zu uns selbst davon abhängig, wie wir über uns denken. Eine vielzitierte Weisheit bringt die Macht der Gedanken und ihre Konsequenzen für unser Leben zum Ausdruck:
Achte auf Deine Gedanken,
denn sie werden zu Gefühlen.
Achte auf Deine Gefühle,
denn sie werden zu Worten.
Achte auf Deine Worte,
denn sie werden zu Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen,
denn sie werden zu Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten,
denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter,
denn er wird Dein Schicksal.11
Der Umgang mit den Gedanken beschäftigte bereits die Mönchsväter. Ein Bruder kam zum Altvater Poimen und sagte: „Vater, ich habe vielerlei Gedanken und komme durch sie in Gefahr.“ Der Altvater führte ihn ins Freie und sagte zu ihm: „Breite dein Obergewand aus und halte die Winde auf! “ Er antwortete: „Das kann ich nicht!“ Da sagte der Greis zu ihm: „Wenn du das nicht kannst, dann kannst du auch deine Gedanken nicht hindern, zu dir zu kommen. Aber es ist deine Aufgabe, ihnen zu widerstehen!“12 Der Altvater verwies auf die Tatsache, dass Gedanken wie der Wind von selbst kommen. Der Bruder konnte dies nicht verhindern. Er besaß jedoch die Fähigkeit, den Gedanken zu widerstehen.
In der Stille werde ich mir gewahr, d. h. bewusst, wie viele Gedanken in mir auftauchen, die weder nötig noch nützlich sind. „Widerstehen“ bedeutet in der Meditation, die Gedanken, die ins Bewusstsein treten, weder zu unterdrücken noch zu bewerten oder zu versuchen, sie irgendwie zu bekämpfen – mögen sie nun aus menschlicher Sicht gut oder schlecht, erhebend oder bedrückend sein. Sie sind Teil meiner menschlichen Realität und gehören zu mir wie der Wind zur Natur. Sobald ich jedoch bemerke, dass ich in Gedanken bin und meine Aufmerksamkeit auf Zukünftiges oder Vergangenes gerichtet habe, führe ich sie zurück zum Hier und Jetzt. Die konkrete Wahrnehmung meines Atems und/oder meiner Hände ist mir dabei eine große Hilfe. Sie bindet meine Aufmerksamkeit wieder neu an die Gegenwart. So bin ich in Kontakt mit mir selbst und lausche auf den Namen Jesus Christus, den ich innerlich spreche. Von Augenblick zu Augenblick komme ich immer wieder sanft zu dieser Verbindung zurück und erfahre, wie flüchtig meine Gedanken sind, die in sich keinen Bestand haben.
Im Alltag sind Gedanken einerseits wichtig und notwendig, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Hier sind wir froh und dankbar über einen klaren Verstand und um die Fähigkeit zu denken. Unser Verstand produziert andererseits jedoch auch im Alltag viele Gedanken, die wir gar nicht haben wollen und für die konkreten Situationen auch gar nicht brauchen.
Ich achte auf meine Gedanken. Wenn ich sie bemerke, kann ich auf überflüssige Gedanken Einfluss nehmen, indem ich meine Aufmerksamkeit dann bewusst auf etwas Konkretes richte. Die großen und kleinen alltäglichen Aufgaben, die ich mit Achtsamkeit ausführe, führen mich immer wieder zur Gegenwart zurück. Unerwünschte Gedanken können in dieser Weise mehr und mehr in den Hintergrund treten.
2.1 Unterscheidung der Gedanken
Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab. (Marc Aurel)
In der Meditation öffne ich mich für die Erfahrung der Gegenwart Gottes. Dieses Erleben ist frei von intellektuellen Aktivitäten. Da Gott nicht in meinen Gedanken zu finden ist, brauche ich mich nicht weiter mit ihnen zu beschäftigen, d. h., ich analysiere und bewerte meine Gedanken nicht. Ich wende mich stattdessen von ihnen ab und der Gegenwart und dem Namen Jesu zu.
Im Alltag ist es nicht möglich, mich beständig von meinen Gedanken abzuwenden. Hier geht es vielmehr darum, darauf zu achten, welchen Gedanken ich meine Aufmerksamkeit gebe und was diese in mir bewirken. Ich möchte dies mit einem Beispiel veranschaulichen. Ich sitze in einem Zug, von dem ich weiß, dass er mit einer halben Stunde Verspätung am Zielort eintreffen wird. Diese Situation ruft entsprechend viele Sorgen in mir hervor: Wie informiere ich meinen Arbeitskollegen? Wie komme ich schnellstmöglich vom Bahnhof zum Arbeitsplatz? Warum muss es ausgerechnet jetzt diese Verspätung geben? etc. Um die unangenehmen Konsequenzen dieser Verspätung so gering wie möglich zu halten, werde ich aktiv: Ich rufe meinen Arbeitskollegen an und bitte darum, mit der Besprechung eine halbe Stunde später zu beginnen. Ich bestelle ein Taxi, um nach der Ankunft am Bahnhof gleich weiterzufahren. Damit habe ich getan, was jetzt gerade in meinen Möglichkeiten steht. Ich kann mich jedoch auch weiterhin gedanklich mit den Folgen der Verspätung beschäftigen, ohne dadurch die unangenehme Situation zu verändern oder neue Erkenntnisse hinzuzugewinnen. Auch wenn ich überzeugt bin, dass diese Überlegungen berechtigt sind, bereite ich mit ihnen den Boden für negative Gefühle in mir. Diese innere Beschäftigung kostet zudem viel Kraft, strapaziert die Nerven und ist tatsächlich überflüssig. Hier hilft mir mein Verstand, zu erkennen, dass ich an der augenblicklichen Situation weiter nichts verändern kann. Ich stimme innerlich zu: „Okay – so ist es jetzt. Ich werde eine halbe Stunde später ankommen.“ Dieses Einverständnis bewirkt, dass es ruhiger in mir werden kann. Ich höre auf, „gegen den Wind zu kämpfen“, also gegen etwas, das ich sowieso nicht mehr verändern kann. Mit meiner Aufmerksamkeit achte ich jetzt auf das, was außer den Dingen, die mich ärgern und stören, noch da ist. Ich kann meine Aufmerksamkeit zum Beispiel auf die vorbeiziehende Landschaft richten und sie auf mich wirken lassen oder auf ein Buch oder eine Zeitung, die ich mir mitgenommen habe. Vielleicht schließe ich auch einfach nur meine Augen und achte darauf, wie mein Atem kommt und geht. Die Wahrnehmung meines Atems führt mich nach innen. Allmählich kann ich den Namen Jesu mit dem Rhythmus meines Atems verbinden.
„Wehret den Anfängen“ bedeutet für den spirituellen Weg, sich von Anfang an bewusst zu sein: Ich habe eine Wahl. Ich kann darüber entscheiden, welchen Gedanken ich meine Aufmerksamkeit gebe und welchen nicht. Von Gedanken, die mir nicht weiterhelfen, wende ich mich konsequent ab und stattdessen etwas Konkretem zu. Die entschlossene Rückführung der Aufmerksamkeit zu dem, was im Hier und Jetzt dem Leben dient, ist eine beständige Aufgabe, die meinem Alltag gleichzeitig eine klare Orientierung gibt.
2.2 Umgang mit negativen Gedanken
Man muss sich durch die kleinen Gedanken, die einen ärgern, immer wieder hindurchfinden zu den großen Gedanken, die einen stärken. (Dietrich Bonhoeffer)
Es gibt chronische, tief verwurzelte negative Gedanken, die immer und immer wieder kommen, wie zum Beispiel: „Das kannst du sowieso nicht!“ „Die anderen sind viel besser als du! “ „Keiner liebt mich wirklich! “ „Das geschieht dir recht!“ „Du bist selbst schuld!“ Ihr Ursprung reicht oft bis in die Kindheit zurück. Diese Gedanken ziehen viel Lebenskraft und Lebensfreude ab. Das beständige Kreisen um negative Gedanken bewirkt eine Unruhe und Unzufriedenheit, macht unglücklich oder sogar krank. Es belastet zwischenmenschliche Beziehungen und auch die Beziehung zu mir selbst. Außerdem lenken sie die Aufmerksamkeit tragischerweise zu den Aspekten, die diese Meinungen zusätzlich noch bestätigen, und können blind machen für das Gute und Schöne, das auch da ist. In dieser Weise wirken sie unbewusst in destruktiver Weise in mein Denken, Fühlen und Tun hinein. Ich halte die negativen Gedanken für die Wirklichkeit. Diese ist jedoch immer sehr viel größer als all meine Gedanken, und die eigene Sichtweise ist stets nur ein Ausschnitt von ihr. Man könnte meinen, die Lösung sei doch eigentlich ganz einfach: Ich denke diese Gedanken einfach nicht mehr! Aber Gedanken, denen man in dieser Weise zu widerstehen versucht, drängen sich umso vehementer auf.
Um hartnäckigen Gedanken zu widerstehen, muss man entschlossen etwas entgegensetzen. Magda Hollander-Lafon, die als 16-Jährige nach Auschwitz deportiert worden war und überlebte, hat sich ganz bewusst den hartnäckigen, negativen Gedanken widersetzt, die sie – auch nach ihrer Befreiung – am Leben zu hindern versuchten. „Ich schnitt farbige Pappstückchen aus und malte darauf jeden Tag in Großbuchstaben einen Zuspruch: ‚Magda, du schaffst es‘, ‚Das Leben will angestrahlt werden‘, ‚Glaube