weil er nebenbei am Wochenende noch gejobbt hat. Tanja war jung und wollte etwas erleben und da ist es immer wieder zu Reibereien gekommen. Erst später hat sich Tanja mir anvertraut und darüber gesprochen. Sie hat Knall auf Fall mit Lackner Schluss gemacht und ihn zum Teufel gejagt. Er hat ihr eine ganze Zeitlang noch nachgestellt.«
»Wie hat sich das bemerkbar gemacht?«
»Na ja, er ist öfters mal dort aufgetaucht, wo wir auch waren. Es sollte zufällig wirken, das war es aber nicht.« Sie machte eine abfällige Handbewegung. »Er sah zwar gut aus, war aber charakterlich ein Arsch, wenn Sie meine Meinung hören wollen.«
»Wie lange ging das mit dem Nachstellen oder Stalken, wie man heute sagt?«
»Das war meines Wissens zu Ende, als Tanja mit ihrem neuen Freund zusammen war. Der hat Peter mal zur Rede gestellt und ein ernstes Wörtchen mit ihm gesprochen. Zumindest habe ich Lackner danach so gut wie nicht mehr gesehen.«
Nach dieser Auskunft verabschiedete sich Habich endgültig von der jungen Frau und machte sich auf den Weg zurück zur Dienststelle.
Rautners Mission war nur zum Teil von Erfolg gekrönt. Der Gesuchte blieb verschwunden. Weder in dessen Wohnung noch auf der Arbeitsstelle hatte er sich sehen lassen, aber die Kollegen konnten ihm einiges erzählen. Durch die Bank weg schilderten sie Lackner als arrogant und aggressiv.
»Wenn etwas nicht funktionierte, so wie er wollte, wurde er schnell impulsiv und hatte sich nicht mehr im Griff. Mit Alkohol ging es noch schneller«, wurde dem Kommissar berichtet.
»Wo könnte er jetzt sein?«, hatte sich Rautner bei Lackners Arbeitskameraden erkundigt. Die Antwort war einstimmiges Achselzucken.
»Peter hat privat nicht viel über sich verraten. Keiner von uns war näher mit ihm befreundet. Wir sind alle nicht so richtig mit ihm warm geworden. Er war ein bisschen ein Sonderling.«
Beide Kommissare kehrten am Nachmittag von ihren Nachforschungen zurück und erstatteten entsprechend Bericht.
Jasmin hatte aufmerksam zugehört, und gerade bei Habichs Ausführungen über die Aussage von Valerie Rissek wurde sie hellhörig.
»Moment mal! Taxi, Taxi, Taxi …«, murmelte sie und holte die Akten der beiden Altfälle hervor.
»Was hat dein Gemurmel zu bedeuten?«, fragte Habich.
Ohne sofort zu antworten, blätterte sie die erste Akte durch und überflog im Schnellverfahren Protokolle von Aussagen. Gespannt schauten ihr die beiden Kollegen zu. »Hier«, sagte sie plötzlich, fuhr mit dem Zeigefinger über einen Satz und nickte. Gleich darauf hatte sie die zweite alte Akte in der Hand und nahm die gleiche Prozedur vor. Wieder wurde sie fündig und quittierte es erneut mit dem Ausruf: »Hier!«
»Klärst du uns mal auf?«, erkundigte sich Rautner.
»Ich glaube, ich habe Parallelen bei den Fällen gefunden. Als Theo von einem Taxi sprach, mit dem unser letztes Opfer heimfahren wollte, ist mir eine Gemeinsamkeit aufgefallen.«
»Dann lass mal deine Theorie hören«, forderte der Hauptkommissar seine junge Kollegin auf.
»Erstens war es jedes Mal ein Wochenende, an dem die Opfer verschwanden. Zweitens waren alle mit Freunden unterwegs und wollten alleine nachhause. Drittens hatten alle drei Frauen vor, mit einem Taxi zu fahren. Was uns fehlt, ist die jeweilige Bestätigung, dass sie auch wirklich in ein Taxi eingestiegen sind. Dafür gibt es leider keine Zeugen oder es haben sich keine gefunden. »Aber …«, sagte Jasmin bedeutungsvoll und machte eine kurze Pause, »… was wäre denn, wenn die drei Opfer in ein Taxi eingestiegen wären.«
Chris runzelte die Stirn. »Ja und, was soll dann sein?«, fragte er etwas begriffsstutzig.
»Dann hätte sie das Taxi doch sicherlich bis zur Haustür gefahren und sie wären wohlbehalten angekommen.«
»Also sind sie nicht in ein Taxi eingestiegen.«
Jasmin zögerte kurz. »Und wenn doch?«
»Jetzt verstehe ich gar nichts mehr«, gestand Rautner. »Wenn sie in ein Taxi gestiegen wären, dann wären sie doch jetzt nicht tot.«
»Und was, wenn alle drei in dasselbe Taxi gestiegen wären?«
Wieder entstand eine Pause, in der man merkte, wie es in den Köpfen der beiden Männer arbeitete.
»Ach, jetzt verstehe ich.« Chris schien es zu dämmern, was Jasmin meinte.
Auch der Hauptkommissar hatte Jasmins Schlussfolgerung verstanden. »Ich weiß, was du damit sagen willst. Dann müssten wir den Täter unter den Taxifahrern suchen.« Er nickte anerkennend. »Der Gedanke ist gar nicht so verkehrt. Darauf scheint noch keiner gekommen zu sein. Obwohl wir im aktuellen Fall dazu noch keine Aussagen haben, ob unser Opfer nicht doch ein Taxi genommen hat. Das herauszufinden, sollte unsere nächste Aufgabe sein.«
Die junge Kommissarin wirkte überzeugt, als sie sagte: »Ich wette mit euch, dass wir auch dieses Mal niemand finden, der Tanja Böhmert gefahren hat. Sollte sich das bewahrheiten, wie wahrscheinlich ist dann ein Zufall, dass in allen drei Fällen jeweils ein Taxi benutzt werden sollte und sich keines findet, das die Fahrt gemacht hat? Es wäre ein neuer Ansatz, dem wir unbedingt nachgehen sollten.«
»Wie detailliert sind dazu unsere vorhandenen Zeugenaussagen?«, wollte Habich wissen.
Chris half mit und schnappte sich eine Akte. Beide blätterten und lasen, bis sie etwas gefunden hatten. Jasmin war schneller. »Da habe ich etwas. Im Falle von Monika Starke, dem ersten Opfer. Sie war mit zwei Freundinnen in einer Diskothek im Mainfrankenpark. Die Freundinnen haben ausgesagt, dass sie früher gegangen ist und ein Taxi nehmen wollte, weil sie am nächsten Tag zeitig aufstehen wollte. Sie musste scheinbar noch Arbeiten für die Uni fertig machen. Die beiden Begleiterinnen sind noch geblieben. Für die Zeit danach haben wir keine Zeugen.«
»Okay! Auch ich habe etwas gefunden. Unser zweites Opfer war mit ihrem Partner und mehreren Bekannten in Sulzfeld auf Weinfest. Sie hatte Stress mit ihrem Freund und hat Hals über Kopf das Fest verlassen. Nur zwei der Bekannten hatten mitbekommen, dass sie geäußert habe, mit einem Taxi heimzufahren. Das war das letzte Lebenszeichen von Sylvia Harms.«
»Warum ist das damals niemand aufgefallen? … Ich meine das mit dem Taxi«, wunderte sich Jasmin.
Ihr Chef hob hilflos die Schultern und ließ sie mit einem tiefen Seufzer wieder fallen. »Wie ich euch schon erklärt habe, gab es zu der Zeit drastische Personalprobleme. Auch eine Sonderkommission stand nicht zur Debatte, da beide Mordfälle als Einzeltaten gesehen wurden. Aber woran ich mich erinnere, waren in beiden Fällen öffentliche Zeugenaufrufe mit Schwerpunkt Taxifahrer. Es meldete sich niemand. Auf den Aufwand einer Einzelbefragung der Taxifahrer wurde trotzdem verzichtet.«
»Es könnte ein fallrelevantes Versäumnis gewesen sein«, bemerkte Chris.
»So weit würde ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gehen, aber gut. Ihr wisst ja nun, was ihr zu tun habt«, sagte Habich und blickte dabei abwechselnd auf Jasmin und auf Rautner. »Ich möchte eine Liste aller Taxifahrer, die dafür in Frage kommen könnten.«
»Wie sollen wir das denn anstellen?«, überlegte Rautner laut. »Weißt du, wie viele Fahrer es alleine im Landkreis Würzburg und Kitzingen gibt? Und es ist nicht gesagt, dass er hier aus der Region kommt.«
»Gerade hast du von Fallrelevanz gesprochen und nun jammerst du. Auf, auf, wir müssen Versäumnisse aufarbeiten. Außerdem glaube ich kaum, dass jemand aus einer fremden Gegend mit einem Taxi hierherkommt, um ab und zu mal zu morden«, gab Jasmin zu bedenken. »Bei einem solchen Fahrzeug mit auswärtiger Nummer wäre die Gefahr groß aufzufallen und wer steigt schon in ein ortsfremdes Taxi.«
Chris winkte ab. »Du glaubst doch nicht, dass jemand zu solch später Stunde auf das Nummernschild schaut. Da ist jeder froh, wenn er ein Taxi bekommt. Nachts ist das leider immer etwas schwierig und an den Wochenenden erst recht.«
»Sprichst du aus Erfahrung?«
»Ja! Ab und zu nutze ich so etwas auch.«