der 1920er-Jahre auch immer öfter an Direktionssitzungen teil, insbesondere Hans Schindler in der Funktion als Protokollführer.
Werbeanzeige der MFO in der Romandie, 1901.
Nach dem Ausscheiden von Generaldirektor Hans Behn-Eschenburg und dessen Wechsel in den Verwaltungsrat war Dietrich Schindler alleiniger Generaldirektor. Der bisherige Leiter der französischen Tochtergesellschaft in Paris, F. E. Hirt, wurde 1929 zum Verkaufsdirektor ernannt. Er sollte als Verbindungsmann zwischen Verkauf, Konstruktion und Werkstätten eingesetzt werden. Dietrich Schindler gab damit zur Entlastung die Leitung der auswärtigen Verkaufsgesellschaften und Vertretungen ab, behielt aber die Oberleitung über das Gesamtunternehmen. Nachdem der Direktor der Fabrikation altershalber und der technische Direktor nach einem Konflikt mit Dietrich Schindler zurückgetreten waren, festigte Schindler seine Alleinherrschaft. Die beiden Abteilungen wurden fortan durch Vizedirektoren geleitet. Diese beiden Vizedirektoren, Jakob Brunner und Arnold Traber, nahmen zusammen mit Direktor F. E. Hirt und den beiden Schindler-Brüdern ab 1931 in einem neu geschaffenen Direktionskollegium Platz. Sie berieten abteilungsübergreifende Angelegenheiten und tauschten sich mit Generaldirektor Schindler aus. Als ebenbürtig in geschäftlichen Fragen sah Dietrich Schindler allerdings nur den Verwaltungsrat an, die Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Direktionskollegiums war marginal. Hans Schindler wurde «der Generaldirektion beigegeben», so der Verwaltungsrat. Er sollte bei Abwesenheit den Generaldirektor ersetzen und als Bindeglied zwischen den Abteilungen fungieren. Die neue Aufgabenteilung lässt erkennen, dass Dietrich Schindler wohl von Hirt als seinem ehemals präferierten Nachfolger abgerückt war und er Sohn Hans direkt als neuen Kronprinzen installieren wollte. Tatsächlich verschärften sich die Konflikte zwischen den beiden dominierenden Figuren der MFO immer mehr, weil Hirt in den Augen von Dietrich Schindler zu selbstständig agierte.
Grossmaschinenbau bei der MFO. Wandbild im Hauptgebäude der ETH Zürich, gemalt von Wilhelm Ludwig Lehmann, 1929.
Die MFO hatte bis Anfang der 1930er-Jahre floriert. Die Belegschaft betrug insgesamt 3400 Personen, davon 2500 Arbeiter in den Werkstätten. Nun traten jedoch erstmals Probleme bei der Einhaltung von Lieferzeiten und bei einer effizienten Organisation der Fertigung auf. Durch die ab 1931 in der Schweiz spürbare Weltwirtschaftskrise wurde die MFO doppelt hart getroffen. Neben dem krisenbedingten Rückgang der Bestellungen waren auch die Auslieferungen der letzten Lokomotiven für das Elektrifizierungsprogramm der SBB ausgelaufen. Es kam zu Lohnsenkungen und Entlassungen. Im ersten Halbjahr 1935 beschäftigte die MFO noch die Hälfte ihrer früheren Belegschaft. Trotz Verlusten wäre genügend Kapital vorhanden gewesen, um den Betrieb zu rationalisieren und konkurrenzfähig zu halten. Es fehlte auch nicht an Vorschlägen der Direktion. Dietrich Schindler stellte sich jedoch quer und sprach sich gegen jede Reorganisation und Investition aus. So wurde beispielsweise die oft geforderte Modernisierung der Kleinmotorenproduktion immer wieder aufgeschoben. Seine Devise zur Überwindung der allgemeinen Wirtschaftskrise war Sparsamkeit und Verringerung der Unkosten. Der Tod seiner Frau 1934 versetzte ihm zusätzlich einen schweren Schlag. Die Kräfte des 78-Jährigen schwanden, und die Gebresten des Alters nahmen langsam überhand. Umso mehr klammerte er sich an die Macht und wollte alles selbst entscheiden.
Die Palastrevolution
Im Frühling 1935 eskalierte die Situation bei der MFO, als Dietrich Schindler direkt mit den Bürochefs des Verkaufs über ein neues Preiskalkulationssystem verhandelte, ohne F. E. Hirt miteinzubeziehen. Hirt reichte in der Folge ein Rücktrittsgesuch ein, weil er seine Autorität als Direktor untergraben sah. Er stellte in Aussicht, bei der MFO zu bleiben, wenn er endlich jene Kompetenzen erhalte, die Direktoren in allen anderen Unternehmen auch hätten. Der Verwaltungsrat griff nun vermittelnd ein und versuchte die unterschiedlichen Positionen zu ergründen. Dietrich Schindler reagierte in einem Brief an seinen Schwager, den Verwaltungsratspräsidenten Max Huber, pikiert auf die Kündigungsandrohung. Hirt sei nicht zur Sparsamkeit erzogen, habe nie etwas Schöpferisches geleistet und trage Mitschuld am technischen Vorsprung der BBC. Hirt wolle «Herr und Meister» in Oerlikon werden, wie er es in der Tochterfirma in Frankreich gewesen sei. Dietrich Schindler schlug stattdessen vor, seinen Sohn Hans zum Direktor zu ernennen.
Hans Schindler hingegen sah im drohenden Weggang von Hirt einen schweren Verlust für die MFO. Er sei der Einzige, der neben dem Generaldirektor «in kommerziellen Dingen» auf der Höhe sei. Gegenüber dem ehemaligen Generaldirektor Behn erklärte er, «dass durch die fortschreitende Unterdrückung u. zermürbende Fesselung der Direktoren u. Angestellten die praktischen Geschäfte u. technischen Fortschritte immer mehr gehemmt u. gelähmt werden». Es gebe immer mehr Anzeichen für einen Niedergang. Man verliere Kunden, und die Produkte könnten mit der Konkurrenz nicht mehr mithalten. «In früheren Zeiten seien die Härten des Führers wiederholt durch die Anerkennung der Erfolge seiner überragenden Klugheit u. Energie entschuldigt worden, in letzter Zeit fehlen solche Erfolge u. der Eigensinn nimmt zu, bis in die geringfügigsten Fragen.» Hans Schindler schlug vor, dass er nach einem Rücktritt seines Vaters die Funktion eines Generaldirektors ausüben könnte.
Im August 1935 traf sich der Verwaltungsrat mit Dietrich Schindler. Dieser konnte dazu überredet werden, eine Lösung ohne Entlassung von Hirt zu suchen. Sein Sohn Hans sollte zum Direktor befördert werden und als sein Stellvertreter agieren. Den ausgearbeiteten Vorschlag lehnte Dietrich Schindler nach reiflicher Überlegung jedoch ab und weigerte sich in der Folge, die Führungsstrukturen zu ändern. Verwaltungsrat Eduard von Goumoëns schilderte seine Eindrücke wie folgt: «Mehr und mehr bin ich davon überzeugt, dass eben die Geschäftsführung des Papa Schindler nicht mehr den Verhältnissen entspricht, wobei ja ohne weiteres zuzugeben sei, dass auch Herr Hirt, und sogar sein Sohn, viele Fehler begehen, aber das Zeug ist durch den Despotismus der letzten Jahre wahrscheinlich noch erst recht verfuhrwerkt worden.» Als eine Delegation des Verwaltungsrats mit Dietrich Schindler neue Vorschläge besprechen wollte, erklärte dieser seinen vollständigen Rücktritt, liess sich später aber überreden, wenigstens im Verwaltungsrat zu verbleiben.
Schliesslich beschloss der Verwaltungsrat in seiner Sitzung vom 23. November 1935, Werner Schindler zum Vizedirektor und Hans Schindler zum Direktor und Präsidenten der neu gebildeten Direktion zu ernennen. Die Direktion musste die Beschlüsse allerdings einstimmig fassen und sich ansonsten an Dietrich Schindler wenden, der das strittige Geschäft dann in den Verwaltungsrat einbringen sollte. Trotz dieser Lösung war Dietrich Schindler am Ende verbittert, weil er in seinen Augen «aus der MFO herausgeschmissen wurde». Die Kündigungsandrohung von Hirt habe am Ende zu seiner Entlassung geführt, während Hirt in seiner Stellung bestätigt worden sei. Er leite de facto heute die Maschinenfabrik. Interessanterweise weist auch Hans Schindler in seiner Autobiografie auf diesen Umstand hin: «Von 1936 bis 1949 liess ich Hirt de facto, allerdings nicht de jure, als spiritus rector walten.»
Führungsvakuum im Gemischtwarenladen
Nur ein Jahr nach seinem Rücktritt als Generaldirektor starb Dietrich Schindler 1936. Die MFO aber befand sich fortan in einem strukturell bedingten Führungsvakuum. Hans Schindler war zwar in die Stellung seines Vaters nachgerückt, doch er führte die Direktion weder formell noch faktisch. Die Unterstellungs- und Verantwortungsverhältnisse waren sehr unübersichtlich. Drei von vier Direktoren trugen formell noch den Titel eines Vizedirektors. Zudem waren sie laut Anstellungsvertrag eigentlich direkt dem Verwaltungsrat unterstellt. Die 1939 vorgenommene Analyse der Unternehmens- und Betriebsführungsebene brachte diese Führungsprobleme klar zum Ausdruck. Als Reaktion wurden die fehlenden Managementfunktionen aufgebaut. Dazu gehörte ein Kontrollapparat mit Kostenrechnungs- und Budgetierungssystem, der dem Direktionsbereich von Werner Schindler mit Einkauf und Finanzen angegliedert wurde. Er konnte sich allerdings mit diesen Controlling-Instrumenten nie richtig anfreunden. Bei der Verkaufsdirektion richtete man ein Büro für Marktforschung ein, um eine systematische Analyse einzelner Produkte vorzunehmen. Die wichtigste Neuerung aber war die Schaffung einer Managementfunktion Personal, die mit Rudolf (Rudi) Huber besetzt wurde,