Buch handelt von Söldnern, heimlichen Geldzahlungen und den Verwicklungen der eidgenössischen Orte in die Kriege der Grossmächte in Italien als Söldnerlieferanten. Es basiert auf der Dissertation, welche im Frühlingssemester 2011 unter dem Titel Die Pensionenunruhen 1513–1516. Kriegsgeschäft und Staatsbildung in der Eidgenossenschaft am Beginn der Neuzeit von der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern angenommen wurde. Das besondere Augenmerk der Untersuchung liegt auf der Verflechtung der politisch-militärischen Eliten der Eidgenossenschaft mit den Grossmächten Europas. Die engen Beziehungen der eidgenössischen Pensionenherren mit Frankreich, Mailand, dem Kaiser oder dem Papst, welche um Mailand und die Vorherrschaft in Oberitalien rangen, führten zwischen 1513 und 1516 zu massiven Untertanenprotesten in Bern, Luzern, Solothurn und Zürich. Die eidgenössischen Orte, welche von den Kriegsherren als Söldnerlieferanten heftig umworben wurden, sahen sich im Umfeld der Mailänderkriege mit massiven inneren Spannungen konfrontiert. Nach den Schlachten von Novara 1513 und Marignano 1515 traten die Untertanen in Bern, Luzern, Solothurn und Zürich bewaffnet vor ihre Obrigkeiten, denen sie Verrat und Bestechlichkeit vorwarfen. Am Beispiel dieser als Pensionenunruhen bezeichneten Untertanenproteste zeigt die Untersuchung auf, dass die Eidgenossenschaft seit den Burgunderkriegen politisch, ökonomisch und militärisch stark mit dem Ausland vernetzt war. Das enge Beziehungsgeflecht der eidgenössischen Machteliten mit auswärtigen Herren und der Abschluss von Soldallianzen mit den umliegenden Grossmächten – allen voran mit Frankreich – bildeten eine wichtige Grundlage für die eidgenössischen Aussenbeziehungen bis ins 18. Jahrhundert.
Es ist Prof. Dr. André Holenstein, der mein wissenschaftliches Interesse auf diese Thematik gelenkt und mich vor einigen Jahren auf die Pensionenunruhen aufmerksam gemacht hat. Ihm möchte ich dafür danken, dass er die Arbeit mit viel Geduld begleitet und mit vielen inhaltlichen Inputs massgeblich geprägt hat. Danken möchte ich auch Prof. Dr. Arndt Brendecke, der die Arbeit als Zweitgutachter konstruktiv kritisiert hat. Mein einjähriger Aufenthalt am Sonderforschungsbereich 437 Kriegserfahrungen. Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen im Rahmen eines Personenförderungsstipendiums des Schweizerischen Nationalfonds ermöglichte mir die Bearbeitung des Themas in einem wissenschaftlich anregenden Umfeld. Für die freundliche Aufnahme in die Oberseminarien des Fachbereichs Geschichtswissenschaft an der Universität Tübingen danke ich Prof. Dr. Anton Schindling und Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Langewiesche. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Abteilung für ältere Schweizer Geschichte des Historischen Instituts der Universität Bern waren stets aufmerksame Zuhörer und wohlwollende Kritiker. Ich danke an dieser Stelle besonders Prof. Dr. Andreas Würgler, Prof. Dr. Heinrich R.Schmidt, Dr. Daniel Schläppi und MA Sarah Rindlisbacher.
Ohne die grosszügige finanzielle Unterstützung durch die Burgermeinde Bern, den Friedrich-Emil-Welti-Fonds und den Schweizerischen Nationalfonds wäre eine Publikation dieses Buches nicht möglich gewesen. Ihnen bin ich zu grossem Dank verpflichtet. Mein Dank gilt auch Dr. Bruno Meier vom Verlag Hier und Jetzt, der sich dazu bereit erklärt hat, die Arbeit zu publizieren. Für die kritische Durchsicht eines frühen Manuskripts danke ich Martin Fries und Sara Steffen für das sorgfältige Lektorat.
Meiner Partnerin Susanne Fleischli, die mich stets darin bestärkt hat, meine bisweilen zeitaufwendigen historischen Studien fortzuführen, gilt mein Dank ganz besonders. Ihr und unseren drei Kindern Anna, Paula und Linus ist dieses Buch gewidmet.
Niederscherli, im Frühling 2015
Philippe Rogger
1 Thema: Pensionenunruhen, Gewaltmärkte, Aussenbeziehungen
Das 16. Jahrhundert begann unruhig in der Eidgenossenschaft. Der Berner Chronist Valerius Anshelm berichtet sehr lebendig davon, wie angespannt die Stimmung im Umfeld der Mailänderkriege war.
«Wie wol nun ein from, loblich Eidgnoschaft durch den herlichen, gwaltigen sig, zu(o) Nowara gewunnen, gegen allen iren pundsverwanten hat ir glu(e)k, lob, êr und nammen ganz wider ufgericht und gestelt, so erhu(o)b sich doch ein unwiderbringlich ungfa(e)l, namlich anheimsche ufru(o)r, […] wie der merteil ufru(o)ren entstond uss der obren und ra(e)ten zwitracht, kib und blast, zu(o) der zit bi Eidgnossen zu(o) Bern und in andren orten, uss heimschs gwalts und fro(e)mds gelts gitikeit fu(e)rnemlich erwachsen, und so wit ufgetriben, dass der sak mu(o)st einmal zerrissen, und der hizig wind ein ungestu(e)eme windsbrut ufwirblen und hurren.»1
Nur wenige Tage nach dem Zusammenstoss der Eidgenossen mit Frankreich in der Schlacht von Novara am 6. Juni 1513 erhoben sich die Untertanen in Bern (Könizer Aufstand), Luzern (Zwiebelnkrieg) und Solothurn und zogen bewaffnet vor die Tore ihrer Hauptstädte.2 In Zürich waren die Untertanen ebenfalls unruhig, doch gelang es dem Zürcher Rat, die Situation vorerst zu entschärfen. Nach der Niederlage der eidgenössischen Kontingente in Marignano im September 1515 und den darauf folgenden Bündnisverhandlungen mit dem französischen König und dem römisch-deutschen Kaiser zogen allerdings auch die Zürcher Untertanen vor ihre Hauptstadt (Lebkuchenkrieg).
Diese in der Historiografie als Bauernbewegung, 3 Schweizer Bauernkrieg4 oder Pensionenunruhen5 bezeichneten Unruhen lassen sich in eine lange Reihe von Konflikten zwischen Obrigkeiten und Untertanen auf eidgenössischem Gebiet in der Vormoderne einordnen.6 Untertanenproteste stellen gewissermassen ein «Grundproblem der Alten Eidgenossenschaft» dar.7 Im Unterschied zu anderen Aufständen im 15. und frühen 16. Jahrhundert zeichnen sich die Pensionenunruhen jedoch durch einen starken aussenpolitischen Bezug aus. Die Aufstände zwischen 1513 und 1516 sind eng mit der Machtpolitik der städtischen Obrigkeiten in den Mailänderkriegen (1494–1516) und dem um 1500 aufblühenden Sold- und Pensionenwesen verknüpft. Sie entstanden, wie Anshelm im Eingangszitat sagte, «uss der obren und ra(e)ten zwitracht» und «uss heimschs gwalts und fro(e)mds gelts gitikeit». Parteiung und Geldgier innerhalb der eidgenössischen Elite waren nach Meinung dieses scharfen Beobachters die Hauptursachen für die Konflikte. Dieser Zusammenhang wird etwa auch in der Chronik des Zürchers Hans Füssli deutlich.
«Wie bald nun alle zeichen der eidgnossen von nawarien wider heim kamend, da kond der verlurst zu(o) nawarien (der glychen in manß tenken nit mer geho(e)rt begegnet syn den eidgnossen) den gmeinen man nie gnu(o)g verruwen, vermeintend och, daß sy nit den minsten teil ireß verlurstß von den tütschen frantzosen hetind, namlich von denen, die vornaher dem frantzosen groß gu(o)t an iargelt, pensionen vnd schenkungen abgenomen hatend, die hetind vilicht jetz zu(o) mal mee trurenß vnd mitlydenß mit dem frantzosen dan mit den eidgnossen.»8
Das Missfallen der Untertanen richtete sich 1513 gegen die «tütschen frantzosen», also gegen diejenigen Ratsherren, welche von Frankreich «groß gu(o)t an iargelt, pensionen vnd schenkungen» erhalten hatten. Im Zitat Füsslis lässt sich somit der Vorwurf an die «deutschen Franzosen» erkennen, sich mit Frankreich, mit dem man sich im Krieg befand, verbündet zu haben. Feldflüchtige Knechte sollen, wie Anshelm vermerkt, noch während der Schlacht ausgerufen haben: «Alles verraten und verloren!»9 Eine vergleichbare Konfliktkonstellation und der Vorwurf des Verrats zeigten sich zwei Jahre später auch im Zürcher Lebkuchenkrieg. Auch dort zielte der Untertanenprotest gegen die französischen «pensioner».10 Was aber ist unter diesem Begriff Pensionär beziehungsweise Pensionen zu verstehen?
Die ursprünglich kirchenrechtliche Verwendung des Begriffs der Pension als Recht, die Erträge eines Benefiziums zu beziehen, erfuhr im Spätmittelalter einen Bedeutungswandel und fand seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Eingang in den weltlichen Kontext. «Pensionen sind im Sprachgebrauch vom Ende des 15. Jahrhunderts an», so die Definition von Valentin Groebner, «offizielle (wenn auch oft vertraulich gehandhabte), regelmässige und in fester Vertragsform vereinbarte Zahlungen von auswärtigen Höfen an Einzelpersonen, Amtsleute, Räte und politische Körperschaften.»11 Für die Zeitgenossen um 1500 war die Begrifflichkeit dieser Transaktionen weitaus diffuser, als dies moderne Definitionen suggerieren. Dies zeigt nicht nur das Zitat von Füssli, sondern etwa auch der Zürcher Mailänderbrief von 1516. In diesem Einigungsvertrag zwischen Obrigkeiten und Aufständischen ist die Rede von «pension, provision, gnad, dienstgelt, miet, gab noch schenki, wie