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Arme Kirche - Kirche für die Armen: ein Widerspruch?


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reich an Würde

       Friedrich Wilhelm Graf: Theologie des Reichtums statt Option für die Armen – Die Ökonomie der Pfingstkirchen

       Lisbeth Mora: Die Welt mit Jesu Augen sehen heißt die Armen sehen

       Asien

       Hector D’Souza: Vom Stallgeruch der Schafe und vom Wohlgeruch der Wohltätigkeit

       Lourdunathan Yesumarian: Immer noch weniger als Menschen – Dalits in der Kirche

       Amalraj Chinnappan: Die Macht der leeren Hände und die Eucharistische Herausforderung

       Zum Schluss

       Jörg Alt/Klaus Väthröder: Antwort(en) auf die Frage des Buches

       Siegfried Grillmeyer: Die „Option für die Armen“ als eine immerwährende Frage der Zeit

       Wir stellen uns vor: Die Jesuitenmission

       Jörg Alt / Klaus Väthröder

       Was will das Buch „Arme Kirche – Kirche für die Armen: ein Widerspruch?“

       Klaus Väthröder SJ ist Leiter, Dr. Jörg Alt SJ stellvertretender Leiter der „Jesuitenmission“ in Nürnberg

      Ach, wie möchte ich eine arme Kirche für die Armen!“ Dieser Ausruf von Papst Franziskus bei seiner ersten Pressekonferenz vor Tausenden Journalisten am 16. März 2013 begeisterte uns. Stand dieser Aufruf doch in einer Reihe mit symbolischen Zeichen, die Papst Franziskus seit seiner Wahl gegen das vatikanische Zeremoniell durchsetzte: keine teuren roten Kalbslederschuhe mehr, Verzicht auf die Staatskarosse, Begleichung der Hotelrechnung. Dieser Papst, so scheint es, will auf Seiten der Armen stehen und man kann ahnen, dass er mehr in die Wege leiten wird, um es nicht beim Symbolischen zu belassen.

       Fragestellung des Buchs

      „Prima!“, denken wir uns, „genau die Art Rückenwind, die wir in unserem Geschäft benötigen!“ Steht doch die Hilfe für Arme in der Welt im Zentrum unserer Projektarbeit und unseres Freiwilligenprogramms und die Auseinandersetzung mit den Strukturen von Armut (die im Übrigen auch dazu beiträgt, dass die Schere zwischen Reich und Arm in den reichen Ländern immer weiter auseinandergeht) im Zentrum unserer Publikationen, Forschung und Kampagnenarbeit. Beim näheren Hinschauen fragt man sich aber: „Arme Kirche – Kirche für die Armen“: Wie passt beides denn zusammen? Ist das nicht ein Widerspruch?

      Einfach ist die Frage ganz und gar nicht zu beantworten: Ist eine Kirche arm, kann sie einerseits zwar glaubwürdig mit den Armen gemeinsam arm leben und ist erkennbarer in der Nachfolge Jesu und seiner ersten Jünger. Aber: Die Kirche würde andererseits zugleich viel „institutionellen Muskel“ verlieren, mit dem sie Armen in Deutschland und weltweit wirksam hilft und einen Unterschied in deren Leben machen kann. Nur ein Beispiel anhand eines der stärksten Symptome dafür, dass mit unserer Welt etwas nicht in Ordnung ist: illegale Migration und Menschenhandel. Ohne Geld, das beispielsweise von der „Jesuitenmission“ gesammelt und weitergeleitet wird, könnten die Kirchen in den Herkunftsländern keine Präventions- und Aufklärungsprogramme durchführen, ohne Geld in den Zielländern keine Sozialdienste unterhalten oder Advocacy betreiben, etwa indem durch das „Katholische Forum Leben in der Illegalität“ sehr erfolgreich Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung und beim Schulbesuch von Kindern „Illegaler“ erreicht werden konnten.

      Zugegeben: Jesus und seine Jünger lebten sehr einfach. Aber: Jesus und seine Jünger hatten eine Kasse, aus welcher Armen geholfen wurde (Joh 12,5 f.), und es gab in ihrem Umfeld Frauen, die sie begleiteten und mit dem unterstützten, was sie besaßen (Lk 8,3). Sicher: Jesus beauftragt seine Jünger, auf dem Weg der Verkündigung weder Proviant noch Geld mitzunehmen. Beim letzten Abendmahl deutet er jedoch an, dass es nach seinem Tod anders werden würde, und mahnt, ab sofort einen Geldbeutel einzustecken (Lk 22,36).

      Ähnlich vieldeutig sind die Erzählungen der urchristlichen Gemeinde. In der Apostelgeschichte steht: „Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam“ (Apg 4,32). Aber das trifft auch auf die prachtvollen Benediktinerabteien zu, die während der Barockzeit entstanden und uns bis heute mit Staunen erfüllen: Die darin wohnenden Mönche leben arm und einfach – wenngleich das Kloster reich ist. Oder: Die frühen Christen verkauften ihren Besitz, „brachten den Erlös und legten ihn den Aposteln zu Füßen. Jedem wurde davon so viel zugeteilt, wie er nötig hatte“ (Apg 4,34 f.). Nur: Wir erfahren wenig später, dass die Apostel sich durch diese Verteilung überfordert sahen. Sie beriefen „Männer von gutem Ruf“, denen ab sofort dieser Dienst der alltäglichen Versorgung der Witwen und Armen übertragen war (Apg 6,1–6). Aus dieser professionellen Bedarfsprüfung und Zuteilung seitens bestellter Experten entwickelte sich die institutionelle Caritas. Was aber geschah mit dem Geld, das den Aposteln zu Füßen gelegt, aber nicht sofort gebraucht wurde? Vermutlich wurde es bis auf weiteres zurückgelegt und wurde zur Rücklage. Aus Rücklagen entstehen wiederum Banken, die Geld verwalten, mehren und für den Moment bereithalten, wenn es benötigt wird.

      Und überhaupt: Was kennzeichnet eine „arme Kirche“ und wer sind die „Armen“, für die sich die Kirche einsetzen soll? Gibt man das Stichwort „Armut“ in Google ein, kommen über 12 000 000 Treffer. Gibt man das Stichwort „Armut“ bei Wikipedia ein, findet man eine Fülle verschiedener Definitionen: Es gibt absolute und relative Armut, materielle, geistige und geistliche Armut, freiwillige und erzwungene, individuelle und strukturelle Armut, Chancen-, Bildungs- und Verteilungsarmut … Eine Antwort auf den Ausruf von Papst Franziskus und entsprechend auf die Frage dieses Buchs ist also alles andere als einfach zu finden.

       Suche einer Antwort bei Papst Franziskus selbst

      Papst Franziskus selbst hilft einem bislang nicht besonders bei der Interpretation, was denn nun die „arme Kirche – Kirche für die Armen“ konkret bedeutet. In seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ vom 24. November 2013 kommt dieser Aufruf in Nummer 198 vor: Dort heißt es aber zuvor, dass „für die Kirche … die Option für die Armen in erster Linie eine theologische Kategorie und erst an zweiter Stelle eine kulturelle, soziologische, politische oder philosophische Frage“ sei. Die Tatsache, dass Gott den Armen „seine erste Barmherzigkeit“ gewährt hat, habe „Konsequenzen im Glaubensleben aller Christen, die ja dazu berufen sind, so gesinnt zu sein wie Jesus“. Und in Nummer 199 sagt Franziskus hinsichtlich des Umgangs mit den Armen: „Unser Einsatz besteht nicht ausschließlich in Taten oder in Förderungs- und Hilfsprogrammen …, sondern vor allem (in einer) aufmerksamen Zuwendung zum anderen.“ Wenn Franziskus aber „nicht ausschließlich“ schreibt, dann heißt dies aber doch wohl, dass er diese Taten, Förderungs- und Hilfsprogramme dennoch befürwortet?!

      Dabei geht er mit gutem persönlichen Beispiel voran: Die Päpstliche Almosenvergabe hat sich unter Franziskus von einer Million Euro auf zwei Millionen verdoppelt. Der Päpstliche Almosenier, Erzbischof Krajewski, berichtet, dass Franziskus ihm gesagt habe: „Dein Konto steht gut, wenn es leer ist. Dann kann man es auffüllen.“1 Freilich: Auch Franziskus wird trotz