dem Christentum unterstellt wird. Siehe etwa N. HOERSTER, Die Frage nach Gott, München 2005, 13: „Nach theistischem Verständnis ist Gott das einzige, ewige, personale und körperlose, höchst vollkommene Wesen, das die Welt erschaffen hat sowie erhält und lenkt (…) Gott ist also durch die Summe der folgenden sechs Eigenschaften oder Merkmale definiert: 1. als einzig; 2. als ewig existent; 3. als körperlose Person; 4. als uneingeschränkt vollkommen; 5. als Ursprung der Welt; 6. als Erhalter und Lenker der Welt.“ Mir ist kein liturgischer oder dogmatischer Text bekannt, in dem Christen den Glauben an eine „körperlose Person“ bekennen, was immer mit dieser kruden Wortkombination auch gemeint sein mag. Dass sie das christliche Gottesverständnis zutreffend erfasse, wird geichwohl insinuiert von R. SWINBURNE, Die Existenz Gottes, Stuttgart 1987, 16 ff; J. L. MACKIE, Das Wunder des Theismus, Stuttgart 1985, 9 ff. Kurios mutet an die Notiz von W. LÖFFLER, Einführung in die Religionsphilosophie, Darmstadt 2006, 37 f.: „Theistische Religionen sagen von Gott aus, dass er zwar eine Person ist, aber keinen Körper hat, wie das für menschliche Personen gilt. Zwar gibt es in manchen Religionen Aussagen, wonach sich Gott im Ausnahme-fall menschlich-körperlicher Erscheinungsformen bedient hat, aber dies sind schon aus Sicht des gläubigen Denkens nur Ausnahmen von der Regel. Gottes Unkörperlichkeit hat zur Folge, dass man bestimmte andere Aussagen ebenfalls nicht in genau derselben Weise wie von einem Menschen machen kann: Gottes Erkennen etwa muss ohne Sinnesorgane und ein zentrales Nervensystem, sein Handeln ohne Gliedmaßen und Sprechwerkzeuge vonstatten gehen.“ – Vermutlich handelt es sich bei solchen „körperlosen Personen“ um Gespenster, die in der Welt der Fabel Einhörner züchten. Zur Frage, ob und wann die Philosophie beim Versuch, von Gott zu reden, sicher sein kann, von derjenigen Wirklichkeit zu sprechen, die im religiösen Sprachgebrauch „Gott“ genannt wird, vgl. R. SCHAEFFLER, Philosophisch von Gott reden. Überlegungen zum Verhältnis einer Philosophischen Theologie zur christlichen Glaubensverkündigung, Freiburg/München 2006, 15–60.
49 Aus der Unbegreiflichkeit Gottes ergibt sich nicht seine Unerkennbarkeit oder Unbeschreibbarkeit. Weder wird behauptet, dass von Gott nichts erkannt werden kann, noch wird die These aufgestellt, dass das von Gott Erkennbare sprachlich nicht korrekt bestimmbar sei. Dass Gott „wesenhaft und wirklich von der Welt verschieden“ ist, beschreibt ja eine Erkenntnis bezüglich der Existenz Gottes. Aber diese Erkenntnis impliziert für das Reden von Gott, dass aufgrund seiner ontologischen Verschiedenheit von der Welt keine Aussagen über Gottes „Wesenseigenschaften“ gemacht werden können, ohne zugleich deren wesenhafte Verschiedenheit gegenüber allen Eigenschaftsbestimmungen im Bereich des Geschöpflichen bzw. Welthaften auszudrücken. Auf diese je größere Verschiedenheit ist der Begriff der Unbegreiflichkeit Gottes zu beziehen. Zur näheren Differenzierung zwischen der Unbegreiflichkeit, Unbeschreibbarkeit und Unerkennbarkeit Gottes siehe auch J. HERZGSELL, Die Unbegreiflichkeit Gottes, in: Ders./J. Perčič (Hg), Religion und Rationalität, Freiburg/Basel/Wien 2011, 36–48.
50 Traditionell haben Gottesbeweise die Funktion übernommen, durch rationale Argumentation das dem Glauben Selbstverständliche (= Existenz Gottes) in eine Selbstverständlichkeit des Denkens zu überführen. Zumindest sollte jede/r Denkende der vom Glauben für selbstverständlich gehaltenen Rede von der Existenz Gottes am Ende mit so viel Verständnis begegnen können, dass sie als „nicht unvernünftig“ qualifizierbar erscheint. Zur Konjunktur und Krise dieser Erwartungen siehe R. SCHAEFFLER, Philosophische Einübung in die Theologie. Bd. 1, Freiburg/München 2004, 28–75; Ch. BÖTTIGHEIMER, Lehrbuch der Fundamentaltheologie, 200–232, K. MÜLLER, Glauben – Fragen – Denken. Bd. III, Münster 2010, 521–695; N. SLENCZKA, Gottesbeweis und Gotteserfahrung, in: E. Runggaldier/B. Schick (Hg.), Letztbegründungen und Gott, Berlin/New York 2010, 6–30.
51 Zu dieser Typologie der Gottesbeweise siehe J. SCHMIDT, Philosophische Theologie, Stuttgart 2003. Vgl. ferner G. KREIS/J. BROMAND (Hg.), Gottesbeweise von Anselm bis Gödel, Berlin 2011; R. HILTSCHER, Gottesbeweise, Darmstadt 2008.
52 Vgl. hierzu etwa G. ROPOHL, Sinnbausteine für ein gelingendes Leben. Ein weltlicher Katechismus, Leipzig 2003; M. ONFRAY, Die reine Freude am Sein. Wie man ohne Gott glücklich wird, München 2008.
53 Vgl. hierzu ausführlicher H.-J. HÖHN, Der fremde Gott, 22–57; DERS., Gottes Fremde. Theologie in postsäkularen Konstellationen, in: A. Franz/C. Maass (Hg.), Diesseits des Schweigens. Heute von Gott sprechen, Freiburg/Basel/Wien 2011, 177–204.
§ 5 Focussierung:
Von Gott reden im Kontext der „Gottlosigkeit“
Wo die religionskritischen Plausibilitäten der Moderne noch die Möglichkeit einer zeit- und adressatengemäßen Rede von Gott offen lassen, wird vor allem die Aufgabe einer bisherigen Prämisse verlangt, von der man annahm, dass sie die Plausibilität dieser Rede verbürgen könnte: die Annahme der Notwendigkeit Gottes zur Erklärung innerweltlicher Abläufe und Sachverhalte. Von dieser Notwendigkeit her ließen sich Aussagen darüber treffen, „wie“ Gott sei: Die Suche nach einem Grund des Weltgeschehens und für Ausnahmen im vorhersehbaren Weltenlauf erwies ihn als allmächtig. Als Bürge menschlicher Wahrheitssuche musste er allwissend sein. Dass das menschliche Streben nach dem Guten nicht ins Leere lief, verdankte es seiner Allgüte. Aber genau diese Voraussetzung der Welterklärung und Handlungsorientierung hebt die Moderne auf und erweist sie als nicht-notwendig.
Mehr noch: Für die autonome Vernunft ist dies sogar eine falsche Prämisse. Für das Projekt, die Rede von Gott denkerisch, d. h. mit den Mitteln der autonomen Vernunft zu verantworten, gilt dies aber auch. Daher steht die Theologie nunmehr vor der Herausforderung, in dieser falschen Voraussetzung vernünftigen Denkens auch eine falsche Prämisse theologischen Denkens zu erkennen.54 Entfällt die Möglichkeit, von Gott sagen zu können, wofür er innerweltlich notwendig sei, gibt es für eine affirmative Gottesrede keinen unmittelbaren Anlass und Ansatz mehr. Wo man in der Theologie die Vorstellung einer innerweltlichen Notwendigkeit Gottes als einer falschen Prämisse des Redens von Gott ratifiziert, hat der Verzicht auf diese Prämisse aber einen hohen Preis: Ein nicht mehr notwendiger Gott verliert ein entscheidendes Prädikat seiner Göttlichkeit. Fortan ist nicht mehr klar, was einen solchen Gott von einem „Nichts“ oder „Niemand“ unterscheidet.
Unter der Prämisse von Gottes Notwendigkeit zur Erklärung oder Bewältigung innerweltlicher Sachverhalte ist auch die Doppelfrage der „demonstratio religiosa“ nicht mehr lösbar: a) Welche Größe verdient in Wahrheit „Gott“ genannt zu werden? – b) Ist die wahrhaft „Gott“ genannt Größe auch wirklich bzw. welchen Realitätsstatus hat diese Größe? Beim Wegfall der innerweltlichen Notwendigkeit Gottes scheint es zudem die Möglichkeit der indirekten Rede von Gott über die Entzifferung eines innerweltlichen Verweisungszusammenhanges nicht mehr zu geben. Wer Gott mit einer Welt zusammendenken soll, die ohne Gott zu denken ist, kann offensichtlich nur noch Gott und (das) Nichts zusammendenken. Kommt aber dabei etwas anderes als die Nichtigkeit Gottes heraus?
1. Problemverschärfung:
Transzendenz und Unbegreiflichkeit Gottes
Für die Fundamentaltheologie erweist sich der bereits zitierte christliche Gottesbegriff als zusätzlich problemverschärfend. Er beansprucht zwar, Kriterien angeben zu können für die Ermittlung, wer/was es in Wahrheit und in Wirklichkeit verdient, „Gott“ genannt zu werden: Das Wort „Gott“ steht für eine Größe, die „wirklich und wesenhaft von der Welt verschieden“ ist. Von Gott kann demnach gesagt werden: Er ist „über alles unaussprechlich erhaben, was außer ihm ist und gedacht werden kann“. Als solcher ist er „Schöpfer des Himmels und der Erde“ (vgl. DH 3001). Von Gott lässt sich allerdings nur via negativa etwas sagen: Er ist weltimmanent nicht antreffbar, weder ein Teil welthafter Wirklichkeit noch die Summe aller ihrer Teile (