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Kirche geht ...


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von der „Pastoralgemeinschaft“ gemeint ist, kann hier praktisch entfaltet werden. Und genau das entspricht den Zeichen einer Zeit, in der Community-organizing und solidarische Nachbarschaftsinitiativen ganz gegen die Einschätzung depressiver Zeithermeneutik auf Potentiale der Solidarität und der Hingabefähigkeit verweisen, die häufig nicht gewürdigt werden.

      Sind Kleine Christliche Gemeinschaften also nicht zuerst spirituelle Selbsthilfegruppen und verbleiben sie nicht im Dunstkreis selbstgenügsamer Gemeinschaftsfindung, dann geht es hier in der Tat um eine Neuausrichtung des Kircheseins am Ort – und damit um eine pastorale Vision und einen pastoralen Ansatz, der umfassender als vermutet Entwicklungsprozesse der Kirche fördern will, die auf eine praktische Alltagsrezeption prophetischer Intuitionen des II. Vatikanischen Konzils zielen.

       Auf dem Weg zu einer Lokalen Kirchenentwicklung

      „Your Germans have a further step to do“, so sagte uns schon im Jahr 2008 Estela Padilla, die Theologin des philippinischen Pastoralinstituts Bukal Ng Tipan. Sie hatte recht: Was wir rezepiert hatten, war eine Faszination und eine Sozialform. Was wir übersehen hatten, das war die theologische und ekklesiogenetische Architektur, die solche Entwicklung ermöglicht. Und in der Tat: Die weltkirchliche Faszination greift ja zu kurz, wenn sie Basisgemeinden und Kleine Christliche Gemeinschaften als Pastoralprodukt und Methode installieren will, ohne wahrzunehmen, dass dahinter langfristig angelegte Prozesse der Kirchenentwicklung standen, die in Diözesen und Kontinentalkirchen meist lange Anwege der Bewußtseinsbildung und pastoraler Bildungs- und Entwicklungsarbeit bedeuteten.

      Es wurde uns immer deutlicher, dass es jeweils um einen inkulturierten Ansatz einer Kirchenentwicklung ging, der Grundwerte und Grundoptionen des II. Vatikanischen Konzils aufgriff, die 50 Jahre nach dem Konzil und angesichts der Umbrüche der Kirche im deutschsprachigen Raum neu zum Leuchten kommen wollen: Die Erfahrungen im Dialog mit dem französischen Bistum Poitiers ließen uns verstehen, dass die Taufwürde und die Orientierung an der Vertiefung der eigenen Taufexistenz notwendiger Hintergrund eines kirchlichen Neuaufbruchs vor Ort sind. Der asiatische Pastoralansatz (AsIPA), auf dem die Entwicklung Kleiner Christlicher Gemeinschaften in Asien ruht, entfaltet eine Kirchenkultur, die durch ein Höchstmaß an Partizipation gekennzeichnet ist. Durch die Begegnungen auf Exposurereisen wurde auch immer klarer, dass ohne eine achtsame Inkulturation dieser Kultur das Risiko ekklesialer Sonderwelten droht.

       Resonanzen

      Die Konsequenz lag auf der Hand: Weil es nicht um kirchliche Substrukturen in größeren Pastoralräumen geht – und schon gar nicht um eine spirituelle Gruppenbewegung, sondern um einen zu entwickelnden visionär orientierten und ekklesiopraktischen Pastoralansatz –, trat die Rede von Kleinen Christlichen Gemeinschaften zurück. In den Vordergrund trat die Entwicklungsdynamik der Kirche vor Ort. Wir fanden den Begriff der Lokalen Kirchenentwicklung.

      Seit dem Jahr 2011 entwickelt dieser Begriff eine erstaunliche Dynamik im deutschsprachigen Raum. Auslöser sind Erfahrungen im Bistum Hildesheim, die in einer pastoralen Richtungnahme mündeten. Im Frühjahr 2011 veröffentlichte Bischof Norbert Trelle ein Hirtenwort unter dem Leitwort der Prozesse Lokaler Kirchenentwicklung und beschrieb darin wichtige Orientierungen im Blick auf eine Kultur des Kircheseins. Diese Kultur und diese Dynamik des Kircheseins genauer zu fassen, sie theologisch zu reflektieren und in Erfahrungen zu evaluieren, darum ging es beim Symposion in Lingen.

      Es steht im Kontext einer erstaunlichen Resonanzbewegung: Die Erfahrungen bei Dekanatstagen und Tagungen, die Workshops und Summerschools, die wir in den letzten Jahren initiiert haben, die weltkirchlichen Pastoralexposure von Missio erlebten ein ungeheuer großes Interesse in Diözesen des gesamten deutschsprachigen Raums. Es verweist auf einen vorsichtigen Stimmungswechsel: von einer eher depressiven Ratlosigkeit hin zu einer vorsichtigen Hoffnung, vor allem hin zu dem Wunsch nach Neuorientierung. Das läßt sich ganz leicht an Zahlen ablesen: Das Symposion in Lingen wurde von Anmeldungen geflutet, und auch der im Februar 2013 stattfindende ökumenische Kongress Kirche2 war schon Monate vor Anmeldeschluss mit über 1000 Anmeldungen ausgebucht.

       Wie Kirche geht

      Auf diesem Hintergrund wollte das Symposion in zwei Richtungen die Linien weiter ausziehen und theologische Klärungsarbeit leisten. Dabei ging es zum einen darum, die sich weiter konturierende ekklesiologische Vision einer partizipativen Kirche zu konkretisieren: Wenn dieses Bild einer Kirche im Dienst am Reich Gottes farbig erfahren und beschrieben werden kann – und die weltkirchlichen Erfahrungen geben uns dabei eine gute Sehhilfe, um die eigene Entwicklung in diese Richtung zu entdecken –, dann geht es nun darum, tiefer von der Prozessdynamik zu lernen. Die Erfahrungen der pastoralen Entwicklung im Erzbistum Poitiers wie auch der Pastoralprozess in Papua Neuguinea ermöglichten tiefe Einblicke in Prozesse, die auch im deutschen Sprachraum an der Zeit sind.

      Zum anderen aber standen anfanghafte Erfahrungen konkreter Pastoralprozesse im Mittelpunkt des Kongresses: Was in den vergangenen Jahren in Zürich und Wolfenbüttel gewachsen ist, verweist auf eine inkulturierte Lokale Kirchenentwicklung. Appetizer aus verschiedensten Pfarreien machten deutlich, dass „Kirche geht“.

       Auf der Schwelle …

      So sehr es wichtig ist, eine Vision immer neu zu vergegenwärtigen, damit die theologische Rückbindung an die große Tradition der Kirche vertrauensvolle und mutige konkrete Schritte auf dem Weg möglich macht, so sehr ist in Lingen deutlich geworden, dass die Kirche in Deutschland in Bewegung geraten ist, nicht chaotisch, sondern verheißungsorientiert. An vielen Orten wird sichtbar, dass Neues wächst. Zugleich aber tritt ein neuer Stil der Theologie hervor, der in Lingen anfanghaft zu spüren war. Theologie, Spiritualität und Ekklesiopraxis verbinden sich zu einem Gefüge: Das Teilen der Schrift, der Austausch der Glaubenserfahrungen, die Feier der Liturgie und das gemeinsame Nachdenken bilden ein Gefüge kirchlicher Erfahrung, die ja genau auch dem pastoralen Weg einer Lokalen Kirchenentwicklung entspricht.

Hinwege

       Franz Weber

       Ja, Kirche geht …

       Ein persönliches und pastoraltheologisches Bekenntnis zur Dynamik lokaler Kirchenentwicklung

      Geht Kirche wirklich? Wer „macht“, wer bewirkt, dass Kirche auch heute „geht“? Am Beginn dieses Symposions seien hier als erster Impuls zur Thematik dieses Symposions einige Gedanken formuliert, die biographischer und theologisch spiritueller Natur sind und die den Blick bewusst über den Horizont der katholischen Kirche in Deutschland in die Weltkirche hinein weiten wollen.

      Nehmen wir zunächst für die gesellschaftliche Situation der Kirche im deutschsprachigen Raum nüchtern zur Kenntnis: Für viele Menschen hierzulande geht Kirche nicht mehr. Und sie ziehen daraus die Konsequenz, dass sie gehen, weggehen und austreten. Sie tun das mit Gründen, die sie konkret benennen, aus Enttäuschung, vielleicht auch verletzt, manche mit einer klaren Entscheidung, weil sie in dieser Kirche, wie sie lebt und erlebt wird, nicht die Gemeinschaft finden, die sie suchen, andere auch leichtfertig und leichtsinnig, ohne tiefere Motivation und häufig eben auch nur aus finanziellen Gründen. Bis in die Kernschichten unserer Pfarreien hinein sind Menschen von der Kirche enttäuscht, weil in ihr offensichtlich nichts weitergeht, weil diese Kirche nicht mehr geht, sondern steht, stehen geblieben ist. Diesen Eindruck haben viele, und das wohl nicht ganz zu Unrecht.

      Das ist freilich nur die eine Seite der Realität unserer katholischen Weltkirche, zu der sich weltweit weit über eine Milliarde Menschen bekennt. Jedes Jahr kommen – rein statistisch gesehen – einige Millionen dazu. Es ist auch eine Tatsache, dass unsere Kirche für viele Menschen als Kirche vor Ort ganz konkret als ein Stück Heimat, als ein Ort von Lebens- und Beziehungskultur erfahren wird, als Gemeinschaft, die trägt, als Gestalt der Solidarität und der Hoffnung. Viele sagen es