Alexander Pelkim

Schwarzfahrt


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ihren Computer. »Nun ja! Wie schon vermutet wurde sie mit dem Seidenschal erdrosselt. Andere Anzeichen für eine tödliche Verletzung gibt es nicht. Auch der toxikologische Befund ist negativ, also keine Vergiftung oder Ähnliches. Die Todeszeit kann ich auf 18 bis 20 Uhr eingrenzen. Ich weiß nicht genau, wie lange sie der Witterung ausgesetzt war. Was ich außerdem definitiv sagen kann, ist, dass sie gefangen gehalten und misshandelt wurde. Das beweisen Hämatome an ihrem Körper, von denen die ältesten maximal fünf bis sechs Tage alt sind. In dieser Zeit wurde sie auch nicht regelmäßig ernährt. Das zeigt ihr körperlicher Gesamtzustand. Wollen Sie den ganzen Bericht noch in digitaler Form per E-Mail haben?«

      »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, können Sie es mir zusätzlich noch als PDF-Datei schicken. Also, dann danke, ich muss weiter«, verabschiedete sich Habich und wollte das Büro verlassen.

      Die Stimme der Gerichtsmedizinerin hielt ihn zurück. »Sagen Sie mal, Herr Hauptkommissar, ich habe gehört, Sie sind ein Liebhaber des hiesigen Weines und der fränkischen Küche. Stimmt das?«

      »Sooooo! Sie haben ja anscheinend schon viel über mich gehört«, stellte Habich fest. »Ich dagegen von Ihnen noch kein bisschen.«

      »Das ließe sich ändern. Ich erzähle Ihnen etwas von mir, wenn Sie mir gastronomische Empfehlungen geben könnten und mir Gesellschaft leisten. Ich bin neu hier in Würzburg, kenne niemand und habe keine Ahnung, wo man gut essen und trinken kann. Zudem bin ich noch nicht ganz eingerichtet, die Küche fehlt noch, was das Kochen im Moment etwas schwierig macht«, erklärte die Pathologin freundlich lächelnd.

      »Ich denke darüber nach und lass es Sie wissen«, sagte er beim Hinausgehen.

      Was war denn das jetzt? fragte sich Habich verwundert im Flur des Gerichtsmedizinischen Institutes. Hatte Frau Doktor versucht ihn anzumachen oder war das eher harmlos zu sehen und die Fantasie ging mit ihm durch. Na ja, eigentlich hatte er sich nach mehreren Fehlschlägen geschworen die Finger von der holden Weiblichkeit zu lassen, aber diese Rechtsmedizinerin war schon verdammt hübsch, nein, sie war eine Wucht, korrigierte er sich selbst. Und nicht nur das, nett schien sie auch zu sein und sie wollte mit ihm ausgehen. »Alter Narr«, schimpfte er sich auf dem Weg zu seinem Wagen in Gedanken, »du hast doch selbst gehört, wie sie sagte, dass sie nur Empfehlungen braucht. Die Einladung war sicherlich nur eine Höflichkeit von ihr.« Obwohl, so ganz abgeneigt war er nicht, musste er sich eingestehen. »Vielleicht … vielleicht könnte man ja einen Versuch wagen«, dachte er laut. Wie lange war das mit seinen Beziehungen zu Frauen her, überlegte Theo. Es musste eine gefühlte Ewigkeit sein. Gut, nach dem Ende seiner letzten festen Bindung hatte es noch drei flüchtige Abenteuer ohne den Erfolg auf Dauerhaftigkeit gegeben. Dazu hatte seine Enttäuschung zu tief gesessen. Tamara, seiner letzten Liebe, hatte es hier nicht gefallen. Sie bezeichnete Würzburg und die Region als Provinz und da sie ein Großstadtkind war, hatte es sie dorthin zurückgezogen. Sie hatte Trubel, Kurzweil und die Stadtluft gebraucht und war wieder zurück nach Frankfurt gegangen. Ihr Ultimatum an ihn, nach Frankfurt in seine Geburtsstadt mitzugehen, hatte er verstreichen lassen. So wie seine Liebe zu Tamara schwand, so entstand eine andere Liebe zu der neuen Heimat.

      Er rangierte seinen X3 aus der Parklücke und fuhr los. Das schmale Gesicht der hübschen Rechtsmedizinerin mit der schlanken, ebenmäßigen Nase, den blauen Augen und dem blondgelockten Haar ging ihm nicht aus dem Sinn, bis er das Ortsschild von Kitzingen erreichte.

      Zuerst suchte er Valerie Rissek in ihrer Wohnung. Auf sein Klingeln meldete sich niemand. Anschließend fuhr er zur Kitzinger Klinik. In der dortigen Abteilung der Inneren Medizin fand er die Gesuchte. Die Nachricht vom Tod ihrer Freundin wirkte wie ein Schock auf die junge Frau.

      »Können wir nach draußen gehen? Ich brauch etwas zu rauchen«, bat sie ein wenig verstört. »Was ist passiert?«, fragte sie, als ihre Zigarette brannte.

      Habich verriet ihr so viel, wie er für richtig hielt. »Erzählen Sie mir etwas über Ihren gemeinsamen Abend«, forderte er dann Tanjas Freundin auf.

      Frierend schlug Valerie die dünne Strickjacke enger um ihren Körper. Mit hastigen Lungenzügen rauchte sie zwei Zigaretten hintereinander, während sie berichtete: »Ich habe Tanja nach der Arbeit mit meinem Wagen abgeholt und wir sind nach Würzburg in eine Diskothek gefahren. Dort haben wir noch drei Freunde getroffen. So gegen halb vier Uhr haben wir die Disco verlassen. Wir wollten noch nicht ins Bett, hatten alle Hunger, wussten aber nicht wohin. Fastfood ist nicht so unser Ding.« Sie lachte gequält. »Tanja kam dann auf die Idee, bei mir noch eine Flasche Rotwein zu trinken und ein oder zwei Dosen Ravioli heiß zu machen. Ich bin bekannt dafür, dass ich für alle Fälle immer ein paar Schnellgerichte im Haus habe. Der Vorschlag wurde angenommen und wir sind dann alle zu mir nach Kitzingen in die Wohnung gefahren. Na ja, wir haben dann noch an einer Tankstelle ein Sixpack Bier geholt, da die zwei Jungen, die dabei waren, keinen Wein wollten. Dann sind wir zu mir. Eigentlich bin ich zu der Zeit davon ausgegangen, dass Tanja bei mir schläft. Das hat sie öfters gemacht, wenn wir am Wochenende unterwegs waren …«

      »Warum dieses Mal nicht?«

      »Sie wollte plötzlich nachhause …«

      »Aber sie wohnte doch in Dettelbach bei ihren Eltern. Wie wollte Sie da hinkommen?«

      »Ja eben! Ich habe ihr auch gesagt, dass sie keiner mehr heimfahren kann. Wir hatten inzwischen alle Alkohol getrunken. Sie meinte nur, das wäre nicht schlimm, sie würde sich ein Taxi nehmen …«

      »Hat sie eins genommen?«

      »Ich weiß es nicht hundertprozentig, gehe aber davon aus. Tanja hat von meinem Festnetzanschluss aus die Taxizentrale angerufen und einen Wagen bestellt. Sie meinte, die Dame am Telefon hätte ihr gesagt, es könne etwas dauern.«

      »Wann war das etwa?«

      Die junge Frau dachte kurz nach. »Das müsste so gegen fünf oder halb sechs Uhr gewesen sein. Genau kann ich es aber nicht sagen.«

      »Sie haben sie aber nicht ins Taxi steigen sehen?«

      »Nein! Sie hat einige Minuten nach dem Anruf meine Wohnung verlassen, obwohl noch kein Wagen da war. Ich habe ihr gesagt, sie soll warten, bis das Taxi kommt, aber sie meinte, sie bräuchte ein bisschen frische Luft und wolle vor dem Haus warten. Wenn sie das so wollte, war es für mich okay.«

      »Könnte sie zu einem Fremden ins Auto gestiegen sein?«

      »Nein, das halte ich für ausgeschlossen.«

      »Was war mit den anderen drei Freunden, die dabei waren?«

      »Die sind ungefähr noch eine halbe Stunde geblieben und dann gemeinsam gegangen. Als ich die drei verabschiedet habe, war auf jeden Fall von Tanja nichts mehr zu sehen.«

      »Können Sie mir die Namen ihrer Freunde geben und mir sagen, wie ich sie erreichen kann?«

      Valerie zog ihr Handy aus der Gesäßtasche, rief ihre Kontakte auf und nannte dem Hauptkommissar Namen und Telefonnummern der drei.

      »Gut! Das war’s fürs Erste«, bedankte sich Habich. »Ach ja, eine Frage habe ich doch noch. Hatten Sie danach noch mal Kontakt mit Tanja Böhmert: Anruf, SMS, WhatsApp oder was auch immer es da noch alles gibt?«

      »Nein!« Valerie schüttelte heftig den Kopf und Tränen kullerten ihr dabei über die Wangen. »Hätte ich doch darauf bestanden, dass sie die Nacht bei mir bleibt, dann würde sie jetzt noch leben.«

      »Selbstvorwürfe helfen Ihnen nicht weiter. Damit konnte niemand rechnen«, versuchte Habich zu trösten. Er hatte sich gerade zum Gehen abgewandt, als ihm noch etwas einfiel. »Ach, was ich noch fragen wollte. Haben Sie Herrn Lackner gekannt?«

      »Sie meinen Peter?«

      »Ja genau, Peter Lackner, ihren Ex-Freund.«

      »Nicht wirklich«, verneinte Valerie Rissek. »Er war zwei oder drei Mal dabei, als wir zusammen ausgegangen sind, aber damals hat sich Tanja sowieso mit dem Ausgehen ein bisschen zurückgehalten. Gut, sie war noch in Ausbildung, musste viel lernen und das Geld war knapp. Ich denke aber, es lag auch an Peter …«

      »Warum?«

      »Meiner