Eva von Wyl

Ready to Eat


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to eat» beziehungsweise «Ready to eat meals» oder «Ready to eat foods» bezeichnet im amerikanischen Sprachgebrauch Fertiggerichte aller Art, die zubereitet und portioniert im Supermarkt gekauft und entweder sofort konsumiert oder aber in der Mikrowelle oder im Ofen aufgewärmt werden. Die Palette an Fertiggerichten ist in amerikanischen Supermärkten gross. Sie reicht von einfachen Dosenprodukten über gefriergetrocknete Suppen und Pastagerichte bis hin zu vollständigen Tiefkühlmenüs, angerichtet auf Plastiktellern und in abgetrennten Bereichen – alles «ready to heat», bereit zum Aufwärmen. Die Tiefkühlabteilung amerikanischer Supermärkte nimmt flächenmässig je nach Region und Supermarktkette etwa gleich viel Platz ein wie alle übrigen Food- und Nonfood-Abteilungen zusammen. Das Sortiment für Ready to eat meals türmt sich in endlos wirkenden Reihen von überdimensionierten Gefrierschränken. Das Angebot ist grenzenlos – es gibt nichts, was es nicht gibt. Diese Dimensionen sind – hat man es nicht selbst erlebt – kaum vorstellbar. Die Abteilungen für Fertiggerichte in hiesigen Supermärkten sind dagegen Miniaturen und schon fast banal. Dennoch basieren die Ausgestaltung des Sortiments, die Anordnung der Regale, das Konzept der Selbstbedienung, ja sogar die neusten Selfcheckout-Kassen auf den Errungenschaften der amerikanischen Vorbilder. Für das vorliegende Buch habe ich mich intensiv mit solchen amerikanischen Errungenschaften, aber auch mit amerikanischen Lebensmitteln und Gerichten und ihrer globalen Ausstrahlungskraft auseinandergesetzt – nicht nur im wissenschaftlichen Sinn, sondern zunehmend auch im Alltag. Ich habe versucht herauszufinden, warum die Amerikaner bis heute so erfolgreich sind bei der Verbreitung ihrer Ideen, Werte und ihrer Lebensweise. Zudem wollte ich wissen, warum wir so hungrig sind auf alles, was von «drüben» kommt, die amerikanische Kultur aber gleichzeitig auch belächeln oder gar verachten.

      Je länger ich mich mit diesen Fragen auseinandergesetzt habe, desto schwieriger fiel mir eine Antwort und desto mehr hat mich das amerikanische Selbstverständnis und der American way of life in seinen – durchaus ambivalenten – Bann gezogen. Insofern sind die hier präsentierten Ergebnisse über die transatlantischen Beziehungen und die wechselseitige Beeinflussung ein vorläufiger Bericht meiner Erkenntnisse und noch lange nicht abgeschlossen.

      Ich danke all jenen, die mich auf kleineren oder grösseren Abschnitten meiner transatlantischen Entdeckungsreise begleitet und massgeblich zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben. Namentlich danke ich den Professoren Jakob Tanner und Frank Trentmann, die «Ready to Eat» als Dissertation kritisch und wohlwollend begleitet haben. Jakob Tanner danke ich für seine zahlreichen und richtungsweisenden Inputs, Frank Trentmann für die spannenden Gespräche in London und die wertvollen Hinweise und Anregungen.

      Ein grosser Dank geht an all jene, die mir bei den Recherchen in den verschiedenen Archiven und Bibliotheken in der Schweiz, in den USA und in England geholfen haben. Tricia Terrell danke ich dafür, dass sie so hartnäckig mit dem Archivar des Coca-Cola-Archivs in Atlanta verhandelte und nicht locker liess, bis dieser ihr den Hinweis auf den Nachlass des ehemaligen Coca-Cola-Präsidenten, Robert Woodruff, in der Manuscript, Archives, and Rare Book Library der Emory University gab. Hier stiess ich schliesslich auf das Dossier «Campaign against Coca-Cola in Switzerland», das mein Buch um ein zentrales Kapitel bereichert hat. Sabina Bellofatto, Franziska Egli, Adrian Hänni, Eveline Hipeli, Simon Hofmann, Konrad Kuhn, Ariane Knüsel, Lea Moliterni, Oliver Schneider, Johannes Theler, Roman Wild und Julia von Wyl Anderegg danke ich für die kritische Lektüre des Manuskripts. Ein ganz besonderer Dank gilt an dieser Stelle meinem Vater, Hans Peter von Wyl, der nicht nur das ganze Manuskript in einer ersten Fassung Korrektur gelesen hat, sondern eine grosse Hilfe war beim Entziffern des Amtsfranzösischen und des französischen Telegrammstils der 1940er- und 1950er-Jahre. Meiner Mutter, Bernadet Habermacher, danke ich für die bunten thematischen Inputs in Form von Postkarten, Werbeprospekten und Trouvaillen wie dem Kellogg’s Rice Krispies T-Shirt.

      Ein Dank geht auch an den Verlag Hier und Jetzt für die Aufnahme dieses Buchs in sein Programm und die Begleitung auf der allerletzten Etappe meines transatlantischen Unterfangens.

      Für die finanzielle Unterstützung während der Recherchearbeit danke ich insbesondere dem Schweizerischen Nationalfonds und der Salomon David Steinberg-Stipendien-Stiftung.

      Meinen letzten und tiefsten Dank richte ich an meinen Mann David Dürrenmatt. Er hat meinetwegen nicht nur unzählige Stunden im Flugzeug verbracht, sondern hat mich während des ganzen Dissertations- und später Buchprojekts in jeglicher Hinsicht unterstützt und vorangetrieben.

      Eva Maria von Wyl

      Zürich, März 2015

      Einleitung

      Ready to Eat

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      Abb. 1: Zweifel Chips – eine zeitsparende Menübeilage, Werbeplakat von 1974.

      Pommes-Chips als Beilage zum Poulet, zum Steak oder zu grilliertem Fleisch und Würsten, Pommes-Chips zum Apéro, Pommes-Chips fürs Picknick, Pommes-Chips zum Fernsehen, Pommes-Chips als Party-Snack … Pommes-Chips sind längst fester Bestandteil der Essgewohnheiten in der Schweiz geworden, und ihrem Einsatz sind – wie die Beispiele zeigen – keine Grenzen gesetzt. Was heute so alltäglich, fast schon gewöhnlich klingt, musste den Konsumentinnen und Konsumenten jedoch zuerst «beigebracht» werden. Als die Mosterei Gebr. Zweifel, ein Familienunternehmen im zürcherischen Höngg, gegen Ende der 1950er-Jahre von einem verwandten Bauer vier Hotelfritteusen und das Rezept für die Verarbeitung von Kartoffeln zu frittierten Kartoffelscheibchen erbte, war der amerikanische Snack in der Schweiz noch praktisch unbekannt. Nur ein paar Beizen und Restaurants in der Umgebung kannten Bauer Meiers «Pomy-Chips» und servierten sie ihren Gästen. Hansheinrich Zweifel, dem Sohn des Mostereibesitzers, war klar: Wenn er mit der Produktion von Chips ein neues Firmenstandbein aufbauen wollte, musste er seine Pomy-Chips unter die Leute bringen und die Produktion ausbauen. Auf einer ausgedehnten USA-Reise besuchte er im Sommer 1959 amerikanische Chips-Fabriken, tauschte sich mit seinesgleichen aus und lernte eine Menge über amerikanische Vermarktungsstrategien. Zurück in der Schweiz, machte er sich daran, die Schweiz mit amerikanischen Tischsitten vertraut zu machen. Auf Broschüren und Flyern druckte die Firma Zweifel Rezeptvorschläge und pries Pomy-Chips als amerikanischen Party-Snack und zeitsparende Menübeilage an (Abbildung 1). Völlig gegen die damals gängigen Tischregeln verstossend, forderte Zweifel seine Kundinnen und Kunden auf, die Chips mit blossen Händen zu essen – ganz nach amerikanischem Vorbild eben. Nichtsdestotrotz brauchte es nicht lange, bis die Schweizerinnen und Schweizer Gefallen fanden an diesem amerikanischen Snack und den damit einhergehenden amerikanischen Sitten.

      Zweifels grösster Erfolg war indes die Idee mit der zeitsparenden Menübeilage – die Kombination von Chips und Grillpoulet beziehungsweise Chips und Grilladen eroberte die Schweizer Haushalte im Sturm und wurde gar zu einer Art Nationalgericht. Nirgendwo sonst, weder in den USA noch in den benachbarten europäischen Ländern, werden Chips als Beilage zu Fleischgerichten gegessen – sie sind dort hauptsächlich ein Snack für zwischendurch, für Partys oder zum Apéro. Damit trug die Firma Zweifel nicht nur zur Verbreitung eines amerikanischen Snacks und amerikanischer Essgewohnheiten bei, sondern schuf auf Basis eines Produkts amerikanischer Herkunft neue schweizerische Essgewohnheiten.

      Eng mit der Etablierung amerikanischer Essgewohnheiten verbunden sind auch Innovationen im Bereich der Lebensmittelproduktion, der Werbung, des Verkaufs und der Zubereitung von Nahrungsmitteln. «Ready to Eat» untersucht, wie die amerikanische Kultur und Wirtschaft die Essgewohnheiten in der Schweiz im weitesten Sinn beeinflussten. Es behandelt den Zeitraum von 1948 – als Eckdatum für die vollständige Aufhebung der Lebensmittelrationierung – bis zur Ölkrise von 1973 und bezieht sich in erster Linie auf die Schweiz als geografischen Untersuchungsraum. Wo gegeben, werde ich jedoch auch Vergleiche mit den Nachbarländern ziehen und Parallelen beziehungsweise Unterschiede zwischen der Schweiz und anderen europäischen Ländern aufzeigen.

      Obwohl davon ausgegangen werden muss, dass die Essgewohnheiten in der Schweiz traditionellerweise von Region zu Region unterschiedlich sind und Ernährungsbestandteile und -rhythmen zum Teil sehr stark voneinander abweichen können,