akademischer Ärzte machten die Hebamme zur teuflischen Kindsmörderin, den Hirten zum Hexer in Tiergestalt und die Kräutersammlerinnen zu Giftmischerinnen. Ein Beleg für den Pakt mit dem Bösen, wie zum Beispiel die Hexensalbe, ließ sich nur allzu leicht in den Arbeitsutensilien der Wundärzte und Hirten finden. Hatten sie doch täglich Salben als nützliches Heilmittel für Mensch und Tier in Gebrauch.
Mit dem Siegeszug neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse folgten europaweit immer mehr Verbote für nicht ärztliche Heilkundler. Zum Beispiel wurde 1815 in Preußen ein Kurierverbot verabschiedet, wonach es nur noch approbierten Ärzten gestattet war, die Heilkunde auszuüben. Erst 1869 wurde in Deutschland wieder eine Kurierfreiheit eingeführt. Als Antwort darauf gründete sich in den folgenden Jahrzehnten eine Vielzahl an Heilpraktikerverbänden, die jedoch an der Bestrebung einer gesetzlichen Heilpraktikerordnung scheiterten.
Unter dem NS-Regime Hitlers wurden die bestehenden Heilpraktikerverbände zwangsaufgelöst und die Gründung des »Heilpraktikerbunds Deutschland« verordnet. Es wurden Zwangsmitgliedschaften erlassen, und die Aus- und Fortbildung wurde streng reglementiert.
1939 trat dann das Heilpraktikergesetz in Kraft. Im Rahmen dieses Gesetzes wurde die Kurierfreiheit der Heilpraktiker stark beschränkt. Die Ausübung der Heilkunde, ohne als Arzt approbiert zu sein, war künftig gesetzeswidrig und wurde nur in besonders begründeten Ausnahmefällen gestattet. Ferner wurden auch Ausbildungsstätten für Personen, »die sich der Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes widmen wollen, einzurichten oder diese zu unterhalten«, nicht mehr gestattet. Verhinderter Nachwuchs sollte schließlich zum Aussterben des Heilpraktikerwesens führen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der BRD die Einschränkung gegenüber der früher gültigen Kurierfreiheit und des Verbotes zur Ausbildung als mit dem Grundrecht auf freie Berufsausübung nicht vereinbar aufgehoben. Passagen mit nationalsozialistischem Gedankengut wurden aus dem Gesetz entfernt. Im Januar 1957 kam es dann zur Anerkennung des Heilpraktikerberufs durch das Bundesverwaltungsgericht. In der DDR hingegen war das Aussterben der Heilpraktiker vorhersehbar, da für sie lediglich ein Bestandsschutz galt. In der BRD konnte sich der Heilpraktikerberuf hingegen fest im Gesundheitssystem behaupten.
Heute sind in Deutschland schätzungsweise 47.000 Heilpraktiker tätig. Der Beruf des Heilers blickt auf eine jahrtausendealte länder- und kulturübergreifende Tradition zurück und bietet uns viele wertvolle Anknüpfungspunkte bei der Suche nach nachhaltigen Lösungsstrategien im Ringen um eine gesunde und grüne Zukunft.
Wer wird wie Heilpraktiker? Wege in den schönsten Beruf der Welt
»Wähle einen Beruf, den du liebst, und du brauchst
keinen Tag in deinem Leben mehr zu arbeiten.«
Konfuzius
Um die Heilpraktikerausbildung und die rechtlichen Rahmenbedingungen dieses Berufsbildes ranken sich zahlreiche Mythen und Vorurteile. Nicht zuletzt, weil auch ein großer Teil der Ärzteschaft im Heilpraktiker einen Konkurrenten in der Versorgung der begehrten Privatpatienten sieht. Die Anfeindungen mögen unterschiedlichsten Motiven entspringen und sind so alt wie der Beruf des Heilpraktikers selbst. Dennoch, Heilpraktiker polarisieren.
Lassen Sie mich kurz ein paar Erfahrungen aus meiner eigenen Heilpraktikerausbildung schildern. Die Heilpraktikerausbildung wird in Deutschland von verschiedenen Heilpraktikerverbänden und privaten Berufsschulen angeboten. In der Regel umfasst die Ausbildung zum Heilpraktiker drei bis vier Jahre (also sechs bis acht Semester) und endet mit einer anspruchsvollen schriftlichen und praktischen Prüfung am jeweils ortsansässigen Gesundheitsamt. Dabei werden fundierte medizinische Kenntnisse der Anatomie, Physiologie, der schulmedizinischen Krankheitslehre, klinische Untersuchungsmethoden, Laborkunde und Diagnostik sowie die psychopathologische Befunderhebung, Notfallversorgung, Injektionstechniken, Pharmakologie, Infektiologie und Hygienekunde überprüft.
Fakt ist, dass Amtsärzte der testenden Gesundheitsämter ihre Pflicht als Aufsichtsbehörde im Dienst der Volksgesundheit sehr verantwortungsvoll wahrnehmen und streng prüfen, ob ein Bewerber die Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz erteilt bekommen soll. Das erfolgreiche Absolvieren der Heilpraktikerprüfung ist keineswegs selbstverständlich. Wer die aufgelisteten Kenntnisse nicht erworben hat, wird die anspruchsvolle Überprüfung nicht bestehen. Das untermauert auch die Durchfallquote, die bei 75 Prozent und mehr liegt. Wer sich hingegen gut und diszipliniert vorbereitet, wird den Traum des Heilpraktikerberufs ganz bestimmt verwirklichen können.
Als Beweis einer beruflichen Integrität ist es verpflichtend, dass man vor der Überprüfung ein amtliches Führungszeugnis und eine ärztliche Gesundheitsbescheinigung vorlegen kann. Natürlich können kein Dokument und kein Test sicherstellen, dass ein Heilpraktikeranwärter eine ethisch astreine, anständige Person ist – das gilt leider für alle Berufe, in denen eine große Verantwortung getragen werden muss. Doch aufgrund der regelmäßigen Testung und Überprüfung von Heilpraxen durch die Gesundheitsämter können Patienten sicher sein, dass Heilpraktiker – auch weil es das Heilpraktikergesetz fordert – bei der Ausübung ihrer Tätigkeit keine Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen.
In der bundeseinheitlichen Leitlinie zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern finden Sie eine ausführliche Darstellung der Prüfungsinhalte. Diese ist für jedermann transparent einsehbar.
Von Medizinerkreisen wird uns Heilpraktikern oft vorgeworfen, dass zur Zulassung als Heilpraktiker kein Abitur notwendig und der schriftliche Teil der Heilpraktikerprüfung doch lediglich ein Multiple-Choice-Test sei. Tatsächlich reicht für die Ausbildung zum Heilpraktiker ein Hauptschulabschluss aus, dennoch darf die Prüfung zum Heilpraktiker nicht vor dem 25. Lebensjahr abgelegt werden. Dies hat zur Folge, dass nahezu alle Anwärter über eine bereits abgeschlossene Berufsausbildung oder ein akademisches Studium verfügen. Damit ist in den meisten Fällen die persönliche Reife des Prüflings gewährleistet. Doch haken wir nach.
Aus meiner Sicht als Lehrer beobachte ich, dass wir über eine extreme Schwemme an Abiturienten verfügen, dass das akademische Niveau von Studienanfängern drastisch gesunken ist und wir geradewegs auf eine Bildungsinflation zusteuern. Durch die Überakademisierung unserer Berufswelt werten wir praktische Ausbildungsberufe ab, obwohl diese systemrelevanten Berufe für den Zusammenhalt und das Funktionieren unserer Gesellschaft von weitaus wichtigerer Bedeutung sind als das Überangebot an Betriebswirten, Juristen und Germanisten.
Wer wird im Rahmen unseres Gesellschaftssystems heutzutage Arzt, Lehrer, Psychotherapeut oder gar Führungskraft? Richtig, finanzieller Hintergrund, Herkunft und Beziehungen entscheiden noch immer über die berufliche Laufbahn.
Ich empfinde die Aussage vieler Kritiker, dass zum Beispiel eine erfahrene und gut ausgebildete Krankenschwester mit Realschulabschluss nach Absolvierung ihrer Heilpraktikerausbildung nicht in der intellektuellen Lage sei, Patienten naturheilkundlich zu versorgen, nur weil sie kein Abitur als Schulabschluss vorweisen kann, als menschenverachtend und arrogant. Trotzdem bleibt dies eines der meistzitierten Argumente gegen den Heilpraktikerberuf. Bei genauerer Betrachtung fällt allerdings auf, dass im Heilpraktikerwesen überdurchschnittlich viele Akademiker vertreten sind, aber auch Personen mit medizinischen Vorkenntnissen und fundierten Ausbildungen als Pfleger, Physiotherapeut, Pädagoge oder pharmazeutische Hilfskraft. Überraschenderweise gibt es auch viele Apotheker und Zahnärzte unter uns Heilpraktikern.
Als Heilpraktiker und Akademiker mit Masterabschluss muss ich gestehen, dass mich meine Heilpraktikerausbildung viel Kraft und Zeit gekostet hat. Im Vergleich zu meiner Heilpraktikerprüfung waren viele der universitären Klausuren ein Klacks, und ja, ich stehe auch hinter dem Verfahren des Multiple-Choice-Tests. Ungeachtet dessen, dass auch ein Großteil eines Medizinstudiums auf Multiple-Choice-Tests basiert, finde ich diese Art der Überprüfung von Faktenwissen sinnvoll. Es geht bei der akuten schulmedizinischen Versorgung und Diagnose in erster Linie um neutrale, objektive Fakten. Erst im zweiten Schritt, in der persönlichen Beziehung zum Patienten, tut sich eine subjektive uferlose Welt der Naturheilkunde auf.
Eine häufig gestellte Frage lautet auch, warum läuft dann die Ausbildung von Ärzten und Heilpraktikern doch so verschieden ab? Ärzte müssten um einige Jahre länger studieren und unzählige Stunden der Assistenz ableisten. Die Antwort ist denkbar einfach.
Heilpraktiker