Alexander Pelkim

Schwarzfahrt


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gockelhafte Getue von eingebildeten oder alkoholisierten Gästen gegenüber Bedienungen meine ich nicht. Ich denke eher an jemand, der sie vielleicht massiver oder intensiver bedrängte.«

      Böhmert überlegte und nickte dann. »Es gab da tatsächlich jemanden, der Tanja ein bisschen Stress bereitete. Ein ehemaliger Freund, mit dem sie mal vor Jahren zusammen war, fing wieder an ihr nachzustellen und machte sich nach Tanjas Trennung erneut Hoffnungen. Aber ich hielt es für harmlos«, er schüttelte den Kopf, »obwohl Tanja genervt war und eine lautstarke Auseinandersetzung mit ihm hatte. Wir haben es gehört, als er sie mal besuchte. Das alte Haus ist nicht sehr gut isoliert«, meinte er entschuldigend und deutete mit dem Zeigefinger zur Zimmerdecke.

      »Wie heißt der junge Mann?«

      »Peter Lackner.«

      »Wissen Sie auch, wo ich ihn finden kann?«

      »Glauben Sie wirklich, er hat etwas mit Tanjas Tod zu tun?«

      »Nein, so weit sind wir noch lange nicht. Ich will nur mit ihm reden. Wenn er sich so um Ihre Tochter bemüht hat, hat er womöglich etwas mitbekommen, das für uns wichtig sein kann.«

      »Ach so!« Böhmert schien nicht glauben zu können, dass jemand aus dem näheren Umfeld seiner Tochter ihr so etwas angetan haben könnte. Er wirkte weiterhin extrem fassungslos, während seine Frau immer noch schluchzend danebensaß.

      Der Hauptkommissar hatte da ganz andere Erfahrungen. Er wusste, dass man in den meisten Fällen die Täter im Verwandten-, Bekannten- oder Freundeskreis zu suchen hatte. Diese Erkenntnisse behielt er aber lieber für sich, um bei den armen Eltern kein Kopfzerbrechen zu verursachen.

      »Soweit ich weiß, arbeitet er bei einer Baufirma in Kitzingen.« Er beschrieb Habich den Weg dorthin.

      Zuerst fuhr der Hauptkommissar in die Gaststätte, in der die Ermordete gearbeitet hatte. Dort konnte man ihm auch nicht weiterhelfen. Größeren Ärger oder Streit zwischen Tanja und Gästen habe es seines Wissens nach nie gegeben, berichtete ihr Chef. Der Wirt wusste nur, dass Tanja nach ihrem letzten Arbeitstag noch mit einer Freundin in eine Disco wollte, leider nicht mit wem und wohin.

      Bei der Baufirma erfuhr Habich, dass Lackner seit letzter Woche Montag nicht zur Arbeit erschienen war und sich auch nicht krankgemeldet hatte. Zuhause traf er den Gesuchten nicht an. Zumindest öffnete ihm auf sein Läuten niemand die Tür. Weder Wohnungsnachbarn noch der Vermieter wussten, wo sich Lackner aufhielt. Er warf ihm eine Visitenkarte in den Briefkasten mit der Aufforderung, sich bei ihm auf der Dienststelle in Würzburg zu melden. Daraufhin kehrte Habich ins Büro zurück.

      »Seid ihr beiden weitergekommen?«

      »Nein! Bei den Altakten haben wir nichts Auffälliges gefunden, was eventuell übersehen worden wäre, und in unserem neuen Fall gibt es auch nichts Neues.«

      »Dann möchte ich mehr über diesen Lackner und ihren letzten Freund, Dieter Ranko, erfahren«, sagte Habich an Jasmin gewandt. Den Namen hatte er ebenfalls von Tanjas Vater erfahren. »Außerdem müssen wir herausbekommen, wer die Freundin war, mit der Tanja nach ihrem Dienst noch ausgegangen ist«, überlegte er laut. »Vielleicht kennen Tanjas Eltern ihren Namen.«

      Ein kurzer Anruf im Hause Böhmert brachte ihn nicht weiter. Dort ging jetzt niemand ans Telefon.

      Fragen über Fragen

      Trüb und grau wie der Novembertag war die Stimmung am nächsten Vormittag im Büro der drei Kommissare. Es gab keine neuen Erkenntnisse, weder im aktuellen Fall noch bei den alten Fällen. Auch der abschließende KTU-Bericht hinsichtlich der Reifenspuren am Tatort wies nicht viele neue Ergebnisse auf. Es waren Allerweltsreifen, wie man auf Grund des Profils festgestellt hatte, die auf keinen bestimmten Fahrzeugtyp hinwiesen. Zudem konnte man nicht sagen, ob sie tatsächlich vom Wagen des Täters stammten.

      Hauptkommissar Habich machte einen erneuten Versuch, ein Elternteil Tanjas telefonisch zu erreichen. Während es klingelte, beobachtete er, wie Jasmin in der zweiten Altakte las. Chris versuchte derweil Informationen über den gesuchten Peter Lackner zu finden. Eine männliche Stimme am anderen Ende der Leitung holte ihn aus seinen Gedanken.

      »Böhmert!«

      »Hallo, Herr Böhmert, hier ist Hauptkommissar Habich. Ich habe noch eine Frage.« Er zögerte. »Nein! Eigentlich sind es mehrere Fragen. Wussten Sie oder Ihre Frau, dass Ihre Tochter nach der Arbeit noch ausgehen wollte?«

      »Moment bitte.« Am anderen Ende der Leitung wurde miteinander gesprochen. »Ich wusste es nicht, aber meine Frau. Tanja hat es ihr gesagt. An dem Nachmittag war ich nicht zuhause.«

      »Gut! Jetzt zu meiner zweiten Frage. Weiß einer von Ihnen, mit welcher Freundin Ihre Tochter unterwegs war?«

      Wieder ließ Böhmert den Kommissar am Telefon alleine und sprach mit seiner Frau, dann erfolgte die Antwort: »Sie hat meiner Frau nur gesagt, dass sie nach der Arbeit noch mal weggeht, aber nicht mit wem. Wir sind uns nicht sicher, aber es kann sich eigentlich nur um Valerie Rissek, ihr beste und langjährige Freundin, handeln.«

      »Wo kann ich die junge Dame finden?«

      »Ihre derzeitige Adresse kennen wir nicht …«

      »Dann vielleicht, wo sie arbeitet.«

      »Meine Frau sagt mir gerade, sie sei Krankenschwester im Klinikum Kitzinger Land.«

      »Okay, das reicht mir fürs Erste. Danke für die Auskunft.« Habich legte auf und machte sich Notizen. Erneut griff er zum Hörer. Nach zwei Telefonaten, mit der Stadtverwaltung Dettelbach und dem Einwohnermeldeamt in Kitzingen, wusste er die Wohnadresse von Valerie Rissek. Plötzlich fiel ihm ein: »Haben wir eigentlich schon einen Bericht der Gerichtsmedizin?«

      »Nein!«, kam die zweifache Antwort.

      »Dann werde ich dort mal vorbeifahren und mich nach dem Stand der Dinge erkundigen. Anschließend versuche ich diese Freundin von Tanja ausfindig zu machen.«

      »Ach, und wir haben weiterhin Innendienst?«, beschwerte sich Rautner.

      »Hat sich dieser Lackner schon gemeldet oder hast du ihn gefunden?«

      »Bisher noch kein Lebenszeichen.«

      »Also was beschwerst du dich. Mach ihn ausfindig.«

      »Soll ich ihn in die Fahndung geben.«

      »Nein! Wir warten noch bis morgen.«

      »Dann könnte ich mich doch bei den Arbeitskollegen näher über ihn erkundigen und fahr noch mal bei seiner Wohnung vorbei. Vielleicht ist er ja irgendwo aufgetaucht.«

      »Gut, mach das. Aber vergiss auch nicht Tanjas letzten Freund, von dem sie sich am Jahresende getrennt hat, diesen Dieter Ranko. Wir müssen mehr über ihn wissen und ob er ein Alibi hat.«

      »Das kann ich doch machen«, bot sich Jasmin an.

      »Wenn du Zeit dazu findest, soll es mir recht sein.«

      Habich grinste beim Hinausgehen. Er wusste, wie ungern Chris Schreibtischdienst verrichtete. Da ging es dem jungen Kommissar wie ihm selbst. Lieber war er draußen, um vor Ort zu ermitteln, Leute zu befragen, zu observieren oder Ähnliches. Nur kamen sie bei ihrer Arbeit nicht umhin sich auch mit Papierkram zu befassen. Gott sei Dank war Jasmin in dieser Hinsicht geduldiger und nahm den beiden vieles ab, was irgendwie mit Schreibtischarbeit zu tun hatte.

      Mit seinem Wagen fuhr er in die Versbacher Straße, wo die Rechtsmedizin ihren Sitz hatte. Frau Doktor Wollner traf er in ihrem Büro an. Sie diktierte gerade Berichte.

      »Oh, Herr Hauptkommissar, gerade habe ich an Sie gedacht«, sagte sie lächelnd, nachdem sie ihre Arbeit unterbrochen hatte. Habich wirkte im ersten Augenblick verlegen, was sein Blick auch deutlich ausdrückte. Ihr Lächeln wurde noch breiter. »Sie warten doch sicherlich auf meinen abschließenden Obduktionsbericht?«

      »Oh, ja, ja! Das … das war der Grund meines Besuches«, antwortete er mit belegter Stimme.

      »Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet«, antwortete