Zum Unbehagen am klassischen Format, an Ansatz, Inhalten und Methodik siehe ausführlich J. MEYER ZU SCHLOCHTERN/R. A. SIEBENROCK (Hg.), Wozu Fundamentaltheologie?, bes. 169–201. Dass es aktuell Streit um die „demonstrationes“ der Fundamentaltheologie gibt, hat seinen Grund darin, dass sie in ihrer bisherigen Form offensichtlich nicht mehr konsenserzeugend sind. Weder Anzahl noch Anordnung stehen außer Frage. Der verbleibende Konsens fällt zudem umso kleiner aus, je geringer die Zahl der Beteiligten ist, die an seinem Entstehen bzw. an seiner Erneuerung mitwirken. Es ist der Theologie also keineswegs gedient, wenn es in ihr nur wenige Denkschulen gibt und statt des Wettbewerbs um das jeweils bessere Argument ein Wettkampf um die effizienteste Verdrängung konkurrierender Denkansätze ausgetragen wird. Unter dieser Rücksicht geht es (in) diesem Buch auch um einen Pluralitätszuwachs theologischen Denkens.
35 In diesem Motiv kommen Denkansätze von wissenschaftlichen Grenzund Einzelgängern überein, die sich ansonsten auf höchst unterschiedliche philosophische und naturwissenschaftliche Plausibilitäten beziehen. Siehe hierzu etwa K. MÜLLER, Gott – größer als der Monotheismus?, in: F. Meier-Hamidi/K. MÜller (Hg.), Persönlich und alles zugleich. Theorien der All-Einheit und christliche Gottesrede, Regensburg 2010, 9–46; K. WILBER, Naturwissenschaft und Religion. Die Versöhnung von Wissen und Weisheit, Frankfurt 2010; DERS., Integrale Spiritualität, München 2007; Ph. CLAYTON, Emergenz und Bewusstsein. Evolutionärer Prozess und die Grenzen des Naturalismus, Göttingen 2008.
36 In der spirituellen Literatur wird diese Nachfrage vor allem aufgegriffen von W. JÄGER, Die Welle ist das Meer. Mystische Spiritualität, Freiburg/Basel/Wien 2000; DERS., Westöstliche Weisheit. Visionen einer integralen Spiritualität, Stuttgart 32007; DERS., Wiederkehr der Mystik, Freiburg/Basel/Wien 52007; DERS., Anders von Gott reden, Petersberg 2008. Zur kritischen Rezeption siehe die Kontroverse zwischen W. JÄGER und G. FUCHS, Sind Gott und Mensch voneinander unterschieden?, in: N. Copray (Hg.), Baustelle Christentum. Glaube und Theologie auf dem Prüfstand, Ostfildern 2009, 39–46.
37 Siehe R. PANIKKAR, Das Göttliche in allem. Der Kern spiritueller Erfahrung, Freiburg/Basel/Wien 32000; F. D’Sa, Gott, der Dreieine und der All-Ganze, Düsseldorf 1987.
38 Vgl. dazu ausführlicher in diesem Band § 8 („Gott – in Wahrheit und in Wirklichkeit“).
39 In vielfacher Weise sind diese Überlegungen inspiriert von P. KNAUER, Der Glaube kommt vom Hören. Ökumenische Fundamentaltheologie, Freiburg/Basel/Wien 61991, wenngleich ich bei der Grundlegung und theologischen Umsetzung einer Relationalen Ontologie deutlich andere Akzente setze. Dies ändert nichts an den Gemeinsamkeiten mit den fundamentaltheologischen Optionen und Intentionen des einstigen akademischen Lehrers. Der Erfolg eines Lehrers ist ohnehin weniger daran zu ermessen, ob seine Schüler ihm treu bleiben, sondern inwiefern sie etwas Eigenes mit seinem theologischen Denkansatz anfangen können. Die Fruchtbarkeit eines Ansatzes wird erst dann erkennbar, wenn man ihn immer wieder neu anwenden und für Neues verwenden kann. Dies belegen und bezeugen auch die Beiträge in: G. GÄDE (Hg.), Hören – Glauben – Denken (FS Knauer), Münster 2005.
40 Vgl. etwa W. BEINERT, Kann man dem Glauben trauen? Grundlagen theologischer Erkenntnis, Regensburg 2004. Überdies steht im Raum, diesen Komplex eher der Dogmatik zuzuweisen, wie dies geschieht bei O. H. PESCH, Katholische Dogmatik aus ökumenischer Erfahrung. Bd. I/1, Ostfildern 2008, 3–369; P. HÜNERMANN, Dogmatische Prinzipienlehre. Glaube – Überlieferung – Theologie als Sprach- und Wahrheitsgeschehen, Münster 2003, W. BEINERT, Theologische Erkenntnislehre, in: Ders. (Hg.), Glaubenszugänge. Lehrbuch der Katholischen Dogmatik. Bd. I, Paderborn 1995, 47–197.
41 Das nach wie vor instruktivste Werk hierzu wurde vorgelegt von H. PEUKERT, Wissenschaftstheorie – Handlungstheorie – Fundamentale Theologie. Analysen zu Ansatz und Status theologischer Theoriebildung, Frankfurt 32009.
42 Vgl. dazu H.-J. HÖHN, Zeit und Sinn, bes. 40–68, 149–210. Religionsphilosophische Diskurse sind ohnehin unabhängig von theologischen Verwertungsinteressen zu führen. Denn hier geht es um die Frage, inwieweit es zur Sache der Vernunft gehört, sich für die Sache der Religion zu interessieren. Die Sache der Religion ist dabei vom Standpunkt des Denkens her zu rekonstruieren, ohne von den Vernunftsubjekten zu verlangen, den Stand-punkt der Religion einzunehmen.
43 Vgl. M. HAKE, Expeditionshandbuch. Planung, Ausrüstung, Krisenmanagement, Stuttgart 2005.
II.
Streitsache „Gott“
Von und zu Gott kann reden, wer an Gott glaubt. Aber versteht man jenseits der Glaubenden, wovon dabei die Rede ist? Was denken sich die Glaubenden dabei, wenn sie das Wort „Gott“ verwenden? Viele Zeitgenossen kommen gar nicht mehr auf den Gedanken, an Gott zu denken, zu ihm zu sprechen oder über ihn zu reden. Für sie ist bereits das Wort „Gott“ ein Fremdwort. Es kommt in ihrem Sprachschatz nicht mehr vor. Es gibt keinen Text mehr, in dem es etwas bedeutet. „Gott“ – ist es ein Name, d. h. gibt es „jemanden“, der auf diesen Namen hört? „Gott“ – ist es ein Nomen, d. h. gibt es ein „etwas“, das diese Bezeichnung verdient?44 Unklar ist der Sprachstatus des Wortes „Gott“ und ebenso der Daseinsstatus des damit Bezeichneten: Was bedeutet oder meint dieses Wort und wer/was verdient in Wahrheit und Wirklichkeit so benannt zu werden? Beide Aspekte sind zu klären, will man sagen, was man meint und wie man dazu kommt, das Wort „Gott“ zu gebrauchen.45
Hier setzt nun die fundamentaltheologische „demonstratio religiosa“ ein.46 Sie hat zur Aufgabe, die Verstehbarkeit des Redens von Gott zu sichern. Ein solches Reden ist für Glaubende eine Selbstverständlichkeit, aber für ihre Kritiker ein Ding der Unmöglichkeit. In der Streitsache Gott gilt es daher dasjenige, was sich für den Nicht-Glaubenden nicht von selbst versteht oder unmöglich erscheint, den Denkenden mit den Mitteln des Denkens verständlich zu machen und als denkmöglich aufzuweisen. Erst dann kann jede/r Denkende dem vom Glauben für selbstverständlich Gehaltenen – die Rede von Gott und die Verwendung des Wortes „Gott“ – mit Verständnis begegnen und es zumindest als nicht-unvernünftig anerkennen. Bei der „demonstratio religiosa“ geht es aber nicht allein um die Frage, welche Bedeutung das Wort „Gott“ (als Nomen oder Name) hat und wie man diese Bedeutung mit den Mitteln der Vernunft klären kann. Zur Debatte steht auch, ob sich mit diesem Wort überhaupt sinnvolle, intersubjektiv einsichtige, nachvollziehbare und rechtfertigungsfähige Sätze bilden lassen oder ob bei seiner Verwendung etwa nur unüberprüfbare Regungen in der psychischen Innenwelt eines religiösen Subjektes geäußert werden. Dabei muss sich die Theologie mit dem Einwand auseinandersetzen, dass selbst diese Klärung wiederum ein Ding der Unmöglichkeit ist.
44 Vgl. I. U. DALFERTH/Ph. STOELLGER (Hg.), Gott nennen. Gottes Namen und Gott als Name, Tübingen 2008.
45 Ohne die Angabe, was ein Wort in Wahrheit und in Wirklichkeit meint, ist eine präzise und konsistente Begriffsdefinition nicht möglich. Inkonsistent ist unter dieser Rücksicht etwa der Begriff „Einhorn“. Man kann zwar definitorisch klären, was „in Wahrheit“ die Bezeichnung „Einhorn“ verdient. Dazu genügt es, wenn der Inhalt des Begriffs widerspruchsfrei ist (z. B. „vierbeiniger Paarhufer mit hornförmiger Stirnwucherung“). Man ist aber nicht in der Lage, den Nachweis seiner Existenz zu erbringen. Es bleibt offen, ob Einhörner auch „in Wirklichkeit“ und nicht bloß in der Welt der Fabel existieren. Dass es gleichwohl eine reichhaltige Literatur darüber gibt, was es nicht gibt, zeigt Ch. LAVERS, Das Einhorn. Natur, Mythos, Geschichte, Darmstadt 2010.
46 Zu Bestimmung von Ansatz, Aufgaben und Ziel siehe auch A. KREINER, Demonstratio religiosa, in: H. Döring/A. Kreiner/P. Schmidt-Leukel, Den Glauben denken. Neue Wege der Fundamentaltheologie, Freiburg/Basel/Wien 1993, 9–48.
§ 4 Bestreitung:
Die Unmöglichkeit, von Gott zu reden
Die sprachphilosophische und wissenschaftstheoretische Diskussion des 20. Jahrhunderts (vor allem im Gefolge des Logischen Empirismus) lässt alle Sätze, in denen das Wort „Gott“ auftaucht, als kognitiv sinnlos erscheinen.