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Geist und Leben 2/2016


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Gedanke ließ ihn ein Leben lang nicht los. Sein Leitspruch war – in spiritueller Abwandlung von Gen 14,21 – da mihi animas, caetera tolle („Herr, gib mir Seelen, alles andere nimm“). Immer wieder zitiert er Pseudo-Dionysius Areopagita: „Das göttlichste aller göttlichen Werke ist es, mit Gott mitzuarbeiten an der Rettung der Menschen.“ Nicht selten betont er: „Wer einen Menschen zum Heil führt und rettet, hat sein eigenes Leben vorherbestimmt.“ Darum setzt er alle Mittel ein und bringt so viele Menschen als nur möglich in Bewegung, für dieses höchste aller Ziele zu arbeiten. Die Jugendlichen werden zu Aposteln ihrer Altersgefährten. Don Bosco war zuerst Priester, dann Erzieher. Die liebende Sorge des Guten Hirten bewegte ihn. Deshalb ist pastorale Liebe die Mitte des salesianischen Geistes.

      Christus stirbt nicht

      Johannes Boscos apostolisches Bemühen ist getragen von einem tiefen Verständnis für die Bedürfnisse und die Situation der Jugendlichen. Er will Gottes Liebe spürbar machen. Darum sucht er in Nachahmung des hl. Franz von Sales die Barmherzigkeit des Vaters und Christus als den Guten Hirten zu vergegenwärtigen. Don Alberto Caviglia, einer der besten Kenner Don Boscos, schreibt dazu: „Er hatte uns gern, er liebte uns, wir spürten es: Die ‚amorvolezza‘, die er zu einer der Grundsäulen seines Erziehungssystems machte, bedeutete einfach: die Jugendlichen gern haben, sie lieben.“5

      Bereits der Berufungstraum verwies ihn auf Christus, den Guten Hirten. Der erste Entwurf der Konstitutionen der neu gegründeten Salesianer-Gemeinschaft aus dem Jahr 1858 nimmt dieses Bild im ersten Artikel auf. Und noch in seinem geistlichen Testament aus dem Jahr 1884 heißt es: „Unser wahrer Obere, Christus Jesus, stirbt nicht. Er wird immer unser Meister sein, unser Führer, unser Leitbild. Aber haltet daran fest, daß er zu seiner Zeit auch unser Richter sein wird und der Belohner für unsere Treue in seinem Dienst.“6

      Vereinigung mit Gott

      Woher schöpfte Don Bosco seine Liebe zur Jugend? Woher nahm er die Kraft, mit seinem ganzen Leben für sie da zu sein? Hier stößt man auf die Vereinigung mit Gott. Seine Maxime war nicht: ora et labora, sondern eher ora laborans oder auch labora orans. Darum wurde sein Leben auch als eine einzige und einzigartige „Vereinigung mit Gott“ bezeichnet. Es handelt sich um die „Gnade der Einheit“ von Aktion und Kontemplation, Gebet und Arbeit, die dazu helfen sollte, „jenen unermüdlichen Arbeitseifer zu erreichen, der geheiligt ist durch das Gebet und die Vereinigung mit Gott. Das sollte das charakteristische Kennzeichen der Söhne des heiligen Johannes Bosco sein.“7 Der Jugendapostel von Turin lebte, als sähe er den Unsichtbaren (vgl. Hebr 11,1–7). Hier ist auch der tiefste Grund seiner auffallenden Ruhe, seiner gleichbleibenden Güte und seiner steten Freundlichkeit zu suchen, obwohl ihn ein Berg von Arbeit belastete.8

      Im Vertrauen auf Maria

      Don Bosco war ein Kind seiner Zeit. Gegenreformatorische Theologie und Frömmigkeit waren vorherrschend. Seelsorger und Katecheten förderten besonders die Marienverehrung unter dem Titel „Hilfe der Christen“. Indifferentismus, Unglaube und Hass gegen die Kirche machten sich da und dort breit. Maria wurde immer mehr als Vermittlerin zwischen Himmel und Erde angerufen. Wie sich Don Giovanni Cagliero, der spätere Kardinal erinnert, sagte Don Bosco zum Jahreswechsel 1862/1863: „Die Muttergottes will, daß wir sie unter dem Titel Maria, Hilfe der Christen, verehren. Die Zeiten sind so trist, daß wir es wirklich nötig haben, daß uns die Heilige Jungfrau hilft, den christlichen Glauben zu bewahren und zu verteidigen.“9 Ähnlich wie L. Grignon de Montfort lebte Don Bosco in einem Klima „marianischer Eschatologie“. Die gleichsam endzeitlichen Bedrängnisse riefen das Bedürfnis nach Hilfe und Schutz durch die mächtige Jungfrau hervor. Er war von ihrer mütterlichen Gegenwart und ihrem Schutz in den salesianischen Niederlassungen zutiefst überzeugt. Er stand in einer sehr persönlichen Beziehung zu ihr als Mutter, Lehrmeisterin und Helferin. Ohne diese, gewiss von der Eigenart seiner Zeit geprägten, intensiven Marienverehrung ist Don Boscos Werk nicht zu begreifen.10

      Leitbild und Namensgeber

      Franz von Sales galt als das bevorzugte Modell der Seelsorge im Priesterkonvikt von Turin. Wieviel Don Bosco von den großen Werken des „Lehrers der Gottesliebe“ gelesen hat, ist nicht bekannt. Gelegentlich zitierte er ihn. Er fand sich zur Gänze wieder in den Ausführungen über die Möglichkeit der Heiligung für alle, wie dies in der Philothea zum Ausdruck kommt. Es waren zwei Eigenschaften, die Don Bosco am Bischof von Genf faszinierten: der unermüdliche apostolische Eifer und die unerschütterliche Treue zur Kirche sowie die von Christi Vorbild getragene Güte und Sanftmut bei der Ausübung seines seelsorgerlichen Dienstes, seine Liebe und Freundlichkeit in den Umgangsformen.11 Im Alter von 26 Jahren fasste Don Bosco Vorsätze für sein priesterliches Leben. Einer lautete: „Die Liebe und die Güte des hl. Franz von Sales sollen mich in allen Dingen leiten.“12

      Treue zu Kirche und Papst

      Don Boscos reiche Kenntnis der Kirchengeschichte, sein gegenreformatorisches Wirken und nicht zuletzt die politische Situation der Kirche im damaligen Italien ließen ihn zum Anwalt der Kirche und des Papstes werden. Italien fand 1861 seine politisch-nationale Einheit, erfochten von zumeist liberalen und antikirchlichen Kräften. 1870 brach der Kirchenstaat zusammen. Für viele schien dies nahezu das Ende der Kirche zu bedeuten. Don Bosco verteidigte das im I. Vatikanischen Konzil erneut gefestigte Papsttum unablässig: „Jede Mühe scheint gering, wenn es um die Kirche und das Papsttum geht.“13 Er schrieb 1867: „Wer eins ist mit dem Papst, ist auch eins mit Christus, und wer dieses Band zerreißt, erleidet Schiffbruch auf dem stürmischen Meer und geht elend zugrunde.“ Mit Recht wird heute betont, dass Don Boscos Kirchlichkeit im historischen Kontext zu sehen und aus manchen Engführungen wie streng konfessionellem Denken, apologetisch-defensiver Einstellung etc. zu befreien ist. Die Grundlinien der Kirchlichkeit nach dem II. Vatikanischen Konzil – die Betonung der Mitverantwortung und Mitbeteiligung aller in der Kirche, innerkirchlicher und ökumenischer Dialog, Kirche als Communio – entsprechen dem Geist Don Boscos zutiefst.

       Ein wegweisendes Wort

      Nimmt man die Grundlinien der Spiritualität Don Boscos zusammen, zeigt sich, dass das eingangs erwähnte Wort – „Ich bin immer vorangegangen, wie Gott es mir eingab und die Umstände der Zeit es erforderten“ – seine geistliche Gestalt zutreffend charakterisiert. Seine Quelle war das Leben Gottes selbst und die Sendung Gottes zum Menschen. Der rechte und ausführliche Umgang mit Gott führt auch zum rechten Umgang mit den Menschen. Er stand bei den Armen und Kleinen, weil er so tief und so sehr bei Gott stand. Es braucht auch heute prophetische Initiativen, die von Gott her auf die Menschen schauen – und umgekehrt, um die drängenden Fragen der Zeit und der jungen Generation zu beantworten.

1G. B. Lemoyne / A. Amadei / E. Ceria, Memorie Biografiche di S. Giovanni Bosco, Bd. I–XIX (= MB). Turin 1898–1948; hier: MB XVIII, 127.
2Vgl. A. M. Kothgasser, Der Geist Don Boscos als Erbe und Auftrag. München 1981, 6.
3T. Bosco, Don Bosco. Sein Lebensweg – sein Lebenswerk. München 1987, 32.
4G. Bosco, Memorie dell Oratorio di S. Franceso di Sales dal 1815–1855 (= MO). Turin 1946, 23f.
5Vgl. ders., Don Bosco. Profilo storico. Turin 1943, 91.
6MB XVII, 258 [s. Anm. 1].
7Konstitutionen der SDB 1984, Art. 95.
8S. dazu B. Maier / M. Maxwald (Hrsg.), Don Bosco Mystiker und Manager. Gottverbundenheit im aufreibenden Alltag. Zum 200. Geburtstag von Johannes Bosco 1815–2015. München 2015.
9MB VII, 334 [s. Anm. 1].
10Vgl. zum Ganzen P. Stella, Don Bosco nella storia della religiosità cattolica. Bd. II: Mentalità religiosa e spiritualità. Rom 1969 (21979), 147–175.
11Vgl. dazu A. Pedrini, Francesco di Sales e Don Bosco. Rom 1983; B. Gesing, Der hl. Johannes Bosco – ein geistlicher Schüler des hl. Franz von Sales? Eine spiritualitätsgeschichtliche Studie über das Verhältnis Don Boscos zu Franz von Sales (Benediktbeurer Schriftenreihe zur Lebensgestaltung