seiner Studie eher konservativer Natur, wollte er mit ihnen doch auf jeden Fall richtig liegen. So wurden nur die gut dokumentierten Fälle der homöopathischen Ärzte in die Statistik aufgenommen, obwohl damals tatsächlich weit mehr Patienten erfolgreich homöopathisch »geimpft« worden waren. Demnach hat man während der Epidemie knapp 3.000 Menschen gegen die Pocken prophylaktisch mit Homöopathie behandelt. Von diesen waren 550 dem Erreger mit größter Wahrscheinlichkeit ausgesetzt, beispielsweise weil ein Mitglied des Haushalts die »Blattern« hatte. Doch nur insgesamt 14 homöopathisch »Geimpfte« erkrankten an der hochgefährlichen Infektionskrankheit. Das bedeutet, dass gerade einmal 0,5 Prozent all der homöopathisch Behandelten oder 2,5 Prozent der höchstwahrscheinlich Infizierten die Pocken bekamen. Anders als bei der normalen Pockenimpfung traten bei der homöopathischen Prophylaxe keine schweren Nebenwirkungen auf. Das Mittel wurde ausgezeichnet vertragen.4 Für diejenigen also, die in Iowa nicht schon vor der Epidemie auf übliche Weise gegen die Pocken immunisiert worden waren, hatte die Schulmedizin damals kein Rezept – und hätte es bis heute nicht. Für die unglückselig Infizierten hätte es damals (wie heute) bedeutet, entweder unwahrscheinliches Glück zu haben und zu überleben – oder aber zu sterben!
Doch nicht nur historisch gesehen verdient die Homöoprophylaxe Beachtung: Nach Überflutungen, welche durch die alljährlichen Hurrikane auftreten, hat Kuba immer wieder mit einer Infektionskrankheit namens Leptospirose zu kämpfen. Der Erreger wird in den überfluteten Gebieten von Ratten auf den Menschen übertragen. Die Krankheit geht einher mit hohem Fieber, Schüttelfrost, starken Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Erbrechen, Gelbsucht, Bauchschmerzen oder Durchfall. Unbehandelt können Patienten Nierenschäden, Meningitis und Leberversagen entwickeln. Auch Todesfälle sind nicht untypisch. Da 2007 nicht genügend konventioneller Impfstoff vorhanden war, entschloss sich die Regierung von Kuba, 2,3 Mio. Menschen in einer Region, die von der alljährlichen Epidemie besonders betroffen ist, homöopathisch mit einer Leptospirose-Nosode zu »impfen«. Das Auftreten der Krankheit ging schon kurz danach drastisch zurück, Todesfälle durch Leptospirose traten überhaupt keine mehr auf. Die Wirkung der Homöoprophylaxe scheint dabei weit besser als die der normalen Impfung gewesen zu sein, trotz der es in den Vorjahren immer noch zu Todesfällen gekommen war. Weitere Vorteile: Die homöopathische »Prophylaxemaßnahme« kostete nur einen Bruchteil der üblichen Impfkampagne, das homöopathische Mittel brauchte, anders als der konventionelle Impfstoff, keine lückenlose Kühlkette und es konnte, im Gegensatz zum allopathischen Impfstoff, auch Kindern unter 15 Jahren sicher und problemlos verabreicht werden.5
Wie diese Fälle belegen, können Homöopathen nicht nur Bagatellkrankheiten wie Schnupfen und Blähungen behandeln, sie sind oftmals gerade dort erfolgreich, wo die konventionelle Medizin nicht mehr weiter weiß oder nur Behandlungsmethoden mit einem teilweise sehr hohen Risiko an Nebenwirkungen und Komplikationen zu bieten hat. Man sollte also meinen, dass vonseiten der Ärzte und Wissenschaftler zumindest Aufgeschlossenheit und Neugier besteht, warum das denn so ist. Was hilft hier? Wirken homöopathische Mittel vielleicht doch? Die Antwort fällt jedoch meist anders aus. Viele Schulmediziner bezweifeln die Wirksamkeit – für sie sind das alles unerklärliche Spontanheilungen, wie auch der Fall von Emil Brehm. Aber ist denn diese große Zahl »unerklärlicher Spontanheilungen« nicht etwas verblüffend? In der homöopathischen Literatur sind Tausende solcher Fälle dokumentiert. Man könnte fast auf den Gedanken kommen, bei Homöopathen träten solche »Wunder« unerklärlich häufig auf, denn ansonsten würden die Leute ja nicht zu ihnen in die Behandlung kommen. Warum also diese fast schon dickköpfige, trotzige und stur anmutende Ablehnung vonseiten der etablierten Medizin? Nur weil noch nicht genau bekannt ist, wie die Homöopathie funktioniert? Hat nicht die konventionelle Medizin selbst immer wieder Medikamente angewendet, von denen auch nicht bis ins letzte Detail geklärt war, wie sie wirken? Hier wird also mit zweierlei Maß gemessen. Es scheint ganz offensichtlich um viel mehr zu gehen als um die Frage nach der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Heilmethode.
HOMÖOPATHIE UND IMPFUNG
»Primo nihil nocere« (»zuerst einmal keinen Schaden zufügen«)
Teil des ärztlichen Versprechens
Die Kontroverse
Vermutlich gibt es kein anderes Thema, das die Gemüter mehr erhitzt, wenn es um die medizinische Versorgung unseres Nachwuchses geht, als die Debatte: Impfen – pro und contra. Homöopathen werden dabei im Allgemeinen ins Lager der Impfgegner abgeschoben, Schulmediziner dagegen sehen das Impfen in aller Regel als eine der großen Segnungen der Medizingeschichte an. Kaum einem der wild Debattierenden scheint dabei bewusst zu sein, dass die Impfung diejenige schulmedizinische Behandlungsmethode ist, die der Homöopathie für lange Zeit am nächsten stand. Mit diesem Kapitel möchte ich nicht in den Disput eingreifen, sondern lediglich die Parallelen und Diskrepanzen zwischen homöopathischer und schulmedizinischer Therapie am Beispiel der Pockenimpfung darlegen.
Das Ähnlichkeitsprinzip in Homöopathie und Schulmedizin
Der Grund für das, neben der etablierten Schulmedizin lange Zeit eher stiefmütterliche, Dahinvegetieren der Homöopathie war sicher nicht das Ähnlichkeitsprinzip. »Similia similibus curentur« (»Ähnliches möge mit Ähnlichem geheilt werden«) stellt den zentralen Grundgedanken der homöopathischen Heilmethode dar. Auch dieses Buch kommt immer wieder auf das Ähnlichkeitsprinzip zurück, wird ihm doch in der modernen Homöopathieforschung größte Wichtigkeit beigemessen. Diesem Wirkprinzip zufolge vermag eine Substanz, die bei einem gesunden Menschen bestimmte Krankheitssymptome hervorruft, einen Kranken mit denselben oder ähnlichen Symptomen zu heilen. Genau wegen dieses Prinzips haben die Gegner der Homöopathie diese Heilmethode immer wieder abschätzig belächelt und deren Vertreter verspottet. Das sei ja, als ob man bei einer Verbrühung gleich noch einmal heißes Wasser hinterherkippe, anstatt zu kühlen, oder bei einem Bienenstich den Gestochenen noch einmal von einer Biene stechen ließe, wird da gelästert.
Dabei vergessen die Spötter eines: Das Ähnlichkeitsprinzip ist auch der Schulmedizin nicht fremd! So scheint es kaum jemand aufgefallen zu sein, dass Edward Jenner, der »Urvater« der Impfung, und Samuel Hahnemann, Gründer der Homöopathie, nicht nur in derselben Epoche lebten, sondern dass die Erkenntnisse beider Männer über das Ähnlichkeitsprinzip im selben Jahr veröffentlicht wurden.
1796 veröffentlichte Hahnemann im Journal der praktischen Arzneikunde seine Erfahrungen mit der Chinarinde. Sechs Jahre zuvor musste dieser im Selbstversuch erkennen, wie er, der Gesunde, beim Einnehmen von »vier Quäntchen guter China« Symptome entwickelte, die stark an das »Wechselfieber« (heute würde man von Malaria sprechen) erinnerten, gegen das das Mittel eigentlich eingesetzt wurde. Daraufhin unternahm Hahnemann noch eine ganze Reihe weiterer Tests (Arzneimittelprüfungen genannt) mit anderen Mitteln, bevor er mit seiner neuen Heilmethode an die Öffentlichkeit trat.
Im Mai desselben Jahres führte Edward Jenner in England seine erste Pockenimpfung an einem Jungen durch. Ihm wird die bahnbrechende Entdeckung zugeschrieben, dass bei Bauern, welche die weniger gefährlichen Kuhpocken durchgemacht hatten, eine erhöhte Resistenz oder gar völlige Immunität gegen die weitaus gefährlicheren »Blattern« bestand. Daraus folgerte er: Durch eine künstlich herbeigeführte Infektion mit Kuhpocken könne ein Schutz gegen die Pocken entstehen. Dies war die Geburtsstunde der modernen Impfung und Immunisierung – und (!) ein ganz typisches Beispiel für das homöopathische Ähnlichkeitsprinzip.
Die hohen Verdünnungen der Homöopathie
Warum, mag man nun ein wenig verblüfft fragen, hat die Homöopathie in der Medizin dann eher ein Außenseiterdasein geführt, während die Immunisierung durch Impfung bis heute von etablierter Seite als eine der größten Errungenschaften der modernen Medizin bejubelt wird? Dafür lassen sich mehrere Gründe anführen, doch der wichtigste dürfte sicherlich in den extrem hohen Verdünnungen der homöopathischen Mittel liegen. Hahnemann wurde rasch klar, dass er bei der Anwendung giftiger und infektiöser Stoffe mit starken Reaktionen rechnen musste – sowohl in der Testung (Arzneimittelprüfung) am Gesunden als auch bei der Anwendung am Kranken. Da er seinen Beruf als Arzt schon einmal an den Nagel gehängt hatte, weil er die recht brutalen Heilmethoden seiner Zeit, wie den schwächenden Aderlass und die Behandlung mit stark giftigen »Antibiotika« (damals wurden hochtoxische Quecksilberverbindungen verwendet), nicht verantworten