Alexander Pelkim

Schwarzfahrt


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spätestens morgen per Fax oder Mail hier ein«, antwortete Jasmin.

      Schössler hatte dem Team mehrere uniformierte Beamte zur Seite gestellt, die mithelfen sollten, die zu erwartende große Anzahl der Taxifahrer zu befragen.

      »Dann nehmt ihr euch noch einmal die Zeugen der alten Fälle vor. Stellt Fragen wegen der Taxis, quetscht sie ein weiteres Mal über den Abend und das Umfeld der Toten aus. Vielleicht fällt ihnen etwas ein, was sie bisher übersehen oder vergessen hatten. Ich nehme mir die drei Freunde vor, die in Tanjas und Valeries Begleitung waren.«

      Es wurde ein Tag mit vielen Telefonaten und Gesprächen.

      »Nix, einfach gar nix Neues in Erfahrung zu bringen«, stöhnte Jasmin. Sie hatte den ältesten Mordfall übernommen. »Zwei der ehemaligen Zeugen konnte ich gar nicht ausfindig machen, bei allen anderen waren die Erinnerungen verblasst. Meistens hieß es: schon zu lange her. Ich befürchte die Bemühungen waren umsonst.«

      »Bei mir ähnlich«, gestand Rautner. »Die, mit denen ich gesprochen habe, konnten mir keine neuen Details berichten. Sie verwiesen mich auf ihre damaligen Aussagen, mehr konnte ich nicht herausholen.«

      »Auch ich bin nicht weitergekommen. Es gibt keine neuen Anhaltspunkte.« Etwas resigniert ließ Habich den Kugelschreiber auf seinen Schreibtisch fallen und lehnte sich zurück. »Tanjas Freunde haben nichts gesehen, nichts gehört und keine Vorstellung, wer das Tanja Böhmert angetan haben könnte.«

      »Übrigens, ich wollte noch etwas wegen Lackner …« Jasmin wurde durch das anspringende Faxgerät unterbrochen. Sie stand auf, vergaß den Satz zu vollenden, holte sich die Blätter und überflog sie.

      »Was sind das für Faxe?«, fragte Habich.

      »Die ersten Fahrerlisten«, antwortete sie und las weiter.

      »Wolltest du nicht eben etwas über Lackner erzählen.«

      »Ach nee!«, hörten sie Jasmin unbeirrt sagen. »Ihr glaubt nicht, wer auf dieser Liste steht.«

      »Ich hoffe, du wirst es uns gleich verraten«, sagte Chris mit ironischem Unterton, »ansonsten müssen wir …« Jasmins Blick ließ ihn verstummen und er schluckte das Wort »raten« hinunter.

      »Hier taucht der Name Peter Lackner auf …«

      »Unser Gesuchter?«

      »Wenn es nicht ein Namensvetter ist, dann …«

      »Warte mal! Der ist Taxi gefahren? Wann und wo?«, stoppte Habich Jasmins Ausführungen.

      »Er hat den Taxischein seit …, seit acht Jahren.«

      »Also etwa ab der Zeit, als der erste Mord passierte. Wo ist er gefahren?«

      »In Würzburg. Mehr weiß ich nicht. Den Unternehmer, bei dem er fährt oder gefahren ist, kenne ich nicht. Deren Meldungen fehlen noch. Diese Unterlagen sind von der Behörde und sie listen die aktuellen Inhaber eines Taxischeines auf.«

      »Das wiederum bedeutet, er hat noch einen Schein und könnte noch aktiv sein.«

      »Laut diesen Daten hier, ja. Aber genau erfahren wir es, wenn die Taxiunternehmer uns ihre derzeitigen Fahrer benannt haben.«

      »Na, das ist doch schon mal ein Anfang. Dann hoffe ich, wir bekommen alle notwendigen Informationen bis morgen. Mach noch mal Dampf bei den Unternehmern.« Er erhob sich. »Und jetzt ist für heute Schluss.«

      Jasmin und Chris schauten sich an. Es war für sie absolut neu, dass ihr Chef pünktlich Feierabend machte. Rautner grinste und bemerkte: »Du wirst doch nicht irgendetwas vorhaben?«

      »Und wenn, dann ginge es dich nichts an«, maßregelte Habich seinen jungen Kollegen. »Auch wenn es dich überrascht, ich habe ein Privatleben.«

      »Kaum vorstellbar.« Rautner schüttelte amüsiert den Kopf. Er ließ sich von dem Ton seines Chefs nicht irritieren. »Du wirkst so … so …«

      »Bemüh dich nicht, die richtigen Worte zu finden«, winkte Habich ab und verschwand durch die Tür.

      Pünktlich um 19 Uhr stand Hauptkommissar Habich mit seinem Wagen bei der angegebenen Adresse in der Kettelerstraße. Genauso pünktlich trat Dorothea Wollner aus dem Haus und stieg zu ihm ins Auto. Sie sah umwerfend aus in ihrem lässigen Look aus Jeans, leichtem Pullover und Lederjacke. Selbst im Jogginganzug würde sie manche Frau im Abendkleid ausstechen, fand Habich. Diese Beurteilung war natürlich eher seiner Gefühlslage zuzuordnen. Er hatte kein Auge von ihr lassen können auf dem Weg vom Haus zu seinem X3. Sie hatte es bemerkt und fragte nun, als sie auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte: »Nehmen Sie mich so mit? Ich fühle mich in legerer Kleidung am wohlsten.«

      »Ich würde mit Ihnen sogar so zum Wiener Opernball gehen«, versuchte er ein Kompliment. Dorothea Wollner quittierte es lächelnd.

      »Der Weg dorthin wäre mir etwas zu weit, da ich ganz schön hungrig bin«, gestand sie.

      »Dann will ich Sie schnellstens von Ihrem Leiden erlösen«, bemerkte Habich und gab Gas.

      Der Weg vom Frauenland hinunter in die Stadt war zu der abendlichen Stunde keine langwierige Angelegenheit. So langsam beruhigte sich der Feierabendverkehr, denn die meisten Berufstätigen und die, die einkaufen waren, strömten aus der Stadt hinaus. In der Ludwigstraße fand der Hauptkommissar einen freien Parkplatz. Von dort aus waren es nur noch ein paar Schritte bis zum Ziel. Die Tatsache, dass Habich im Restaurant mit Namen begrüßt wurde, zeigte seiner Begleitung, dass er hier öfters verkehrte. An einem kleinen Seitentisch mit zwei bequemen Sitzbänken nahmen sie Platz. Ohne Umschweife widmeten sie sich der Speisekarte, die ihnen der Kellner gleich nach der Ankunft vorgelegt hatte.

      Beide nahmen als Vorspeise Kürbis-Ingwer-Suppe. Die Rechtsmedizinerin wählte Rinderfiletspitzen auf Wokgemüse in Sojasauce mit Kartoffelspalten für den Hauptgang, der Hauptkommissar bevorzugte die Viertel Bauernente mit Kartoffelklößen und Wirsinggemüse. Dazu bestellte Habich für sich und seine Begleitung eines seiner Lieblingsgetränke, einen feinherben fruchtigen Bacchus.

      »Trinken wir darauf, dass Ihnen meine erste Empfehlung zusagt«, meinte Habich, nachdem die Getränke vor ihnen standen, und hob sein Glas.

      »Mir gefällt schon mal das Ambiente«, nickte Frau Doktor Wollner mit einem Blick in die Runde. »Wenn jetzt das Essen noch so gut schmeckt, wie es sich auf der Karte gelesen hat, bin ich höchst zufrieden.«

      »Lassen Sie sich überraschen.«

      Nachdem sie angestoßen hatten, probierte Habichs Begleitung vorsichtig den Frankenwein. Aus der Lippenbefeuchtung wurde ein zweites Nippen und schließlich ein kräftiger Schluck.

      »Habe ich Ihren Geschmack getroffen?«, fragte ihr Gegenüber und deutete auf das Getränk.

      »Ja, durchaus! Der Wein ist sehr köstlich«, sagte sie, während sie das Glas abstellte. Sie stützte die Ellenbogen auf, verschränkte die Hände und legte ihr Kinn darauf. »Sie scheinen hier Stammgast zu sein.«

      »Sagen wir, ich gönne mir hier hin und wieder ein Essen und einen guten Wein.«

      »Erzählen Sie mir etwas über sich. Sie sind doch der Sprache nach auch kein Franke.«

      Nur zögernd begann er zu erzählen, aber das Lächeln der Pathologin war entwaffnend, man konnte ihr nichts abschlagen. Nach der Kürbis-Ingwer-Suppe wusste sie so viel über den Privatmenschen Habich, soviel dieser bereit war offenzulegen. Als sie sich dem Hauptgang zuwendeten, erfuhr Dorothea Wollner mehr über Habichs beruflichen Werdegang. Dass er als junger Kommissar über den Boxsport vor über zwanzig Jahren in Würzburg seine neue Heimat gefunden hatte. Ab der Nachspeise – Frau Doktor Wollner hatte Crème brûlée mit marinierten Beeren und Vanilleeis gewählt, Habich entschied sich für die Käsevariation mit Feigensenf – war es an der Rechtsmedizinerin, von ihrer Vergangenheit zu plaudern. Sie stammte aus Niedersachsen, hatte in Hamburg Medizin studiert und sich in Berlin zur Fachärztin für Rechts- oder Gerichtsmedizin in den Bereichen Pathologie, Psychiatrie, Psychotherapie und forensische Psychiatrie weitergebildet.

      »Und wo