Alexander Pelkim

Schwarzfahrt


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tote junge Frau … zirka Ende Zwanzig … Name und Herkunft bisher unbekannt.«, informierte ihn Jasmin.

      »Was sagt unsere neue Gerichtsmedizinerin dazu?«

      »Das Opfer ist seit Stunden tot. Fundort ist nicht gleich Tatort, behaupten die Kollegen. Sie wurde vermutlich irgendwann in der Nacht hier abgelegt.«

      »Wer hat sie gefunden?«

      »Die Dame dort drüben mit dem Hund.« Jasmin zeigte mit dem Kopf in Richtung einer Frau, die dort nervös rauchend stand und frierend der Dinge harrte. Der Vierbeiner neben ihr beobachtete aufmerksam das Geschehen und die Menschen, die sich am und um den Pavillon bewegten.

      »Hat schon jemand mit ihr gesprochen?«

      »Nein, noch nicht … Ja, doch, die Kollegen der Streife, aber nur flüchtig.«

      Die Unterhaltung zwischen den beiden wurde unterbrochen. Rautner trat hinzu, immer noch mit den schwächer werdenden Kaffeeflecken auf seiner Jeans hadernd.

      Intensiv musterte Rautner einen Moment die Tote. »Denkst du auch, was ich denke?«, fragte der Kommissar danach seinen Chef. Der nickte zustimmend.

      »Weihen die Herren mich in ihre Gedanken ein?«, erkundigte sich Jasmin Blume, die dritte Kommissarin im Team.

      »Es erinnert uns an einen älteren ungeklärten Fall«, brummte Habich nachdenklich und winkte ab. »Wir reden später im Büro darüber.« Dann stampfte er durch das feuchte Gras davon, um sich nach mehreren Schritten noch mal umzudrehen.

      »Befragt die Frau, die die Leiche gefunden hat, die Gaffer dort und geht zu den letzten Häusern am Ortsende.« Dabei zeigte er mit dem Kopf in die entsprechende Richtung. »Vielleicht hat einer etwas gesehen oder gehört.«

      Während Blume und Rautner sich in verschiedene Richtungen entfernten, um ihren Aufgaben nachzugehen, trat Habich noch näher an die Leiche heran. Die Frau, die vor der Toten auf der Erde kniete, hob den Kopf. Theo schaute in zwei blaue Augen, die ihn sofort faszinierten. Die dazugehörige Blondine mit dem schulterlangen gewellten Haar und den leicht hervorstehenden Wangenknochen lächelte ihn freundlich an.

      »Hallo, Herr Hauptkommissar!« Theos Mund war ganz trocken und er bekam sekundenlang keinen Ton heraus. Die hübsche Frau vor ihm auf den Knien runzelte leicht die Stirn. »Sie sind doch Hauptkommissar Habich, oder?«

      »Ja, ja!«, beeilte er sich zu sagen. »Woher kennen Sie mich? Wir sind uns noch nicht begegnet.«

      »Oh, man hat mir schon von einem Schwergewichtsboxer und Hauptkommissar der Mordkommission mit dem Spitznamen ›Kojak‹ berichtet. Auf Grund dieser eindeutigen Beschreibung waren Sie nicht zu verwechseln«, antwortete sie schmunzelnd.

      »Halbschwergewicht und ehemalig! Ist schon länger her«, murmelte er etwas verlegen. »Und Sie sind sicherlich die neue Gerichtsmedizinerin?«

      Nickend erhob sich die Ärztin, zog ihre Gummihandschuhe aus und reichte ihm die Hand. »Dorothea Wollner«, stellte sie sich vor.

      »Na dann, Frau Doktor Wollner, auf gute Zusammenarbeit. Können Sie mir schon etwas über Todeszeit und Todesursache sagen?«, wurde Habich jetzt dienstlich.

      »Todeszeit ist schwierig, da sie vermutlich die halbe Nacht hier draußen in der Feuchtigkeit lag. Jedoch müsste der Tod schon Stunden vorher, vielleicht irgendwann am gestrigen Abend, eingetreten sein. Als Todesursache vermute ich Strangulation mit diesem Seidenschal um ihren Hals. Andere sichtbare Verletzungen habe ich nicht gefunden. Aber Genaueres kann ich Ihnen erst nach der Obduktion sagen. Sie entschuldigen mich, ich muss mich um den Abtransport der Leiche kümmern.« Damit verabschiedete sich die Gerichtsmedizinerin.

      Jasmin hatte währenddessen die Frau, die das Opfer gefunden hatte, eine Mittvierzigerin, erreicht. Der Hund erhob sich schwanzwedelnd, um den Ankömmling zu begrüßen.

      »Schönes Tier«, eröffnete Jasmin das Gespräch. »Was für eine Rasse?«

      »Ein Beagle.«

      »Darf man ihn streicheln?«

      »Ja, ja, Betsy ist lammfromm.«

      »Aha, eine Hundedame also«, stellte die Kommissarin fest, beugte sich hinab und strich dem Hund übers Fell. Betsy ließ es, freudig wedelnd, anstandslos über sich ergehen.

      »Erzählen Sie mir bitte noch mal, was Sie heute früh hier erlebt oder vielmehr vorgefunden haben«, bat Jasmin die Frau.

      Diese wiederholte erneut, was sie schon den zuerst eingetroffenen Polizisten in Kurzform geschildert hatte. Außer dem Leichenfund habe sie keine Wahrnehmung gemacht und nichts Verdächtiges gesehen, erzählte die Frau. Kommissarin Blume war schnell klar, dass die Hundebesitzerin nichts zur Klärung des Falles beitragen konnte. Sie nahm ihre Personalien auf, entließ die Frau und marschierte auf die Häuser zu, um dort ihre Befragung fortzusetzen.

      Sowohl sie als auch ihr Kollege Rautner bekamen keine wertvollen Aussagen oder Hinweise. Niemand hatte etwas gesehen oder gehört. Ergebnislos brachen sie ihre Ermittlungen ab.

      Die Kollegen der Spurensicherung konnten ebenfalls mit wenig bis gar keinen nützlichen Anhaltspunkten aufwarten. Lediglich zwei Reifenabdrücke konnten sichergestellt werden. Aber ob einer oder alle beide vom Fahrzeug des Täters stammten, war völlig ungewiss. Die These erhärtete jedoch den Verdacht, dass die Leiche mit einem Wagen an die Fundstelle gebracht worden war.

      »Was war eigentlich mit diesem alten Fall, von dem Theo vorhin sprach?«, fragte Jasmin auf der Rückfahrt.

      »Eigentlich gibt es da noch zwei ungeklärte Morde, die dem von heute ähneln. Aber warte, bis wir im Büro sind, Theo kann dir sicherlich mehr dazu sagen.«

      So war es dann auch. Hauptkommissar Habich hatte schon die fahrbare Tafel aus Plexiglas hervorgeholt und war gerade dabei, dort Tatortbilder und Fotos der Toten zu befestigen. Daneben hängte er Aufnahmen zweier fremder weiblicher Gesichter und Örtlichkeiten.

      »Sehr gut, ihr kommt genau richtig«, wandte sich Habich an die beiden, als sie das Büro betraten. Den fragenden Blick Jasmins ignorierte er und fuhr mit seiner Arbeit fort. »Setzt euch, ich bin gleich fertig, außerdem erwarte ich unseren Chef.«

      Kaum ausgesprochen, öffnete sich die Tür. Eine blasse und schmächtige Gestalt mit Anzug und Krawatte trat in den Raum: Hans Schössler, Kriminaloberrat und Leiter der Mordkommission. Immer piekfein und korrekt gekleidet, sah er trotzdem so aus, als wenn er gerade halbverhungert einem feuchten, dunklen Verlies ohne Licht und Sonne entkommen wäre. Unaufgefordert setzte er sich auf einen der freien Bürostühle, schlug die Beine übereinander und lehnte sich zurück.

      »So, dann lassen Sie mal hören, was Sie schon haben«, sagte er in seiner ruhigen, gelassenen Art. Seine Aufforderung galt allerdings Rautner und nicht dem Hauptkommissar. Dieser kam seinem jungen Kommissar aber zu Hilfe, nachdem er dessen betroffenen Blick aufgefangen hatte.

      »Chef, lassen Sie mich das machen. Die beiden Kollegen sind gerade erst von ihren Befragungen zurückgekommen. Ich habe den vorläufigen KTU-Bericht schon gelesen, die zwei noch nicht. Außerdem …,« er zögerte den Satz fortzuführen, »außerdem glaube ich an einen Zusammenhang mit einem alten ungeklärten Fall. Darüber wissen die beiden Youngster sowieso wenig bis nichts.«

      »Von was für einem ungeklärten Fall reden Sie?« Man merkte es Schösslers Tonfall an, dass das Wort ungeklärt ihm ein Dorn im Auge war. Unter seiner Leitung hatte er die Abteilung zu einer vorzeigbaren Aufklärungsrate geführt. Dank seiner intensiven Bemühungen konnten seine Beamten mit jeglicher Unterstützung rechnen, die Schössler ermöglichen konnte.

      Habich räusperte sich. »Eigentlich sind es sogar zwei alte Fälle, aber ich habe so eine Vermutung, dass sie alle zusammengehören könnten.«

      »Ah ja, ich weiß, wovon Sie sprechen.« Der Kriminaloberrat nickte, während er die Bilder auf dem Plexiglas betrachtete. Sein Gedächtnis war phänomenal. Was er mal gehört oder gesehen hatte, vergaß er nicht mehr. »Sie meinen den Mord vor etwa acht Jahren in Würzburg und die Tote in Repperndorf.«

      »Richtig!«,