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Arme Kirche - Kirche für die Armen: ein Widerspruch?


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Jugendlichen und Männern, die auf dem Meeresgrund landen, befreit fühlt.“

      Die Einstellung der Kirche zum Reichtum war nie eindeutig. Sie umfasste alles, vom naiven und (vorgeblich) ‚unschuldigen‘ Anhäufen von Geld und Gütern bis zu kritischer Distanz von allem, von der Einsicht in die Notwendigkeit von Mitteln für den Selbsterhalt und für den Einsatz für die gute Sache bis hin zur kritischen Reflexion der Spielregeln von Markt und Kapital. Armut war immer ein Thema, weil es immer Ungleichheit, Reiche und Arme gab und weil der Reichtum der Reichen etwas mit der Armut der Armen zu tun hat. Hinter dem Haben oder dem Nicht(s)-Haben steht die Frage nach der Gerechtigkeit und Gleichheit der Menschen untereinander.

       Zeugnis der Heiligen Schrift

      In manchen Perioden des Alten Testaments waren Reichtum, Wohlergehen und Macht Zeichen des Segens und der Zuwendung Gottes. Umgekehrt aber wurden Armut, Leiden und Machtlosigkeit nicht automatisch als Zeichen des Fluches Gottes gedeutet, wohl aber als Strafe Gottes für den Abfall des Volkes von Gott (bei den Propheten). Dagegen genossen die Armen, die Waisen, Witwen und Fremden immer einen besonderen Schutz Gottes und der Glaubenden (Ex 22,6; 25,35 und oft in den Psalmen). An der Achtung und Hilfsbereitschaft gegenüber den Armen erwies sich die Aufrichtigkeit des Glaubens. Gerechtigkeit und Menschenfreundlichkeit waren wichtiger als Fasten (Jes 58,3–6). Eine besondere Deutung bekommen das Leiden und die Armut durch die vier Lieder vom Gottesknecht bei Jesaia (ab Jes 42). Die geheimnisvolle Gestalt des leidenden Gottesknechtes wird meist als die Personifizierung des Volkes Israel gedeutet, das mit Gott auch in seinem Leid und seiner Erniedrigung im Dialog steht, ja mit dem sich Gott tief identifiziert. Das vierte Lied (Jes 52,13–53,12) geht noch weiter: Der Knecht leidet für die Menschen, stellvertretend für alle. So wird er zur Botschaft, dass Gott den Menschen, den Armen und Leidenden, treu bleibt und sie in ihm einen Erlöser haben. Gott ist den Armen und Leidenden nicht fern, er ist ihnen nahe. Er folgt den Menschen auch in die Fremde (in die Deportation, ins Exil) und bleibt bei ihnen.

      Die Zuwendung Gottes zu den Armen findet in der Botschaft der Evangelien ihren Höhepunkt. Matthäus und Lukas beginnen das Auftreten von Jesus in Galiläa mit der Ankündigung des Reiches Gottes für die Armen. „Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich und seine Jünger traten zu ihm. Dann begann er zu reden und lehrte sie. Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,1–3). Die folgenden Seligpreisungen bezeichnen alle Leidenden und Gequälten als „selig“. Ihnen wendet sich Jesus in besonderer Weise zu. Lukas beginnt die Beschreibung des öffentlichen Wirkens Jesu in Galiläa mit seinem programmatischen Auftritt in Nazareth: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“ Eine ähnliche vorbehaltlose Bevorzugung der Armen und Leidenden beobachten wir im Evangelium nach Markus und bei Johannes. Besonders in der Gerichtsrede bei Mt 25 findet sich die Gleichsetzung von den Armen mit Jesus selbst: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,31 ff.). Wie ist diese Gleichsetzung zu verstehen? Die Identifikation Jesu ist nicht im Sinne eines „als ob“ zu verstehen (als ob ihr es mir getan hättet), sondern er identifiziert sich mit den Armen und Verfolgten, gleichsam lückenlos. In ihnen begegnen wir ihm direkt. Diese wiederholte Identifizierung Jesu mit den Armen in den synoptischen Evangelien ist auffällig und darf uns nicht unberührt lassen.

      Paulus verankert die Zuwendung der Kirche zu den Armen in der Inkarnation Jesu selbst: „Denn ihr wisst, was Jesus Christus, unser Herr, in seiner Liebe getan hat: Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor 8,9). Im Hymnus des Briefes an die Philipper legt Paulus das christologische Fundament für die Einstellung der Glaubenden: „Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,5–11). Im Jakobusbrief finden wir eine Anwendung dieser theologischen Aussagen auf das Leben in der Gemeinde. „Wenn in eure Versammlung ein Mann mit goldenen Ringen und prächtiger Kleidung kommt, und zugleich kommt ein Armer in schmutziger Kleidung, und ihr blickt auf den Mann in der prächtigen Kleidung und sagt: Setz dich hier auf den guten Platz! und zu dem Armen sagt ihr: du kannst dort stehen! oder: Setz dich zu meinen Füßen! – macht ihr dann nicht untereinander Unterschiede und fällt Urteile aufgrund verwerflicher Überlegungen? Hört, meine geliebten Brüder: Hat Gott nicht die Armen in der Welt auserwählt, um sie durch den Glauben reich und zu Erben des Königreiches zu machen, das er denen verheißen hat, die ihn lieben?“ (Jak 2,2–5). Die Botschaft der Evangelien und der Apostel sind Ausdruck für Jesu Liebe zu den Armen und seine Aufforderung an die Jünger, dasselbe zu tun.

       Erneuerungsbewegungen

      In der Geschichte der katholischen Kirche gab es im Mittelalter und in der Neuzeit zahlreiche Erneuerungsbewegungen. Sie begannen meist mit der Hinwendung zur Armut und mit der Identifizierung mit den Armen, mit dem Teilen der Güter und mit der Praxis eines einfachen Lebensstils. Im Mittelalter galten die Armen als die Vikare Christi auf Erden. Erst im 12. Jahrhundert hat Innozenz III. den Titel „Vicarius Christi“ auf das Papsttum übertragen. Die Inspiration zur Armut hat sich in bestimmten Personen und in bestimmten Formen konkretisiert. Im Blick auf den Gekreuzigten und Auferstandenen fanden sie Hoffnung und Erlösung in ihrem Leid und ihrer Armut. Franziskus von Assisi, Ignatius von Loyola, Luise Marillac, Vinzenz von Paul, Johannes von Gott, Charles de Foucault und Mutter Teresa von Kalkutta und viele andere. Das findet eine starke Bestätigung in der Tatsache, dass in den geistlichen Traditionen Asiens die persönliche Armut der sogenannten Religiösen Menschen als eine Garantie für die Echtheit ihrer religiösen Tiefe erscheint, die nicht durch persönliches Erwerbsstreben verdunkelt und unglaubwürdig wird.

       „Kirche für die Armen“ – „Arme Kirche“

      Papst Franziskus fordert uns mit dem Ausruf heraus: „Wie sehr möchte ich eine Kirche für die Armen und eine arme Kirche!“ Er schickt die Kirche auf den Weg, neu zu entdecken, was es bedeutet, eine arme Kirche und eine Kirche für die Armen zu werden. Wir wollen über diese Frage nachdenken und uns von den Gestalten helfen lassen, zu denen Papst Franziskus in besonderer Beziehung steht: dem hl. Franziskus von Assisi, dessen Namen er gewählt hat, und dem hl. Ignatius, von dessen Spiritualität er kommt und dessen Geist sein Tun atmet.

      –Eine Kirche, die sich an den Armen orientiert – an den wirklich Armen und nicht an den nur Nicht-Reichen (wie der Dichter Rainer Maria Rilke unterscheidet) – ist geprägt von der Grundhaltung, auf der alle anderen beruhen, nämlich vom Vertrauen auf Gott allein. Dieses Vertrauen hat Ignatius von Loyola eingeübt und es den Brüdern mitgegeben, die er zum apostolischen Dienst in verschiedene Länder sandte. Das Vertrauen gibt Freiheit und lässt kreativ neue Wege suchen. Das größte Hindernis für eine Kirche der Armen und für das Bild einer armen Kirche ist die Angst vor Ausgesetztheit, Ungesichertheit, Machtlosigkeit und Verwundbarkeit. Vielleicht sind wir noch zu sehr „mit Netzen und Ketten“ an das „Haben“, an Reichtum (Geistliche Übungen Nr. 142) gebunden. Vom Reichtum geht Sicherheit aus, von der Sicherheit Macht und von der Macht alle Gefahren ungerechter Beziehungen zu Dingen und Menschen. Das lässt sich leider auch in der Kirche beobachten. Wie soll dem anders abgeholfen werden als dadurch, dass die Kirche selbst wieder arm und einfach wird?

      –Eine Kirche für die Armen ist eine Kirche, die aus dem Bewusstsein lebt, dass ihr Reichtum nicht Geld, politische oder wirtschaftliche Position und nicht Beziehungen sind. Ihr Reichtum ist Gott und der Glaube an Christus. Sie hat mit dem arm gewordenen Herrn nichts zu verlieren, sondern mit ihm nur zu gewinnen.

      –Eine arme Kirche ist eine frohe Kirche, eine, die Freude ausstrahlt, die staunen und die – wie der hl. Franziskus – auf zwei Hölzern Geige spielen kann. Sie ist eine Kirche, die