ersten Jahren der Ehe fehlte die gegenseitige Liebe. Trotzdem blieben die beiden bis 1959 zusammen – «vom familiären und gesellschaftlichen Rahmen gehalten». Scheidungen waren nicht opportun.
Hans Schindler und Ilda Schindler-Baumann als frisch vermähltes Paar, 1928.
Hans und Ilda Schindler in den Ferien im Wallis, um 1930.
Einstieg in die Firma
Als Hans Schindler 1925 in die MFO eintrat, fand er sich in einem Unternehmen wieder, das massgeblich durch seine Verwandten mütterlicherseits und seinen eingeheirateten Vater geprägt worden war. Ihren Erfolg verdankte die Maschinenfabrik Oerlikon der Schwierigkeit der Firma Escher Wyss, hochwertige Schmiedestücke zu beschaffen. Der damals in der Dampfmaschinen- und Schiffbauabteilung tätige Peter Emil Huber-Werdmüller und der englische Ingenieur M. M. Jackson kamen deshalb auf die Idee, eine eigene Zulieferfirma zu gründen. Sie kauften eine Wiese beim Bahnhof Oerlikon und starteten 1863 mit der Produktion von Gussteilen. Als in England wesentlich billigere Wellen und Kurbeln hergestellt werden konnten, standen die Öfen ab 1867 still. 1872 übernahmen die Werkzeugmaschinenbauer Daverio, Siewerdt & Giesker aus Rorschach die Liegenschaft und verlegten ihre Produktion vom Bodensee nach Oerlikon. Nach diversen Reorganisationen gründete schliesslich erneut Peter Emil Huber 1876 die Aktiengesellschaft Werkzeug- und Maschinenfabrik Oerlikon, mit Friedrich Adolf Siewerdt als erstem Werkstattleiter. Erster Verkaufsschlager wurde ein Porzellanwalzenstuhl, der das Getreide schonender und schneller mahlte als herkömmliche Mahlsteine. Daneben stellten sie unter anderem Drehbänke, Kräne sowie Bohr-, Fräs- und Schleifmaschinen her. 1884 gelang es Huber, seinen ehemaligen Meister bei Sulzer nach Oerlikon zu holen. Charles Brown eröffnete die elektrische Abteilung und brachte seine Söhne Charles Eugene und Sidney Brown als Techniker mit. Nachdem sein Vater das Unternehmen nach wenigen Monaten bereits wieder verlassen hatte, übernahm Charles E. Brown die Leitung der Abteilung. Ab 1885 assistierte ihm Walter Boveri als Montageleiter. Mit der erfolgreichen Gleichstromübertragung bei einem aufsehenerregenden Wirkungsgrad von über siebzig Prozent zwischen den acht Kilometer auseinanderliegenden Ortschaften Kriegstetten und Solothurn gelang ihnen 1886 ein Meisterstück, das die Fabrik international bekannt machte.
Bald war den Ingenieuren bei der MFO klar, dass die Stromübertragung über noch weitere Strecken nur mit hochgespannten Wechselströmen möglich ist. Doch die hohen Spannungen lösten grosse Ängste aus, und Pioniere wie Thomas Alva Edison favorisierten den Gleichstrom. Die Organisatoren einer internationalen elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt hatten allerdings die Absicht, mit einem gross angelegten Versuch mit Wechselstrom die Systemfrage zu entscheiden. Da vielen Herstellern der Mut fehlte, durften am Schluss die MFO und die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) die Versuchsanlagen bauen. Tatsächlich gelang es ihnen im August 1891, die Energie störungsfrei zwischen dem Kraftwerk Lauffen am Neckar und dem 175 Kilometer entfernten Frankfurt mit einem Wirkungsgrad von 75 Prozent zu übertragen. Die MFO gelangte mit ihrer elektrotechnischen Abteilung zu Weltruhm, der ihren hervorragenden Ruf begründete und die Auftragsbücher füllte. Gerade in der Schweiz war die Gewinnung des «weissen Golds» und die wirkungsvolle Stromübertragung von Kraftwerken in den Alpen zu den Verbrauchern in den wachsenden Städten ein Gebot der Stunde. Doch auch international war die Nachfrage enorm. Insbesondere der Bau von Generatoren florierte, aber auch Zubehör wie Transformatoren und Schaltanlagen war gefragt. Die gefeierten Ingenieure Charles E. Brown und Walter Boveri verliessen jedoch noch im gleichen Jahr die Firma und gründeten mit der Brown, Boveri & Cie. (BBC) in Baden ihre eigene Firma, die sich auf dem Gebiet der Elektrotechnik rasch zur stärksten Konkurrentin der Oerlikoner entwickelte.
Ein Krokodil für den Gotthard
Eine weitere Sparte der MFO ging auf den Eintritt von Peter Emil Hubers Sohn Emil Huber-Stockar im Jahr 1891 zurück. Nachdem sein Vater immer mehr an Sehkraft verloren hatte, trat er dessen Nachfolge an. Unter der Leitung des Physikers Hans Behn-Eschenburg gelang es der MFO im Jahr 1904, einen Bahnmotor für Einphasenwechselstrom zu konstruieren, der im Gegensatz zum Dreiphasenwechselstrom, auf den die BBC beim Bahnmotorenbau setzte, nur eine einfache Stromleitung benötigte. Um ihr System zu testen, elektrisierte die MFO die Versuchsstrecke Seebach–Wettingen. Der erste Auftrag für eine Einphasenwechselstrombahn kam 1907 von der Valle-Maggia-Bahn, später lieferte die MFO auch die Ausrüstung der Lokomotiven für die Lötschbergstrecke. Emil Huber verliess 1910 wegen interner Querelen die MFO und widmete sich für die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) der Elektrifizierung der Gotthardstrecke. Nach dem Ersten Weltkrieg lieferte die MFO für diese Route die ersten elektrischen Güterlokomotiven, die legendären «Krokodile», nachdem sich schliesslich auch die SBB und andere europäische Bahnen 1919 für das System der MFO entschieden hatten. In kleineren Dimensionen war die MFO auch an der Elektrifizierung der Zürcher Strassenbahn beteiligt. Sie baute diverse Tramtypen mit Elektromotoren, Leitungsnetze und Kraftanlagen zur Stromversorgung. Ausserdem unterhielt sie bis 1927 mit einer von ihr finanzierten Betriebsgesellschaft die Tramlinie vom Central über Oerlikon bis Seebach.
Der neue starke Mann in der MFO nach dem Ausscheiden von Emil Huber wurde sein Schwager Dietrich Schindler-Huber, der Vater von Hans Schindler. Er war bereits 1893 aufgrund der zunehmenden Erblindung seines Schwiegervaters Peter Emil Huber und des Abgangs der beiden wichtigsten Ingenieure in die Geschäftsleitung berufen worden. 1899 nahm er eine grosse Kapitalerhöhung vor und überliess drei Viertel der Aktien einer Bankengruppe um die Schweizerische Kreditanstalt, die sie anschliessend breit streute. Die Familie hatte damit die Mehrheit verloren, blieb aber weiterhin bestimmend. Als Mitte der 1900er-Jahre der Absatz stockte, reorganisierte er das Unternehmen und schärfte dessen Profil. Die Werkzeugmaschinenfabrikation wurde an die Schweizerische Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (später: Oerlikon-Bührle) abgestossen und die elektrotechnische Abteilung von Rieter übernommen. 1912 wurden Dietrich Schindler und Hans Behn-Eschenburg zu Generaldirektoren ernannt, ab 1919 zusätzlich zu Delegierten des Verwaltungsrats. Unter ihrer Leitung blühte das Geschäft wieder auf, und es gelang ihnen, riesige finanzielle Reserven anzuhäufen. Das Unternehmen war aber trotz Aufträgen aus aller Welt sehr schwach internationalisiert. In der Zwischenkriegszeit, als vermehrt Handels- und Zollbarrieren entstanden, wären ausländische Produktionsstätten eigentlich zu erwarten gewesen. Einzig in Frankreich jedoch richtete man 1919 in Ornans, im grenznahen Departement Doubs gelegen, eine Fabrik ein, die sich auf Bahntraktionen und Transformatoren spezialisierte. Der Sitz der Tochterfirma war in Paris. Für den Aufbau weiterer ausländischer Werkstätten fehlte es an geeignetem Führungspersonal zur Überwachung und an Mut für risikoreiche Investitionen. Zudem wollte Dietrich Schindler stets persönlich den Überblick über alle Geschäfte behalten, was gegen weitere komplexitätssteigernde Expansionsschritte ins Ausland sprach.
Hemmend für die Absatzchancen in einem sich verschärfenden Markt wirkte sich auch die fehlende Verbindung zu einer Finanzierungsgesellschaft aus. Die BBC hatte mit der Gründung der Motor AG für angewandte Elektrizität eine Gesellschaft gegründet, die Anlagen projektierte, finanzierte und später verkaufte, selbstverständlich mit Produkten der BBC. Mit einer weiteren Finanzierungsgesellschaft, der von der AEG gegründeten Elektrobank, war die MFO immerhin durch ihre Hausbank, die Schweizerische Kreditanstalt, verbunden. Die Bank war 1895 wesentlich an der Gründung der später in Elektrowatt umbenannten Gesellschaft beteiligt gewesen.
Dem Generaldirektor und Vater «beigegeben»
Hans Schindler trat 1925 auf Wunsch des Vaters und nach einem mehrwöchigen Praxistest beim französischen Ableger in Ornans ins Mutterhaus in Oerlikon ein. Vorerst arbeitete er als Chemiker in der Entwicklung von elektrischen Wasserzersetzern. Diese Elektrolyseure zerlegten mithilfe von Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. 1928, mit 32 Jahren, wurde er Adjunkt der technischen Direktion. Es war auch das Jahr, in dem er Ilda Baumann heiratete. Als Adjunkt beschäftigte er sich unter anderem mit Fragen der Organisation und des Absatzes im In- und Ausland. Sein Bruder Werner war bereits etwas früher als Hans ins Unternehmen