Hartmut Spring

"Nicht ohne den Mut zum Wagnis ..."


Скачать книгу

besonders engagierte Jugendliche sollten in die Arbeit der Pfarrei eingebunden werden. Die Laien konnten ihre Fähigkeiten nun in Verbindung mit dem „Kernschargedanken“ als Gruppe in der Pfarrjugend und für die Pfarrjugend einbringen: als „Auslese aus der Masse für die Masse“85 und nicht als Laienführer in besonderen Bünden wie in den westlichen Besatzungszonen. Die unterstützende Mitarbeit von ehrenamtlichen Jugendhelfern war dabei überlebensnotwendig. Die Pfarrjugendgruppen waren bzw. wurden lokal organisiert. Damit hatte die Bischofskonferenz im Nachhinein nur noch einmal bestätigt, was ohnehin schon von den Jugendseelsorgern praktiziert wurde. Wie aber später zu sehen sein wird, gab es anfangs weder eine gemeinsame Strategie der Jugendseelsorgeämter,86 noch war eine umfassende Jugendpastoral im weiteren Sinn das eigentliche Ziel der Jugendseelsorge. Vielmehr lag auf der Katechese als Glaubensvermittlung in dieser Zeit das Hauptaugenmerk der Jugendseelsorger und deren Mitarbeiter.

      Die Richtlinien zur Jugendseelsorge von 1936 und 1945 setzten die Seelsorge an der Jugend in erster Linie mit Jugenderziehung, gleich. Die Begriffe „Jugendarbeit“, „Jugendseelsorge“ und „Jugenderziehung“ wurden nicht klar voneinander abgegrenzt.87 In der SBZ etablierte sich schon bald der Begriff der Jugendseelsorge, da in der DDR die Jugenderziehung dem staatlichen Bildungsmonopol und die Jugendarbeit allein der FDJ vorbehalten waren. Für die Aktivitäten der Jugendseelsorge war in der „sozialistischen Gesellschaft“ kein Platz. Als der anfänglich größere Spielraum der Kirchen, sich in der außerkirchlichen Öffentlichkeit betätigen zu können, zunehmend eingeschränkt wurde, reduzierten sich die Aktivitäten der Jugendlichen überwiegend auf den innerkirchlichen Bereich.88

      Die Nichtzulassung einer vielgestaltigen katholischen Jugendverbandsarbeit wurde zunächst von den Jugendseelsorgern bedauert. Sie verhinderte aber auch, dass die wenigen katholischen Jugendgruppen der mitteldeutschen Diaspora noch mehr zersplittert wurden. So hatten die Einschränkungen der kirchlichen Arbeit unter den Jugendlichen auch den Effekt, dass die gesamte Jugend der Pfarrei oder des Bistums im Rahmen der Pfarrjugendprinzips erfasst werden konnte.89 Die Auseinandersetzungen zwischen Verbands- und Pfarrjugendarbeit, wie sie es schon bald in den westlichen Bistümern gab, sind der Jugendseelsorge in der SBZ und später der DDR erspart geblieben.90 Doch erst viel später sollten die Vorteile dieser Notsituation der Pfarrjugendseelsorge erkannt und gewürdigt werden,91 um nach 1990, sich vielleicht vorschnell an die westdeutsche Struktur der verbandlichen Jugendarbeit anschließend, umgehend wieder vergessen zu werden. Weitermachen oder neu anfangen war im Gegensatz zum „Westen“ folglich für die Nachkriegsseelsorge in der SBZ keine Frage.92 Die aus der NS-Zeit eingewöhnte Pfarrjugendseelsorge setzte sich schon bald wieder fort und weitete sich auf die Jugend unter den Vertriebenen aus den Ostgebieten und das Bemühen um deren Beheimatung aus. Mit viel Improvisationsgeschick wurde neue Infrastruktur geschaffen und die Arbeit an der Jugend mit neuen Elementen wie den Wallfahrten oder den Helferschulungen ergänzt, auch wenn die sich ausweitenden Behinderungen und Verbote, die mitunter lähmende Gewissheit nährten, die doppelten Verlierer der deutschen Geschichte zu sein.

      In den ersten Jahren nach Kriegsende konzentrierte sich die Jugendseelsorge in Mitteldeutschland wie bereits während des Krieges vor allem auf die Stadtgemeinden. Mit der hinzukommenden Jugend aus den Ostgebieten ergab sich für die Jugendseelsorge eine grundsätzlich neue Situation. Die ursprünglich relativ kleinen Gruppen, die bei Vorträgen und anderen Veranstaltungen oft nicht mehr als 10-20 Jugendliche zählten,93 wurden durch die Vertriebenen bald in andere Größenordnungen gehoben. Dies hatte zu Folge, dass die katholische Jugend, soweit möglich wieder in verschiedene Altersgruppen unterteilt, meist von älteren Jugendlichen geleitet wurde. Angesichts der entstandenen Zahlenverhältnisse war es notwendig, die Pfarrjugend neu, das heißt flächendeckend, zu organisieren.94 Aber auch auf dem Lande entstanden schon bald überall eigene katholische Jugendgruppen in den Gemeinden. Der Austausch zwischen den einzelnen Gruppen war meist der Eigeninitiative der Jugendlichen überlassen und musste trotz fehlender Jugendseelsorger weiter ausgeweitet werden. Gerade in der Diasporasituation war ein überpfarrlicher Austausch dringend geboten, und noch mehr später, als die Zahl der beteiligten Jugendlichen wieder zurückging. Das war der eigentliche organisatorische Neuaufbau der Nachkriegszeit: Die bis dahin vorwiegend in den Städten existierende Jugendseelsorge auf alle Gemeinden auszuweiten, und die geflüchtete oder vertriebene Jugendlichen aus den Ostgebieten zu integrieren bzw. zu beheimaten.95

      3 Die Arbeitsgemeinschaft der Jugendseelsorger in der SBZ gründet sich

      Als Beginn einer eigenständigen Jugendseelsorge für die SBZ kann die Zusammenkunft der Jugendseelsorger am ersten Dezemberwochenende 1946 angesehen werden.96 Auf diesem ersten Treffen in Alt-Buchhorst wurde aufgrund der politischen Nachkriegssituation der Aufbau der Jugendseelsorge für die SBZ konzipiert. Die sich daraus entwickelnde Arbeitsgemeinschaft der Jugendseelsorger war aufgrund der Interventionen von K. Preyssing und H. Wienken im Rahmen der DBK von Anfang an unabhängig von der westdeutschen verbandlichen Jugendarbeit zu sehen und somit nicht als Zweigstelle von „Altenberg“97 zu verstehen, auch wenn G. Moschner98 auf dieser konstituierenden Sitzung anwesend war und mit seiner Präsenz die gesamtdeutsche Sicht ins Spiel brachte. Vielmehr bestand die Aufgabe der neu entstandenen Arbeitsgemeinschaft darin, in der SBZ eine selbständige Jugendseelsorge aufzubauen. K. Schenke wurde zugleich als Priester für die überregionale Jugendseelsorge in der gesamten SBZ freigestellt.99 Mit diesen Entscheidungen wurde die Grundlage dafür gelegt, dass die Jugendseelsorge der SBZ einen eigenen Weg gehen konnte. K. Schenke, bei diesem ersten Treffen selbst nicht anwesend, traf sich unmittelbar danach mit dem Berliner Jugendseelsorger R. Lange am Krankenbett des Prälaten Puchowski, um konzeptionelle Details zu besprechen. Die ersten Weichen für die Jugendseelsorge der SBZ wurden gestellt. Obwohl K. Schenke aus pragmatischen Gründen seine Arbeit lieber weiterhin von Leipzig aus führen wollte, entschied man sich, aus politischen Gründen, für Ost-Berlin als den Ausgangspunkt seiner Arbeit.100 Außerdem stand in Berlin das einzige intakte Jugendseelsorgeamt in der SBZ zur Verfügung. In den übrigen Ordinariaten im Bereich der SBZ war die eigenständige Jugendseelsorge erst noch im Aufbau begriffen. Mit K. Schollmeier in Erfurt und H. Theissing101 in Görlitz gab es ab 1946 in zwei anderen Ordinariaten der SBZ bereits hauptamtliche Jugendseelsorger.102 In den anderen Bistümern war die Jugendseelsorge noch größtenteils dezentralisiert auf die Städte beschränkt (Dresden, Leipzig,103 Rostock), während für das Kommissariat Magdeburg der Paderborner Jugendseelsorger A. Reineke zuständig war. Ihm zur Unterstützung wurden am 1. Dezember 1945 zwei nebenamtliche Jugendseelsorger, für Mannes- und Frauenjugend getrennt, für das Kommissariat Magdeburg ernannt.104 Daneben wurden noch Dekanatsjugendseelsorger berufen.105

      Am dritten Märzwochenende 1947 fand ein erstes Interzonen-Treffen von Jugendseelsorgern aus den Westzonen und aus der SBZ statt. Bereits in den Tagen zuvor hatten sich die Jugendführer der SBZ in Berlin versammelt und wurden u. a. von Prälat Puchowski auf die Verantwortung der Laien in der katholischen Jugendseelsorge eingeschworen. Selbst wenn es vor allem der Priestermangel war, der zur betonten Mobilisierung der Laien veranlasste, sollten sich die Jugendführer nicht als „Notnagel“ verstehen, auf den in der Umbruchszeit zurückgegriffen würde. Sie, die Laien, seien durch Christus befähigt, mitverantwortlich als Kirche und in der Kirche zu arbeiten.106 Am gemeinsamen Wochenende mit den Jugendseelsorgern aus allen vier Zonen hatte vor allen das CAJ-Konzept des Sehen - Urteilen - Handelns begeisterten Anklang gefunden. Dieses Konzept, obwohl auf den religiösen Bereich konzentriert, verbunden mit bündischen Elementen und einem großen Ausmaß an Improvisation, bildete inhaltlich einen wichtigen Ausgangspunkt für die spätere Jugendseelsorge in der SBZ. In einem weiteren Referat hob G. Moschner wieder den bündischen Ansatz ins Bewusstsein der Jugendlichen und Seelsorger. Die von Priestern geprägte Pfarrjugendseelsorge hätte in der Zeit des Krieges nur einem „Klerikalismus“ Vorschub geleistet und die berufenen Jugendführer seien zwar schon „halbe Kapläne“ gewesen, aber diese Art der Jugendseelsorge in der Zeit des Nationalsozialismus hätte auch als Arbeit im Verborgenen enggeführt. Die katholische Jugend solle in der Gesellschaft wieder präsenter sein und müsse daher von der Jugend geführt werden.107

      Die