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Geist und Leben 1/2015


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Menschen, eine Sehnsucht nach geistig-religiöser Erfüllung, oft in Absetzung von Materialismus, Hektik, Desorientierung und Sinnleere unserer Zeit. Der Begriff bleibt allerdings oft unscharf, inhaltsleer, apersonal, nicht eingebunden in konkrete soziale Gefüge und Vollzüge – was in gewisser Weise dem Bedürfnis unserer Zeit, sich nicht festzulegen und unverbindlich zu bleiben, entgegenkommt. Dennoch ist er unverzichtbar, weil das Leben aus dem Geist unverzichtbar ist – und dringlich.

      „Glaubensverkündigung“ – ein älteres Wort – wird im Gegensatz zu „Spiritualität“ inhaltlicher verwendet: Man meint Gott, den personalen Gott, und Jesus Christus, das konkrete Gesicht Gottes in der Welt, dazu die Bibel als Heilige Schrift aller Christ(inn)en und die Kirche als die verfasste Gemeinschaft der Glaubenden, schließlich eine christliche, wertgebundene Lebensform und Ethik. In ihrer Verkündigung will die Kirche den Glauben vertieft vermitteln, in Glaubenskursen, Katechesen, mit religiösen Vollzügen wie Gebet und Liturgie und mit christlichem Engagement. „Glaube“ kann dogmatisch verengt und auf Formeln reduziert werden; diese Gefahr ist größer, wenn man sich – etwa gegenüber der Moderne und ihrer Komplexität oder gegenüber dem Säkularismus – in der Defensive sieht und dann die einfachen Antworten sucht. So würde die Glaubensverkündigung allerdings aus der Zeit fallen und ihre Sprache sich von heutigem Sprechen abkoppeln, mit der Folge, dass der Glaube allzu schlicht wird, rational nicht verantwortet, irrelevant, museal. Ein weiter und offener Glaube hingegen will in heutigem Kontext die Größe und Güte Gottes aufleuchten lassen, er will trösten und befreien, heilen und aussenden, deuten und wegweisen; er will in Gemeinschaft führen und vor dem Untergang retten.

      „Geist und Leben“ – zum Titel aus Joh 6,63 finden sich in den ersten drei Artikeln dieses Heftes Deutungsversuche aus unterschiedlichen Konfessionen – ist „Zeitschrift für christliche Spiritualität“. Dieser Untertitel bringt wohl gut die Vermittlung der beiden Pole „Spiritualität“ und „Glaubensverkündigung“ auf den Punkt: Spirituelle Weite und Offenheit ist rückgebunden und konkretisiert sich im christlich-biblisch-kirchlichen Glauben. Diese Bindung engt die Spiritualität nicht ein, sondern im Gegenteil, sie erdet, „nährt“, ja weitet sie: Bibel, Liturgie, kirchliches Leben tragen selbst – gegen alle Versuchung enger Auslegung – die spirituelle Vielfalt, Weite und Offenheit in sich, weil wiederum Gott selbst und ebenso Jesus Christus, seine Inkarnation, sie in sich tragen und leben.

      Seit eineinhalb Jahren unter neuer Schriftleitung und mit neuem Beirat, gibt sich die Zeitschrift mit dieser Ausgabe ein neues Gewand. Neben dem erneuerten Layout wollen ein regelmäßiges Editorial („Notiz“) und die veränderten Rubriken die Zeitschrift behutsam modernisieren; sie soll leichter lesbar werden und deutlicher auf heutige spirituelle Fragen und Bedürfnisse antworten.

      Getragen vom Jesuitenorden, ist und bleibt „Geist und Leben“ ignatianisch, weniger im Sinn einer „spirituellen Richtung“, also bestimmter Inhalte, sondern im Sinn einer „Weise des Vorangehens“ – das Ignatianische ist ja mehr ein Stil als ein Inhalt. Die ignatianische Weise inspiriert sich aus der großen biblischen und kirchlichen Tradition und Weisheit, dabei ist sie im Denken frei und immer wieder offen für Neues, das Gespräch mit den Wissenschaften suchend, interkulturell und interreligiös dialogisch, kritisch unterscheidend, eher nüchtern und behutsam urteilend, vermittelnd mit dem konkreten Leben; sie ist eben – das ist unser Vorhaben – Geist und Leben.

N Nachfolge

      Kirche

      K

      Gregor Etzelmüller | Heidelberg

      geb. 1971, verheiratet, 2 Kinder, apl. Professor für Systematische Theologie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

       [email protected]

      „Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben“

      Evangelische Spiritualität heute*

      „Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch vermag nichts. Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben“ (Joh 6,63). Dieser Vers führt ins Zentrum evangelischer Spiritualität. Deutlich klingt im zweiten Satz die von allen Reformatoren vollzogene Konzentration des öffentlichen gottesdienstlichen Lebens, aber auch der Frömmigkeit auf das Wort an. Dabei wird deutlich: Das Wort ereignet sich in mündlicher Verkündigung, es ist gepredigtes, nicht geschriebenes Wort. Weil evangelische Frömmigkeit das gepredigte Wort sucht, hält sie sich zur Gemeinde. Bedenkt man den Kontext der Stelle, die Brotrede Jesu in Joh 6, wird auch der Inhalt des Wortes deutlich: die Hingabe Jesu zugunsten der Welt. Evangelische Frömmigkeit lebt davon, dass Christus sich den Seinen als Brot des Lebens schenkt.

      Exegetische Beobachtungen

      Exegetisch stellt sich im Blick auf Joh 6,63 die Frage, warum es von dem Fleisch, von dem zuvor in Joh 6 als dem für die Welt dahingegebenen Fleisch Jesu gesprochen war (vgl. 1,14), nun heißen kann, dass dieses nichts nütze. Hält man an der Kohärenz des Textes fest, wird man sagen müssen: Fleisch und Leben Jesu bleiben nutzlos, sofern der Heilige Geist nicht Menschen in die Wahrheit führt und so dazu bewegt, sich das Fleisch und Blut Christi geistlich einzuverleiben: „Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes verzehrt und mein Blut trinkt, habt ihr kein Leben in euch.“ (6,53) Das Fleisch Jesu, sein Leben, wirkt Leben nur dort, wo es durch den Geist Gottes erschlossen und aufgenommen wird.

      Wem im Heiligen Geist die Worte Jesu erschlossen werden, so dass er/sie in ihnen Christus als Brot des Lebens ergreift, der gewinnt Anteil am Leben Jesu und deshalb am ewigen Leben. Denn ewig ist dasjenige Leben, das sich nicht dem natürlichen Kreislauf von Fressen-und Gefressen-Werden einfügt, sondern diesen Kreislauf in der Hingabe des Lebens durchbricht (vgl. 12,25). Deshalb wächst aus der Hingabe des Lebens Jesu neues Leben (12,24) – und deshalb gibt der johanneische Christus den Seinen nur ein einziges Gebot, nämlich „dass ihr einander liebt. Wie ich euch geliebt habe, so sollt ihr auch einander lieben.“ (13,34)

      Umstellung von Kult