Hartmut Spring

"Nicht ohne den Mut zum Wagnis ..."


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das Tragen einer einheitlichen Kleidung, der Gebrauch von Wimpeln und Bannern,158 die örtlich erfolgte Konstituierung von „Vereinen“ wie Jungkolping, die Christus-Jugend in Heiligenstadt159 oder die erfolgte Antragstellung dazu, gaben dem Auftreten katholischer Jugendlicher einen Anstrich von Vereinsnähe, der das Monopol der FDJ infrage stellte und von daher nicht geduldet werden konnte. Weil die Integration der katholischen Jugend in die staatliche Jugendorganisation in Sachsen-Anhalt wie auch anderenorts in der SBZ nicht erfolgte, ergaben sich für die kirchliche Jugendseelsorge vermehrt Schwierigkeiten durch die FDJ, die alles versuchte, um das religiöse Leben der katholischen Jugend als organisiert und damit als Konkurrenz zu dem eigenen allversorgenden Anspruch zu verhindern.160 Alles was in irgendeiner Form kirchlich organisiert anmutete, wurde als verdächtig eingestuft, weitergemeldet und, wenn möglich, zu unterbinden versucht.161

       4.2 Der Versuch staatlicher Vereinnahmung der kirchlichen Kräfte

      In verschiedenen Bereichen wurde auch in der Provinz Sachsen versucht, die katholische Kirche offiziell in die Strukturen der staatlichen Jugendorganisationen einzubinden. Dies geschah zunächst dadurch, dass sie beim Vorläufer der FDJ, den Jugendausschüssen, aktiv mitarbeiten sollte. Später erfolgte dies in der Art, dass sich katholische Vertreter in den zentralen FDJ-Gremien und später in der so genannten Verbindungsstelle zwischen Kirchen und FDJ engagieren sollten. Alle Versuche der staatlichen Einbindung scheiterten an der Zurückhaltung der katholischen Kirche bzw. an der Strategie der Vereinnahmung durch die staatlichen Stellen.

       4.2.1 – in den Jugendausschüssen

      Die Notwendigkeit erkennend, auch die von der nationalsozialistischen Ideologie „verdorbene“ Jugend am Aufbau der neuen Gesellschaft zu beteiligen, gestattete die SMAD in Berlin die Bildung eines Hauptjugendausschusses bei der Abteilung Volksbildung, der sich mit der „Umerziehungsarbeit“ an der Jugend befasste. Die Jugend Deutschlands sollte sich kritisch mit ihrer eigenen Geschichte auseinandersetzen und im Geist der „Völkerfreundschaft“ erzogen werden.162 Diese Jugendausschüsse waren eine Art Vorläufer der FDJ. Im September 1945 wurde auch in der Provinz Sachsen mit dem Aufbau von Jugendausschüssen begonnen, deren Aufgabe es war, die Voraussetzungen für eine neue Einheitsorganisation der deutschen Jugend zu schaffen. Dabei versuchte man, die Kirchen wie alle anderen politisch bedeutsamen Kräfte zur direkten Mitarbeit zu bewegen. Bereits in seiner ersten Reaktion vom 24. Oktober 1945 stellte W. Weskamm klar, dass die katholische Kirche nur eine indirekte Mitarbeit der katholischen Jugendlichen über die entsprechenden Parteien befürworte.163 W. Weskamm erhoffte sich dadurch, die offenstehenden Möglichkeiten auszuschöpfen und versuchte einen Mittelweg zwischen politischer Abstinenz und der befürchteten Vereinnahmung der Jugendlichen als gewählte Mitglieder in den Ausschüssen. Da aber die Mitglieder der Jugendausschüsse „auf keinen Fall unter dem Gesichtspunkt der Parität der Blockparteien zu bilden“ waren,164 sondern hauptsächlich aus den Aktivsten unter den antifaschistischen Jungen und Mädchen rekrutiert wurden, war dieser Gedanke von Anfang an nicht umsetzbar.

      Als entsandter Vertreter der katholischen Kirche im Jugendausschuss für die Provinz Sachsen mit Sitz und Stimme fungierte H. Aufderbeck. Er verhielt sich sehr reserviert und lehnte eine engere Zusammenarbeit mit den staatlichen Vertretern ab, wohl wissend, dass die Jugendausschüsse und die von ihnen vorbereitete Einheitsjugendorganisation keine Alternative zur kirchlichen Jugendseelsorge sein konnten. Von seinem alten Misstrauen gegenüber kommunistischen Jugendorganisationen geprägt,165 verhinderte H. Aufderbeck mit seiner reservierten Einstellung den Versuch einer kommunistischen Vereinnahmung der Verantwortlichen für die katholische Jugend im Kommissariat. Die Realität ignorierend gab der damalige Landtagsabgeordnete W. Ulbricht auf der Zentralen Arbeitstagung der Jugendausschüsse noch euphorisch und realitätsverzerrend zu Protokoll, die katholische Kirche in Sachsen Anhalt zur Mitarbeit in den Jugendausschüssen gewonnen zu haben.166 Als sie ihr Arbeitsziel, die Gründung der FDJ, erreicht hatten, verloren die Jugendausschüsse in der SBZ ihre Bedeutung.

       4.2.2 - in der FDJ

      Im November 1945 wurde zwischen L. Jaeger und W. Weskamm vereinbart, dass katholische Vertreter nur in geringer Zahl in der zu gründenden organisierten antifaschistischen Jugend mitwirken sollten.167 Mit H. Aufderbeck wurde ein Vertreter der katholischen Kirche für den Gründungsausschuss der FDJ in der Provinz Sachsen mit Sitz und Stimme nominiert. Die staatlichen Jugendvertreter waren bemüht, zusätzlich möglichst viele katholische Jugendliche zur Mitarbeit in der entstehenden FDJ zu gewinnen. Der Leiter des Organisationsausschusses der FDJ in Sachsen-Anhalt, H. Gerats, traf sich bereits einen Monat nach Gründung der FDJ zur ersten offiziellen Kontaktaufnahme mit W. Weskamm. Der Propst legte in diesem Gespräch dar: „es sei auch im Interesse des Christentums, für die Einheit der Jugend und den Aufbau Deutschlands nötig, daß die gesamte deutsche Jugend sich die Hand reiche“. Da H. Gerats in diesem Gespräch einen „offenen“ und „ehrlichen“ Eindruck hinterließ, notierte der Protokollant dieser Sitzung für die katholischen Kirche die vage Hoffnung, durch die Mitarbeit in der FDJ die eigene Arbeit auch im Rahmen der FDJ fortsetzen zu können. Als Gefahren wurden die Interkonfessionalisierung und die mögliche Konkurrenz zur Gemeindearbeit benannt.168 Diese allzu optimistische Einschätzung musste aber schon bald korrigiert werden. Bereits kurze Zeit später, im April 1946, gab es in der Abteilung Kirchenwesen eine Besprechung, in der seitens der FDJ eine deutliche Abgrenzung zwischen kirchlicher und öffentlicher Jugendbetätigung getroffen wurde. Die katholische Kirche dürfe zwar die Jugend durch Erbauungs- und Unterweisungsarbeit betreuen, jede weitere Form der Jugendarbeit aber, sei sie sportlicher, gesellschaftlicher, kultureller oder unterhaltender Art, sei der FDJ vorbehalten. Wenn Jugendliche sich in dieser Weise als Gruppe betätigen wollten, müssten sie dies im Rahmen der FDJ tun. Zu diesem Zweck wurde immer wieder versucht, katholische Jugendliche für den Eintritt in die FDJ zu gewinnen.169 In den Besprechungen zwischen FDJ und kirchlichen Vertretern des Kommissariates Magdeburg wurde ebenfalls dieser ausdrückliche Wunsch geäußert, dass auch kirchlich engagierte Jugendliche in die FDJ eintreten sollten.170 Von der Kirchenleitung wurde den katholischen Jugendlichen die Mitarbeit in der FDJ zu keiner Zeit ausdrücklich verboten. Die Verantwortlichen wollten nur verhindern, dass die Jugend allzu blauäugig deren Versprechungen verfiel und sich dadurch der Kirche entfremdete. Noch im April 1947 ersuchte die FDJ die katholische Kirche, dass die katholische Jugend einen Vertreter für die Landesleitung der FDJ wählen solle.171 Doch auf Veranlassung H. Aufderbecks, der sich auf die geschaffene Verbindungsstelle berufend, durch solch eine Wahl „keinerlei Verstärkung der bisher so reibungslosen Zusammenarbeit zwischen kirchlicher Jugendarbeit und FDJ” versprach, teilte Weskamm der FDJ-Leitung mit, dass man weder einen kirchlichen Vertreter in die Verbindungsstelle entsenden noch wählen lassen wolle.172 Nicht nur in den Provinzen, auch in der Zentrale der FDJ gab es derlei Bemühungen. So soll E. Honecker bis 1947 versucht haben, mit K. Schollmeier aus Erfurt über eine Integration der katholischen Jugend in die FDJ zu verhandeln.173 Doch die realen politischen Verhältnisse hatten selbst den Optimisten in der katholischen Kirche gezeigt, dass im Rahmen der FDJ keine kirchliche Arbeit an der Jugend außerhalb der Pfarrei möglich sei.174 Die deshalb ausbleibende Integration der „katholischen Jugend“ in die FDJ führte dazu, dass in der Folgezeit immer stärkere Kämpfe zwischen katholischer Kirche und FDJ ausgetragen wurden.

      Seitens der FDJ wurde ab 1947 der Umgangston schärfer. Das betraf die an Mitgliedern stärkere evangelische noch mehr als die katholische Kirche. Angesichts der erfolgreichen Außenwirkung der Jugendseelsorge der Kirchen hatte der Zentralrat der FDJ allen Grund zur Unzufriedenheit, da „die Kirche ihre Arbeit nicht in dem Rahmen vollzieht, der ihr gesteckt ist”.175 Als das geduldige Werben der FDJ ein Ende hatte, versuchte man mit anderen Methoden, die kirchliche Jugendarbeit in die FDJ zu „integrieren”. Spätestens mit den Verhaftungen führender Jugendvertreter wandelte sich die Beziehung zur FDJ grundsätzlich. Nicht nur der Jugendreferent des CDU-Landesverbandes Sachsens, E. Ernst,176