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Wie betest du?


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dass das konsequente Bleiben bei der Stille bzw. Zurückkehren zur Stille einen weiten Raum in mir öffnet und Friede und Befriedung einkehren lässt. Und so fängt die Stille allmählich an zu sprechen. Es sind keine Worte, die sie sagt. Sie spricht durch ihr Sein. Sie nährt, kräftigt, erfüllt. Sie lässt das tiefe Wissen aufsteigen, dass ich bin und dass Er ist. Dass wir sind. Eins. Das ist alles, und es ist wirklich alles. Es ist das Wesentliche. In der Stille wird das Ewige Wort laut, sagt Meister Eckhart – und hörbar. Ich bin für diese Erfahrung und diesen Weg unendlich dankbar.

       Bernhard Bürgler SJ, Wien, geb. 1960

       Pass mir auf den Jörg auf!

      Ich gehöre zu den Menschen, die denken: Gott braucht nicht unser Gebet. Wir müssen ihn nicht bestürmen. Er lässt seiner Schöpfung die Gesetzlichkeit und uns den Freiraum und wirkt nicht immer Überraschendes oder gar Wunder, nur damit wir in unseren Wünschen oder unseren Nöten gestärkt werden. Aber ich merke, dass ich sehr gerne bei vielen Anlässen, besonders während der Eucharistiefeier, Menschen in mein Gebet einschließe, die mir nahestehen oder in Not sind – und vor allem dort, wo ich keine Lösung sehe.

      Dafür habe ich wahrscheinlich neben einer positiven Grundentscheidung für das regelmäßige Schweigen und Beten – ich unterscheide beides nicht wirklich – einen Impuls erhalten, der für mich immer neu Ansporn ist: Eine Ordensfrau und Mathematiklehrerin an einem Gymnasium in Augsburg hatte ein paar Mal Exerzitien gemacht, die ich begleiten durfte. In ihrer Gemeinschaft hielt man sie für eine tiefgläubige Frau; in Wirklichkeit war sie von vielen Zweifeln geplagt und zeitlebens eine ringende und suchende Schwester, die eher eine Gottesferne verspürte als das Empfinden hatte, in Gottes Händen geborgen zu sein. Diese Schwester wurde mir nicht nur durch viele Exerzitien zu einer Freundin. Vielmehr wusste sie durch Gespräche mit mir, dass auch für mich viele Fragen offen waren und ich keine Antwort, geschweige denn Lösungen für persönliche Nöte habe. Das hat sie aber nicht abgehalten, immer wieder einmal Exerzitien zu machen und sich von mir begleiten zu lassen.

      Und dann ging sie jeweils ein wenig gestärkt oder auch getröstet nach Hause in ihren eigenen Konvent. Die Fragen und Nöte blieben, sie konnte sie aber ertragen oder sogar oft tragen. Aber was tat diese Schwester? Jeden Abend, bevor sie selbst ins Bett ging, machte sie noch den Gang in die Hauskapelle ihres Klosters und verweilte dort mit ihren eigenen Fragen und mit Gedanken zum ausklingenden Tag in der Dunkelheit des Kirchenraumes. Nur das rote Lichtlein flackerte und deutete ihr an, dass Christus zugegen ist, auch wenn sie dieses nicht greifen und schon gar nicht begreifen konnte. Und am Ende sagte sie in ihrem Herzen und in die Dunkelheit hinein: »Guter Gott, pass mir auf den Jörg« – also mich – »auf; der hat es nötig, dass Du ihm zur Seite stehst.«

      Dass eine Mutter, ein Vater für die Kinder beten; dass wir als Kinder für unsere Eltern Hoffnungen und Wünsche an Gott herantragen, das ist fast »natürlich«. Aber dass jemand, der selbst um den Glauben ringt und an einer bitteren Gottesferne leidet, sich dennoch Tag für Tag dieser Bitte erinnert und sie ausspricht: »Guter Gott, passe mir auf den Jörg auf!«, das nimmt mich in die Pflicht. Und diese Pflicht ist weniger ein »Auch du musst beten!«, sondern eine Einladung: »Lasse andere erfahren, dass es dich, guter Gott, gibt; dass wir dir nicht gleichgültig sind; dass du uns liebst.« Seit dieser Zeit empfinde ich den 139. Psalm als eines der schönsten Gebete, die ich kenne: »Herr, du hast mich erforscht und du kennst mich. Ob ich sitze oder stehe, du weißt von mir. Noch liegt mir das Wort nicht auf der Zunge – du, Herr, kennst es bereits. Du umschließt mich von allen Seiten und legst deine Hand auf mich …«

       Jörg Dantscher SJ, Nürnberg, geb. 1941

       Im Wort bleiben

      Für mein Gebetsleben prägend war das Jahr vor meinem Ordenseintritt, das ich als Student im Heiligen Land verbrachte. Unvergesslich bis heute die überwältigende Stille eines Wüstenaufenthaltes auf dem Sinai. Geradezu physisch erfuhr ich damals, dass das Wort in der Stille und im Schweigen empfangen wird. An jedem Heiligen Abend denke ich daran zurück, wenn es in der Liturgie heißt: »Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel, vom königlichen Thron herab …« (Weish 18,14f). Ein Leben ohne regelmäßige Tage des Schweigens, um das Wort wieder neu zu empfangen, ist für mich seit damals nicht mehr vorstellbar.

      So deutlich und unverwechselbar ich immer wieder das Wort vernommen habe und vernehme, gab und gibt es auch Zeiten, in denen ich sehr unter der Zerstreuung im Alltag leide und die Fokussierung auf das Wort einfach nicht gelingen will. Gerade in diesen Zeiten aber wächst mein Hunger nach dem Wort spürbar. Umso beglückender, wenn es dann plötzlich und unerwartet zu einer Begegnung mit dem Wort kommt, sei es in der Stille der Kammer, sei es in einer menschlichen Begegnung. Nicht selten halte ich beim Beten des Stundengebetes der Kirche dankbar Rückschau, wie mich das Wort während des Tages überrascht hat: »Kamen Worte von dir, so verschlang ich sie; dein Wort war mir Glück und Herzensfreude« (Jer 15,16).

      Mein Selbstverständnis als Jesuit und Priester speist sich wesentlich aus der Botschaft von der Menschwerdung: »Und das Wort ist Fleisch geworden« (Joh 1). Auf Menschen am Rande zuzugehen kostet mich fast immer Überwindung. Und doch habe ich gerade in Begegnungen mit Armen und Kranken, Trauernden, Flüchtlingen und Drogenabhängigen erstaunliche Erfahrungen der Nähe Gottes gemacht. Das Wort führt mich zum Fleisch und das Fleisch zum Wort.

      Wenn beim (Stunden-)Gebet oder bei der Lektüre anderer geistlicher Texte ein Vers oder ein Satz zu mir spricht, unterstreiche ich diesen bisweilen mit roter Tinte. Eine Zeitlang – ich nenne es meine »Wanderjahre« – habe ich persönliche Melodien zu einzelnen Bibelversen erfunden, um sie so besser zu behalten. Bis heute begleiten mich diese auf Reisen und Spaziergängen. Begonnen hat das in der Kapelle des Maison d’Abraham in Jerusalem, in der ich an einem besonders heißen Tag Zuflucht gefunden hatte. In jeder Hinsicht ausgedürstet, suchte ich in einer dort bereitliegenden französischen Bibel nach etwas, was meinen Durst stillen könnte, und stieß auf folgenden Vers, der übersetzt lautet: »Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen« (Joh 8,31–32). Das »Vier-Stufen-Programm« dieses Verses begleitet mich bis heute. Als im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal viele kirchliche Verantwortliche von Angst und Sorge um den Ruf der Kirche erfüllt waren, habe ich es täglich wie ein Mantra für mich selbst wiederholt: »Die Wahrheit wird euch frei machen.«. Und das Wort hat Wort gehalten.

       Stefan Dartmann SJ, Freising, geb. 1956

       »Können Sie für mich beten?«

      »Können Sie für mich beten? Ich habe dazu in meiner jetzigen Situation keine Kraft mehr, Gott ist für mich zurzeit weit weg. Ich sehe keinen Sinn in dieser Phase meiner Krankheit. Alles ist aus, ich fühle mich wie in einem großen Loch. Ich kann nicht beten, wozu auch.« So wurde ich vor einiger Zeit in der Begleitung gefragt. Meine Antwort lautete: »Ja, natürlich, ich werde für Sie beten, dafür beten, dass Gott sich für Sie wieder zeigt und er mit Ihnen ist. Und ich bete natürlich stellvertretend für Sie, wenn Sie es nicht können.«

      Menschen in mein Beten mit einzubeziehen, sie mit ihren Anliegen, die sie selber oft nicht mehr in Worte fassen können, vor Jesus zu tragen, ihn zu bitten, ihr Herz zu bewegen, sich ihnen zu zeigen, ist ein wichtiger Aspekt in meinem Beten geworden. Dieses fürbittende Gebet wende ich regelmäßig in der Exerzitienbegleitung an. Es bereichert mein eigenes Beten mit dem Herrn und stärkt mein Vertrauen in Ihn. Nicht ich bin für alles und für jeden verantwortlich, sondern ich kann in solchen Momenten diejenige Person in die Hände des Herrn loslassen. Er wird das Seine dann tun. Es ist für mich eine Entlastung, nicht alles machen zu müssen.

      Überhaupt für Menschen zu beten, dass der Geist Gottes sie in wichtigen Entscheidungen begleite und stärke, dass sie in dunklen Momenten Trost und Zuversicht erfahren, ist ein tiefes Anliegen geworden. Sie vor Gott zu tragen und mit ihnen vor